Droht Chaos bei Impfung? «Berlin riskiert Comeback von Affen­pocken»

Ab sofort wird es kompliziert, sich gegen Mpox zu schützen

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Das Land Berlin hat die Finanzierung der Mpox-Impfung eingestellt – offenbar ohne dass klar ist, wie es mit der Impfung gegen die als «Affenpocken» bekannt gewordene Krankheit weitergehen soll.

Mit der Aufhebung eines Kooperationsvertrags zwischen der Senatsverwaltung und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV) endete am 13. Dezember die «Verkehrstüchtigkeit» des Pocken-Impfstoffes Jynneos. Das Mittel, das keine EU-Zulassung hat, aber seit dem Ausbruch von Mpox im Sommer 2022 per Ausnahmeverordnung tausendfach in Berlin und ganz Deutschland verimpft worden sei, dürfe damit ab sofort nicht mehr genutzt werden, heisst es in einer Mitteilung der Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärzt*innen für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin e. V. (dagnä).



Die Berliner Gesundheitsverwaltung verweise stattdessen auf den wirkstoffgleichen, in der EU zugelassenen Impfstoff Imvanex, der im Gegensatz zum vergangenen Jahr nun lieferbar sei. Während für Jynneos gemäss dem Kooperationsvertrag bis jetzt die Länder die Kosten der Impfungen übernommen haben, sollen die Imvanex-Impfungen über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Dies hatte Anfang Dezember ein Vertreter der Berliner Gesundheitsverwaltung in einer Videokonferenz mit Berliner Infektiolog*innen und Repräsentant*innen der Deutschen Aidshilfe sowie der Schwulenberatung Berlin bekanntgegeben.

Problem: In Berlin gibt es wie in den meisten anderen Bundesländern bis heute keine Abrechnungsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und den gesetzlichen Kassen. Laut einem Schreiben der KV an die impfenden Praxen werde gegenwärtig verhandelt – es gebe jedoch «leider noch keine abschliessende Klärung.»

In der Folge werde es in der Hauptstadt ab diesem Donnerstag kompliziert, sich gegen Mpox impfen zu lassen. Obwohl gesetzlich Krankenversicherte einen Anspruch auf die Impfung haben, müssen Ärzt*innen die Impfleistung privat abrechnen. Zudem sei unklar, ob der Impfstoff über ein Kassenrezept in der Apotheke bezogen werden dürfe oder ebenfalls zunächst privat gezahlt werden müsse. Die Erstattung der entstandenen Kosten müssten Patient*innen persönlich bei ihrer Krankenkasse beantragen.

«Alle wissen, dass damit die Bereitschaft zur Impfung sinkt», sagt der Berliner Infektiologe Heiko Karcher, der als Vertreter der ambulant tätigen Infektiolog*innen und HIV-Mediziner*innen (dagnä) an der Videokonferenz teilgenommen hat. Seit einiger Zeit seien besonders in Berlin wieder mehr Neuinfektionen registriert worden, aktuell sind es in Deutschland zwischen zwei und 12 Fällen pro Woche (MANNSCHAFT berichtete). Es sei schwer zu verstehen, dass gerade jetzt der Zugang zur Impfung erschwert werde. «Berlin riskiert ein Comeback von Mpox», so die dagnä.

Besonders schwierig werde die Lage für Menschen ohne Krankenversicherung oder jene, die in einem anderen Land versichert sind. Auch diese Gruppe – darunter viele Selbstständige oder Studierende – konnte sich dank der Ausnahmeverordnung bislang ohne Zuzahlung gegen Mpox impfen lassen. Ab diesem Donnerstag gebe es laut dagnä für sie nicht einmal mehr die Möglichkeit der Erstattung.

Christoph Weber, medizinischer Leiter des Checkpoint BLN – eines besonders niederschwellig angelegten Zentrums für sexuelle Gesundheit am Hermannplatz – hat angekündigt, dass deswegen ab diesem Donnerstag die regelmässigen Mpox-Impftage im Checkpoint eingestellt werden müssten. «Im Checkpoint sollte es darum gehen, welches Risiko die Menschen haben, nicht um ihren Versicherungsstatus», sagt Weber. «Wir können Menschen nicht ungleich behandeln, wenn sie die Impfung gleich dringend brauchen.»

Es ist absurd, dass vorhandener Impfstoff, der für alle zugänglich war, aus dem Verkehr gezogen wird.

Es brauche in Berlin eine Übergangsregelung, bis die Imvanex-Abrechnung mit den Kassen geklärt sei, meint Karcher. Gleichzeitig müsse sichergestellt werden, dass auch Nicht-Versicherte weiter Zugang zur Impfung bekämen. «Es sind noch Tausende Impfdosen Jynneos vorrätig – und es gibt keinen Grund, diese nicht mit der Ausnahmeverodnung weiter zu verimpfen.» Stattdessen sollen die verbliebenen Chargen nun entsorgt werden. «Es ist absurd, dass vorhandener Impfstoff, der für alle zugänglich war, jetzt aus dem Verkehr gezogen wird», sagt Weber.

Laut Gesundheitsverwaltung wurde die KV vor geraumer Zeit gebeten, die Ärzteschaft über das Ende von Jynneos zu informieren. Dies sei jedoch erst am 4. Dezember mit einem Schreiben an die impfenden Praxen passiert. Seitdem seien keine neuen Informationen über die Zukunft der Impfung gekommen. Es sei unklar, warum es Gesundheitsverwaltung und KV versäumt hätten, Ärzt*innen und Community-Vertreter*innen rechtzeitig in den Verhandlungsprozess mit einzubeziehen.

Eine erfolgreiche Public-Health-Strategie funktioniere nicht ohne Partizipation der betroffenen Communities, sagt Stephan Jäkel, Abteilungsleitung in der Schwulenberatung Berlin. «Stattdessen stehen wir 1,5 Jahre nach dem letzten Mpox-Ausbruch und all den Lehren, die man daraus hätte ziehen können, wieder vor vollendeten Tatsachen.»

In Bundesländern wie Bayern, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen sehe die Lage ähnlich aus, allerdings gab es dort nie so viele Fälle von Mpox wie in Berlin. In Hamburg und Sachsen-Anhalt gälten dagegen Übergangsregeln: Dort dürfe weiter ohne Zuzahlung Jynneos verimpft werden, solange es Vorräte und noch keine Regel zur Abrechnung von Imvanex gibt.

Das RKI stuft Jynneos/Imvanex als sehr effektiv ein, besonders vor schweren Erkrankungen schütze die Mpox-Impfung sehr gut. Die STIKO empfiehlt die Impfung mit Jynneos oder Imvanex ausdrücklich für medizinisches Fachpersonal sowie für Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben und häufig die Partner wechseln.

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