Coronavirus in Spanien – Mit Evakuierungsflug nach Hause
Eigentlich wollte unser Autor auf Gran Canaria seine Fotografie-Kenntnisse verbessern. Stattdessen strandete er, als alle Flüge gestrichen wurden
Derzeit holt die Bundesregierung im Schnitt 10.000 Deutsche täglich aus dem Ausland zurück, wie Reuters meldet. Seit vergangenen Dienstag habe man wegen der Corona-Pandemie über 120.000 deutsche Urlauber*innen mit Flugzeugen der Reiseveranstalter beziehungsweise mit Chartermaschinen im Auftrag der Bundesregierung zurückgebracht, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Darunter war am Sonntag auch MANNSCHAFT-Autor Tobias Sauer.
Als ich vor einigen Monaten für den März einen Flug nach Gran Canaria buchte, klang das nach einem tollen Plan: dem Spätwinter Berlins für zehn Tage entfliehen, um auf der Vulkaninsel im Atlantik bei frühlingshaften Temperaturen meine Fotografie-Kenntnisse zu verbessern. Mit dem Mietwagen wollte ich, so die Idee, in die Berge und an den Strand fahren, um die majestätischen Landschaften, die Weite des Meeres oder einfach blühende Blumen abzulichten.
«Am schwersten fällt es mir, andere nicht zu umarmen»
Daraus wurde nichts. Stattdessen eskalierte kurz nach meiner Ankunft die Corona-Lage in Spanien in atemberaubendem Tempo. Zunächst schloss die Regierung Restaurants, Bars und Clubs. Dann verhängte sie eine allgemeine Ausgangssperre. Anschliessend annullierte die Fluggesellschaft meinen Rückflug. Schliesslich wurde ich durch einen von der deutschen Bundesregierung organisierten Flug ausgeflogen.
War es nicht ein bisschen leichtsinnig zu fliegen? Schon in den Tagen vor meiner Abreise spitzte sich die Lage in Spanien zu. Besonders in der Hauptstadt Madrid und einigen Regionen im Norden des Landes stieg die Zahl der mit dem erstmals Ende vergangenen Jahres in Wuhan, China, ausgebrochenen Coronavirus an. In Italien, das von der Seuche ebenfalls schwer getroffen worden war, wurde wenige Tage vor meiner Reise bereits eine Ausgangssperre verhängt. War es in dieser Situation nicht ein bisschen leichtsinnig, trotzdem am Donnerstag vor eineinhalb Wochen nach Gran Canaria zu fliegen?
Hinterher ist man immer klüger. Damals aber war die Zahl der Infizierten auf den Kanaren sehr gering. Bis heute zählen die Inseln glücklicherweise zu den am wenigsten betroffenen Regionen in Spanien. Auch die spanische Botschaft, mit der ich zufällig am Tag vor meiner Abreise einen Termin hatte, sah den folgenden Shutdown nicht kommen und wünschte freundlich eine gute Reise. Ich selbst hatte damit gerechnet, dass Bars und Clubs möglicherweise geschlossen werden würden, darunter auch das Yumbo Center, der schwule Hotspot Gran Canarias. Da ich aber nicht in erster Linie auf Party aus war, sondern vor allem alleine auf Fotosafari gehen wollte, schreckte mich das nicht. (Dieser spanische Pianist gibt Konzerte auf seinem Balkon – MANNSCHAFT berichtete)
Er wurde positiv auf Corona getestet – am Freitag, den 13.
Umso überraschender die Kaskade an Massnahmen, die die spanische Regierung ergriff. Nachdem zunächst am Sonntag alle Bars, Clubs und Restaurants geschlossen wurden, rief sie bereits am folgenden Tag den Alarmzustand aus, mit dem eine allgemeine Ausgangssperre in Kraft trat. Joggen, selbst Spaziergänge, wurden verboten. Die Eingänge zum mehrere Kilometer langen Strand waren nun mit Flatterband abgesperrt, ebenso die Strandpromenade, die auf einem Hügel normalerweise einen tollen Blick über die riesigen Sanddünen von Maspalomas und weit aufs Meer bietet. Auch der Pool des Apartmenthauses, in dem ich wohnte, wurde geräumt.
Stattdessen fuhren Polizei- und Krankenwagen durch die Strassen, mit ihren Lautsprechern wurde in mehreren Sprachen auf die Ausgangssperre hinwiesen: Alle Bewohner*innen und Besucher*innen sollten in ihren Häusern, Wohnungen oder Hotelzimmern bleiben. In den kommenden Tagen kontrollierten Polizist*innen auf den Strassen Auto- und Rollerfahrer*innen, an mehreren Stellen richteten die Ordnungskräfte Checkpoints ein.
Auch wenn ich nicht kontrolliert wurde, hätte ich die Sperren doch passieren dürfen, denn für die Abreise war die Fahrt zum Flughafen weiterhin erlaubt. Weil mein Rückflug mit einer irischen Billigfluggesellschaft storniert worden war, der Servicechat für eine Umbuchung nach sechsstündigem Ausharren in der Warteschleife aber immer noch nicht antwortete, buchte ich mit derselben Airline für den vergangenen Donnerstag kurzerhand einen One-Way-Flug zurück nach Deutschland.
Vorrang für Familien und Schulklassen Am Flughafen angekommen, verhiessen die langen Schlangen vor dem Check-In-Schalter allerdings nichts Gutes. Tatsächlich war der Flug überbucht. Vorrang erhielten Familien und Schulklassen. Für mich bedeutete dies, nach einigen Stunden unverrichteter Dinge ins Apartment zurückzukehren.
Umfrage: Wie sieht dein Alltag mit Corona aus?
Glücklicherweise hatte ich mich bereits bei der Ausrufung des Alarmzustands durch die spanische Regierung auf der Krisenvorsorgeliste des deutschen Auswärtigen Amtes eingetragen. Bald meldete sich das deutsche Konsulat per E-Mail. Den «Lieben Landsleuten» wurden darin Evakuierungsflüge angekündigt. Tatsächlich rief mich am Freitagabend eine Mitarbeiterin des Konsulats an und bat mich, am Samstag erneut zum Flughafen zu kommen. Von dort wurde ich nach Düsseldorf ausgeflogen, die Rechnung für diesen Flug wird mir in der nächsten Zeit zugestellt. (Laut Konsulat orientiert sich der Preis an einem durchschnittlichen Ticketpreis – was auch immer das heisst.)
Einen Tag später ging es dann in einem fast leeren Zug von Düsseldorf nach Berlin. Solange die Krise anhält oder sie sich in Europa sogar verschärft, dürfte dies wohl meine letzte Reise gewesen sein. Doch sowohl in Spanien wie in Deutschland gibt es auch Anlass zur Hoffnung: Hier wie dort halten die meisten Menschen die Abstandsregeln ein, die die Verbreitung der Krankheit verlangsamen sollen. (In Wien wurde jetzt die Regenbogenparade gestrichen – MANNSCHAFT berichtete).
Es bleibt zu hoffen, dass die Kapazitäten in den Krankhäusern für die schwer Erkrankten ausreichen. Und dass es der Forschung bald gelingt, einen Impfstoff oder eine Behandlung zu entwickeln. Führende LGBTIQ-Gesundheitsorganisationen und Medizinexpert*innen sehen jedoch keine erhöhte Gefahr für Menschen mit HIV – sofern sie in Therapie sind (MANNSCHAFT berichtete).
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