Ehe für alle: Berner Obergericht zeigt Handlungsbedarf auf

Urteil zieht nichtleibliche Mutter in die Pflicht

Bild: iStockphoto
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Wie das Berner Obergericht urteilt, hat auch der nichtleibliche Elternteil in einer eingetragenen Partnerschaft eine moralische Verantwortung gegenüber den Kindern und muss für den Unterhalt aufkommen. Das Gericht kann jedoch nicht das Besuchsrecht regeln.

Ein neues Urteil des Berner Obergerichts dürfte wegweisend für die parlamentarische Debatte über die Ehe für alle sein. Demnach muss eine Frau nach der Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zahlen, obwohl sie nicht die leibliche Mutter ist. «Mit diesem Urteil sind gemeinsame Kinder aus eingetragenen Partnerschaften bei einer Trennung nun faktisch gleichgestellt mit Kindern aus Ehen», sagt Dominic Nellen, Rechtsanwalt der leiblichen Mutter, in einem E-Mail gegenüber MANNSCHAFT.

Die beiden Frauen hatten sich gemeinsam für eine Elternschaft entschieden, die sie mithilfe der Samenspende im Ausland realisierten. Sie liessen ihre Partnerschaft eintragen und bauten ein Haus. Die leibliche Mutter kümmerte sich um die Kinder, während ihre damalige Partnerin – vom Gericht als Co-Mutter bezeichnet – als Hauptverdienerin für den Unterhalt sorgte.

Das Obergericht hält fest, dass die Co-Mutter den Unterhalt auch nach der Trennung und Auflösung der eingetragenen Partnerschaft sicherstellen muss. Dies, obwohl das geltende Partnerschaftsgesetz dem nichtleiblichen Elternteil keine Elternrechte und -pflichte zuschreibt. Indem die drei Oberrichter*innen den Unterhalt gemäss dem Eherecht regeln, machen sie die beiden Frauen gemeinsam zu Eltern. Die Co-Mutter habe zwar keine rechtliche oder biologische Verantwortung gegenüber den Kindern, sehr wohl aber eine moralische. «Nach diesem Urteil ist klar: Ein Co-Elternteil kann sich bei einer Trennung nicht einfach ohne finanzielle Nachwirkungen aus dem Staub machen», so Nellen.

Ehe für alle – «Es ist ein riesiger Meilenstein»

Nellen bezeichnet das Urteil als wegweisend. Es sei das erste Mal, dass ein Gericht die Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft schütze. Der Entscheid dürfte den Druck auf die Politik erhöhen, auch Kinder in Regenbogenfamilien rechtlich abzusichern. Am 11. Juni sprach sich der Nationalrat für die Eheöffnung inklusive Zugang zur Samenspende für Ehefrauen und die originäre Elternschaft aus (MANNSCHAFT berichtete). Falls auch der Ständerat das gesamte Paket absegnet, wird eine Co-Mutter bei Geburt eines Kindes automatisch als Elternteil mit allen Rechten und Pflichten anerkannt.

Gleichstellung für Kinder in Regenbogenfamilien gefordert

Nellen spricht von einem «Signal an die Politik»: «Das Urteil zeigt, dass Regenbogenfamilien mit gemeinsamen Kindern eine Realität sind und dass es Regeln braucht, um solchen Familien und insbesondere den Interessen der Kinder gerecht werden zu können. Regenbogenfamilien mit eingetragener Partnerschaft müssen gleich behandelt werden wie gemischtgeschlechtliche Familien. Denn ein Kind wählt sich den rechtlichen Hintergrund seiner Herkunftsfamilie nicht aus.»

Mit den Unterhaltszahlungen konnte das Obergericht zwar die Pflichten der Co-Mutter wahren, nicht aber ihre Rechte. Es sei nicht möglich, das Besuchsrecht zu regeln. Gemäss Nellen eine «paradoxe» Situation. Der Kontakt zwischen Kind und Co-Elternteil könne rechtlich nur auf komplizierterem Weg eingefordert werden.

Paare fordern vom Nationalrat die Eheöffnung

Wie Nellen weiter ausführt, würden sich solche Fragen bei einer Öffnung der Ehe inklusive originären Elternschaft und Zugang zur Samenspende nicht mehr stellen. «Das Partnerschaftsgesetz sieht keine Kinder vor. Diese sind jedoch da. Es gilt, für sie einen menschenwürdigen rechtlichen Rahmen zu bieten», sagt er.

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