«Ich hatte das Gefühl, die ganze Welt ist gay»

Drei Schweizer Spitzensportler*innen über ihr Leben vor und nach dem Coming-out

Bild: instagram.com/zurichpride
Bild: instagram.com/zurichpride

Ein Coming-out ist eine besonders individuelle und emotionale Erfahrung. In den besten Fällen eine enorme Erleichterung. Darüber sprachen drei Schweizer Spitzensportler*innen gestern u.a. im Zurich Pride Podcast.

Leistung, Erfolg und Selbstverwirklichung – das alles unter einen Hut zu bekommen ist nicht leicht, schon gar nicht als Spitzensportler*in. Und noch schwieriger, wenn man zusätzlich queer ist. Gesellschaftliche Normen und Vorurteile hindern queere Wettkämpfende oft daran, sich zu outen. Zum einen, weil bestimmte Sportarten seit Jahrzehnten entweder ein Bild nach aussen vermitteln, bei dem die Sportler*innen das Gefühl haben, sie entsprechen diesem nicht aufgrund ihrer Sexualität. Zum anderen hat die sexuelle Orientierung bisher keinen bis zu wenig Platz gehabt, was dem queeren Teil unter ihnen psychisch besonders zusetzt.

Curdin Orlik, erfolgreicher Schwinger, war der erste Schweizer aus dem Spitzensport, der sich geoutet hat (MANNSCHAFT berichtete). Obwohl er eigentlich schon immer wusste, dass er schwul ist, hat er dies bis 2020 geheim gehalten, da Schwul-Sein in seinem Umfeld immer negativ konnotiert wurde. Auch der Basketballer Marco Lehmann weiss seit seinem ca. 15. Lebensjahr von seiner Homosexualität. Sein Coming-out erfolgte Anfang dieses Jahres (MANNSCHAFT berichtete). Geoutet hat er sich mit der Hilfe von Orlik, den er anschrieb, um sich Tipps für sein Coming-out in der Öffentlichkeit zu holen.

Auch die ehemalige Kunstturnerin, Europameisterin und WM-Silber-Gewinnerin im Sprung Ariella Kaeslin, outete sich diesen April (MANNSCHAFT berichtete). Vor ihrem Coming-out traf sie sich mit Sportlerinnen, um sich über die Erfahrungen auszutauschen. Sie sagt sie sei noch sehr neu in der Queer-Community und der Kontakt mit den Frauen habe ihr unglaublich geholfen. Kaeslin ist zwar momentan sehr glücklich mit ihrer Freundin zusammen, wie sie sagt, würde es aber nicht ausschliessen irgendwann vielleicht wieder eine Beziehung mit einem Mann einzugehen. Sie möchte das für sich persönlich offen und sich nicht in eine Schublade stecken lassen.

Die drei sprachen in dem Zurich Pride Podcast u.a. darüber, inwiefern die ausgeübte Sportart Einfluss auf das Coming-out haben könnte. Lehmann erklärte, er kenne einige Frauen beim Frauenfussball, der einen recht hohen Anteil an Lesben hat. Deswegen gehe man dort auch ganz anders und unverkrampfter mit der Thematik um. Anders in Kaeslins Sport, dem Kunstturnen, wo es auch optisch sehr heteronormativ zugeht. Dort hatte sie nie das Gefühl, dass das Thema Homosexualität Platz gehabt hätte.

Nach dem Coming-out freuten sich alle drei jedoch über das enorm positive Feedback. «Ich hatte das Gefühl, die ganze Welt ist gay» sagte Kaeslin.

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