«Ich habe das Gefühl, wir sind weniger wert in der Gesellschaft»
Diese beiden Frauen haben sich verpartnert und sind inzwischen Mütter - nun hoffen sie auf die Ehe für alle
Alannah und Vanessa aus Basel sind seit letztem Jahr verpartnert und haben diesen Frühling einen Sohn bekommen. Gegenüber MANNSCHAFT erzählen sie von den bürokratischen Hürden, die insbesondere ein Kinderwunsch in der Eingetragenen Partnerschaft mit sich bringt, und wie sie das politische Gerangel um die Ehe für alle empfinden.
Vor neun Jahren haben sich Alannah und Vanessa über gemeinsame Freunde kennen- und drei Jahre später auch lieben gelernt. Seit letztem Sommer leben sie in einer Eingetragenen Partnerschaft. Sie würden «sofort» heiraten, wenn es ihnen denn erlaubt wäre, erzählt Alannah im Interview.
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In der Schweiz können gleichgeschlechtliche Paare noch immer nicht heiraten. Mit der Eingetragenen Partnerschaft können sich Männer- und Frauenpaare zumindest rechtlich absichern. In einigen Punkten steht sie der tatsächlichen Ehe aber nach. Als wichtigster Punkt wird dabei meist der verwehrte Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für Frauenpaare genannt, sowie der Fakt, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht adoptieren dürfen.
Ehe für alle würde Familienplanung erleichtern Ein Kinderwunsch ist in einer Eingetragenen Partnerschaft somit mit einem enormen finanziellen und bürokratischen Aufwand verbunden. Dieser beginnt bereits bei der Samenspende. In der Schweiz steht die Samenspende nur verheirateten und damit heterosexuellen Paaren zu. Frauenpaare müssen sich um einen privaten Spender kümmern oder eine Samenspende im Ausland, beispielsweise in Deutschland, durchführen.
«Wir wollten für unseren Sohn einen privaten Spender haben, damit er seinen Erzeuger kennen lernen könnte. Das kostet natürlich auch, aber noch lange nicht so viel wie eine anonyme Samenspende in einer Klinik», erzählt Alannah. Diese könne gut und gerne 10’000 Franken pro Versuch kosten, meistens sind aber mehrere Versuche nötig. Mit Reise, Medikamenten und weiteren Ausgaben kann ein Kinderwunsch so auch in Richtung 100’000 Franken gehen. «Natürlich wäre es viel einfach und günstiger, wenn die Ehe für alle mit Zugang zur Fortpflanzungsmedizin zu Stande käme.»
«Die Bauern haben andere Probleme als mein Schwulsein»
Alannah begleitete ihre Frau, die das Kind austrug, an jeden Termin beim Frauenarzt. Bei jeder Abklärung und jedem Ultraschall war sie mit dabei. Ausgerechnet bei der Geburt musste sie sich aber Erklären. Wegen der Corona-Pandemie gab es in den Krankenhäusern strenge Regelungen. «Es hiess immer, nur der Ehemann oder der Vater dürfe zu Besuch kommen», erzählt Alannah. Jedes Mal musste sie also erst erklären, dass sie mit Vanessa in einer Eingetragenen Partnerschaft lebt und sie sie deshalb gerne besuchen würde.
Doch damit sind die bürokratischen Hürden noch lange nicht überwunden. Bei heterosexuellen Paaren wird der vermutete Vater nach der Geburt automatisch als Elternteil anerkannt. Nicht so bei Frauenpaaren. Seit 2018 kann die nicht biologische Mutter das Kind zwar als Stiefkind adoptieren (MANNSCHAFT berichtete), allerdings muss das Kind vorher ein Jahr lang mit beiden Müttern leben.
Während diesem Jahr ist das Kind rechtlich nur halb abgesichert. Wenn die biologische Mutter stirbt oder sich das Paar trennt, hat die Co-Mutter keinerlei Rechte. Wenn die Partnerin stirbt bekommt das Kind keine Halbwaisenrente. «Ausserdem kann man das Adoptionsverfahren erst nach einem Jahr starten. Danach kann es noch ein halbes, ein ganzes oder auch fünf Jahre dauern, bis ich als Elternteil akzeptiert werde», ergänzt Alannah. Der ganze Prozess zerre auch an den Nerven. «Es ist emotional sehr aufwühlend und belastend, wenn man sich das Recht auf sein Kind erst ‹erarbeiten› muss – und das nur, weil man eine Frau und kein Mann ist.»
Vanessa und Alannah verfolgen die politische Diskussion um die Ehe für alle mit. Angesprochen auf die erneute Verzögerung der parlamentarischen Initiative am Mittwoch (MANNSCHAFT berichtete), zeigt sich Alannah enttäuscht. «Man macht sich Hoffnungen und denkt, es gibt endlich einen Fortschritt und dann wird schon wieder alles verschoben. Es gibt einem das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden oder das Anliegen sei nicht wichtig genug.»
Mit der Ehe für alle inklusive Zugang zur Samenspende für Frauenpaare, würde viel Bürokratie wegfallen. Alannah empfindet die ungleichen Hürden, die lesbische Paare heute haben, als diskriminierend. «Ich habe das Gefühl, wir sind weniger Wert in der Gesellschaft und unsere Anliegen weniger ernst genommen werden.»
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Ein langer Weg Der politische Weg der Ehe für alle ist jetzt schon ein sehr langer. Im Dezember 2013 hatte GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy die parlamentarische Initiative erstmals eingereicht. Nachdem die Rechtskommission des Nationalrats im Februar 2019 zwei Vorlagen ausgearbeitet hatte, beschloss der Nationalrat im Juni 2019 eine Fristverlängerung von zwei Jahren.
Weitere Infos zur Eheöffnung führt Pink Cross auf seiner Website auf, unter anderem auch die Ergebnisse der jüngsten repräsentativen Umfrage. Dort sprechen sich 66% für eine volle Ehe für alle aus, inklusive Zugang zur Fortpflanzungsmedizin.
Wer sich für die Ehe für alle aktiv engagieren möchte, findet eine Spendenmöglichkeit und weiterführende Informationen unter www.ehefueralle.ch.
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