CockyBoys – Porno in Pandemiezeiten

Jake Jaxson und R. J. Sebastian betreiben seit 10 Jahren das Studio CockyBoys, bekannt für «Romantic Porn». Jetzt haben die beiden den ersten Film zu schwulem Sex im Schatten von Corona herausgebracht

CockyBoys
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Jake Jaxson setzt sich seit Jahren öffentlich dafür ein, Pornografie im Allgemeinen und schwulen Sex im Besonderen von Schuldgefühlen zu befreien und zum selbstverständlichen Bestandteil eines selbstbewussten Lebensgefühls zu machen. 2017 veröffentlichte Jaxson ein «Porn Manifesto!» («Liberating Your Sexual Self, Free of Shame and Doubt»). Jetzt hat er als Befreiungsschlag nach dem monatelangen Lockdown den 60-Minuten-Spielfilm «Lips Together, Six Feet Apart» herausgebracht, um zu zeigen, dass romantisches Corona-Dating mit Sex trotz Quarantäne-Warteschleife möglich ist.

MANNSCHAFT hat mit dem New Yorker PornYes-Aktivisten ein Interview geführt zu seinem neuesten Werk, dessen Titel eine Hommage an den kürzlich an Corona verstorbenen schwulen Dramatiker Terrence McNally ist. (MANNSCHAFT berichtete.) McNally hatte 1991 mitten in der Aidskrise ein Theaterstück mit dem Titel «Lips Together, Teeth Apart» geschaffen, in dem es ebenfalls um Paardynamiken unter Virus-Vorzeichen geht.

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Hallo Jake! Du hast mit «Lips Together, Six Feet Apart» den vermutlich ersten grossen Porno über die AHA-Regeln und schwules Dating in Zeiten von Corona gedreht. Man sieht zwei junge Männer, die sich 14 Tage isolieren, damit sie anschliessend risikofreien Sex haben können. Diese zweiwöchige Wartezeit – mit 1,5 Metern Sicherheitsabstand («Six Feet») – nimmt die gesamte erste Hälfte des Films ein, was in Pornodimensionen geradezu unerhört ist, weil dabei keine sexuellen Handlungen vorkommen. Was hat dich bewogen, solch einen Film zu drehen? Du weisst ja von den Gesprächen, die wir beide in der Vergangenheit geführt haben, dass ich nicht gern verstecke, was mich tief im Herzen bewegt. (lacht) Deshalb haben viele der spielfilmartigen Titel bei Cockyboys – also die Langfilme mit ausgefeilter Handlung – immer einen starken persönlichen Hintergrund. Im aktuellen Fall spukten Fragen in meinem Kopf herum, wie man kreativ und sexuell aktiv sein kann trotz Corona. Wie viele andere war ich angesichts von Pandemie und Lockdown besorgt, wie es weitergehen wird, wie sich das alles auf die Gesundheit meine Familie auswirken wird und wie ich meine eigenen Mitarbeiter und Darsteller am besten schützen kann.

In der Vereinigten Staaten wurde New York im Frühjahr besonders stark von Corona getroffen. Wir sassen alle in einem strengen Lockdown und sahen Horrornachrichten im Fernsehen. Als dann aber irgendwann der Sommer kam, wurden die Massnahmen gelockert. Daraus ergab sich für uns ein Weg, wie wir einen Film drehen könnten, nachdem wir ein Hygienekonzept und ein Test-System (inklusive Quarantäne) für alle Beteiligten entwickelt hatten.

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Nachdem ich den Eindruck hatte, dass das Schlimmste fürs Erste hinter uns lag, konnte ich auch wieder an solche neuen Projekte denken, die mir erlauben, wieder mehr «ich selbst» zu sein. In der Phase der Isolation haben auch RJ und ich Zeit und Raum gefunden, neu zu einander zu kommen, auf eine Weise, die ich nach 21 Beziehungsjahren fast für unmöglich hielt. Wir sind seit zehn Jahren die Chefs von CockyBoys, ein Studio, das wir gemeinsam betreiben, d. h. wir sind fast nonstop zusammen im Einsatz und im Stress. Und Sex ist dabei meistens «Arbeit». Der Covid-19-Lockdown erlaubte es uns, wieder «Quality Time» nur miteinander zu verbringen. Wir haben uns, so kitschig das klingen mag, neu ineinander verliebt. Und das war der Ausgangspunkt für «Six Feet Apart».

Ich musste bei der Vorbereitung viel an all die Menschen denken, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage waren, mit jemandem zusammen zu sein, jemanden zu berühren, darüber, was das mit ihnen macht, wie verstörend es ist, das mit ansehen zu müssen. Ich wollte diese Eindrücke und Gedanken in mein Projekt einbringen, das sich «echt» anfühlen sollte. Wie sonst auch, erzählte ich RJ davon, und er verstand sofort, was ich meinte. Er fand die Idee sogar toll. Und das ist definitiv nicht immer so. (lacht) Angel und Sean waren beide in New York und bereit, sich auf Corona-Tests und Selbstisolierung einzulassen. Und dann haben wir angefangen zu filmen im Camp CockyBoys: im Cottage, in dem sonst Levi Karter wohnt.

Als die erste Corona-Welle im März die Welt zum Stillstand brachte, war auch die Pornoindustrie stark betroffen. Wie haben die Darsteller auf diese unerwartete Situation reagiert? Zuallererst hatten viele Angst, ihren Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren zu können. Als nächstes kam die Sorge um ihre Gesundheit dazu. Diejenigen, mit denen ich in Kontakt stehe, hielten sich glücklicherweise alle an den Lockdown. Wir hatten mit unseren Darstellern wöchentliche Videokonferenzen, wir haben einen Gruppenchat eingerichtet, wo wir sie berieten, wie sie Geld verdienen könnten über sogenanntes «Caming» und mit «Fan Content».

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Viele Pornodarsteller haben ja sowieso OnlyFans-Accounts. Ist das genug, um finanziell über die Runden zu kommen? Wir haben sofort angefangen, unsere eigene Webseite umzuprogrammieren, um unsere Mitglieder, Fans und Darsteller besser miteinander in direkten Kontakt zu bringen. Wir starteten sogar eine Kampagne mit dem Titel «CockyBoys Makes You Feel Good», die auch einen gewissen Eskapismus für Fans bot, die im Lockdown auf der neuen Cam-Plattform mit den Jungs in Verbindung treten wollten, während sie selbst auch isoliert waren. Als Corona losging waren die meisten unserer Darsteller nicht wirklich darauf fokussiert, Fan-Inhalte zu kreieren, wegen des ganzen Drumherums, das nötig ist, um so etwas finanziell erfolgreich durchzuziehen. Aber wir haben sie aufgefordert es zu versuchen, wir haben ihnen sogar Hinter-den-Kulissen-Material zur Verfügung gestellt und nicht veröffentlichte Szenen gegeben, um diese zu benutzen.

Nachdem die George-Floyd-Proteste unser Land fest im Griff hatten, wollten viele unserer Darsteller eine intensivere Interaktion mit Fans, jenseits von Porno

Gefühlsmässig waren wir damals alle ziemlich gestresst. Aber die Kraft und auch der Durchsetzungswille vieler unserer Darsteller haben mich schon beeindruckt, besonders nachdem die George-Floyd-Proteste unser Land fest im Griff hatten. Damals, Ende Mai bzw. Anfang Juni, schlug so etwas wie ein aktivistischer Blitz ein, der auch die Arbeit der Pornodarsteller auf ein anderes Niveau holte – und das bezog sich auch auf ihre intensivere Interaktion mit Fans und ihren Wunsch, auf eigenen Plattformen etwas zu sagen, jenseits von Porno.

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Streamingdienste wie Netflix erlebten im ersten Lockdown einen Boom. War das bei CockyBoys auch so in Bezug auf neue Mitglieder? Am Anfang ja, also in den ersten drei Lockdown-Monaten. Aber als dann der Sommer kam, pendelten sich die Zahlen wieder auf einem «normalen» Niveau ein. Viele wollten einfach nicht mehr die ganze Zeit vom Monitor verbringen und gingen lieber raus.

Hat diese Verlangsamung des Lebens und die neue Erfahrung, unendlich viel Zeit im Lockdown zu haben, dazu beigetragen, dass ihr mit «Six Feet Apart» einen so langen Film gedreht habt: 60 Minuten, bei denen in den ersten 30+ Minuten kein Sex vorkommt! Ich wollte mit «Six Feet Apart» eine Meditation übers Alleinsein und die Ruhe schaffen. Ich wollte im Film mehr Zeit damit verbringen, dass man sich nicht berührt. Die Folge war, dass der Film länger werden musste. (lacht) Zuvor hatte ich schon Spielfilmprojekten wie «ALL SAiNTS» oder «Love Lost and Found» realisiert, als der Lockdown startete war der ebenfalls epische Film «Hollywood & Vine» gerade fertig. Ich liebe solche Projekte mit starken Geschichten. Aber solche Projekte brauchen Zeit, und je älter ich werde und je mehr Ansprüche ich an meine eigene Arbeit stelle, umso länger dauert alles. RJ und ich machen ja alles zusammen, und ich meine wirklich alles! Es gibt keine Crew, wir sind auf uns gestellt, wenn es darum geht, Sets, Requisiten, Kostüme, Darsteller usw. zu organisieren, den Dreh durchzuführen, das Ganze zu schneiden, zu vermarketen.

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Im Fall von «Six Feet Apart» haben wir das mehr oder weniger in völliger Isolation getan. Ich bin ehrlich gesagt glücklich, wenn wir irgendwann wieder «normal» arbeiten können, also ohne Corona-Massnahmen, und mein Hirn rast schon weit voraus, um mir auszumalen, was wir dann alles machen könnten. Ich würde so gern wieder in Berlin drehen. Mir schwebt ein Film vor über zwei sehr einzigartige Jungen, die sich kennen- und lieben lernen in einer Anstalt, in die sie von ihren Eltern gesteckt wurden. Berlin ist für solche Drehs ideal. Dort haben wir schon drei Projekte realisiert: «Meet the Morecocks», Bruce LaBruces «Flea Pit» und den schon erwähnten Film «ALL SAiNTS».

Viele LGBTIQ-Aktivist*innen weisen immer wieder darauf hin, dass Corona queere Menschen besonders hart getroffen hat, weil viele nicht mit Partner und Familie zusammenleben, wo zuhause zu bleiben eine angenehme «Auszeit» darstellt, bei der man seine*n Partner*in neu lieben lernt. Welches Feedback hast du von deinen Darstellern bekommen? Das ist mehr oder weniger der zentrale Punkt, um den es in «Six Feet Apart» geht. Was mich erfreut hat festzustellen in den vielen Gesprächen, die ich mit den Jungs geführt habe, war, dass sie sich alle der Situation sehr bewusst waren und sich auffallend intensiv um ihre geistige und körperliche Gesundheit gekümmert haben. Als ich viele von ihnen im Sommer wieder leibhaftig sah, bemerkte ich, dass die meisten digitale Freundesgruppen geschaffen hatten und weiter intensiv darüber kommunizierten.

Im Film kommuniziert Sean anfangs intensiv mit seiner Mutter über Chats und Emails, er erzählt ihr von seinem neuen Lover-vor-der-Tür. Die Idee dazu kam von Levi Karter

Im Film kommuniziert Sean anfangs intensiv mit seiner Mutter über Chats und Emails, er erzählt ihr von seinem neuen Lover-vor-der-Tür. Die Idee dazu kam von Levi Karter, der ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter hat. Bei ihm gab’s so etwas wie eine Rollenumkehr, denn er war’s im Lockdown, der sie dauernd ermahnte, vorsichtig zu sein und kein Gesundheitsrisiko einzugehen. Ich fand das herzerwärmend.

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Statt Levi Karten spielen in «Six Feet Apart» aber Sean Ford und Angel Rivera mit. Einige LGBTIQ-Aktivist*innen kritisieren, die schwule Pornobranche sei «rassistisch», weil fast ausschliesslich  «weiss» Darsteller zu sehen sind bzw. diese besser bezahlt werden. So der Vorwurf. (MANNSCHAFT berichtete.) Muss ein Studio sich ethnisch «profilieren» wegen der Suchkategorien bei Plattformen wie Pornhub? Ich glaube nicht an eine Unterteilung von Pornografie nach Suchkaterorien. Das habe ich nie getan. Wir selbst haben auf unserer Seite auch keine «Interracial»-Kategorie. Wir engagieren Darsteller mit allen möglichen ethnischen Hintergründen. Uns ist wichtig, dass unsere Männer out, offen und stolz sind in Bezug auf ihre Sexualität. Das ist für mich die Basis für alles, was ich «attraktiv» finde. Daraus ergibt sich automatisch die Diversität unseres Studios.

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Beim «Six Feet Apart»-Dreh ging es zuallererst um Gesundheit und Sicherheit, wir wollten nicht, dass Darsteller Reisen auf sich nehmen müssten. Wir suchten Leute, die in der Nähe waren, was die Auswahl deutlich einschränkte. Ausserdem stammt Angel aus Mexiko, viele andere Jungs bei uns sind ebenfalls sogenannte People of Color: Schwarze, Latinos, Darsteller mit asiatischem Hintergrund, aus Persien…

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Im Film liest Sean Ford das «Kommunistische Manifest»: Stehen junge Pornodarsteller einem eher linken queeren Aktivismus nahe? Glauben sie an ein anti-kapitalistisches queeres Utopia, wo soziale Ungleichheit ausgeschaltet und Rassismus überwunden ist? (lacht) Es freut mich, dass dir das Buch aufgefallen ist. Ich kommuniziere in meinen Film oft über Bücher. Sean hat zum Zeitpunkt des Drehs tatsächlich das «Kommunistische Manifest» gelesen, und ich fand das grossartig. Als Gegenpol dazu habe ich Angel das Buch «A Confederacy of Dunces» (dt. «Die Verschwörung der Idioten») in die Hand gedrückt, denn dieser Schelmenroman von 1963 drückt meiner Meinung nach den aktuellen Stand der Dinge in den USA am besten aus.

Das Buch «Die Verschwörung der Idioten» drückt den aktuellen Stand der Dinge in den USA am besten aus

Sowohl Sean als auch Angel, aber auch viele andere Pornodarsteller, haben sehr aktiv an den jüngsten Protesten gegen soziale Ungerechtigkeit teilgenommen. Wir haben dieses Jahr sogar im Namen aller unserer Exklusiv-Darsteller gespendet an Organisationen ihrer Wahl, von Black Lives Matter bis zu Gruppen, die sich für Trans-Rechte einsetzen. Denn unsere Darsteller sind sehr «woke» bzgl. der Dinge, die gerade passieren, und sie wissen, was auf dem Spiel steht.

Deutlich mehr Diskriminierungsfälle aus rassistischen Gründen

Als Pornoproduzent finde ich es schwierig, jemanden zu entlassen, weil mir seine politische Meinung nicht passt. Oder weil sie jemanden wählen, den ich persönlich ablehne. Aber in der aktuellen Situation sind sich viele Darsteller bewusst, dass sie eine eigene «Marke» sind und dass das, was sie öffentlich äussern, Auswirkungen hat. Wenn sie jeden ihrer Gedanken mit der Welt teilen – zum Beispiel auf Twitter –, dann müssen sie dafür anschliessend geradestehen, wenn es Reaktionen gibt, gute wie schlechte. Als die BLM-Proteste losgingen, hat einer unserer Darsteller auf Instagram einige sehr dumme, rassistische und beleidigende Kommentare veröffentlicht; die Folge war, dass wir ihn sofort entlassen haben. Obwohl er seinen Post umgehend gelöscht und sich öffentlich entschuldigt hat. Aber wir konnten nach solch einem Vorfall nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Denn seine veröffentlichten Ansichten spiegeln nicht das, wofür wir als Studio stehen. Auch nicht die Ansichten vieler anderer Darsteller und vieler unserer Fans und Mitglieder.

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Sean Ford hat auf Twitter einen zweiten Account für seine nichtpornografischen Inhdalte, genannt «the other Sean Ford», im Gegensatz zu «the only Sean Ford». Sind Pornodarsteller geteilte Persönlichkeiten? Solche Mehrfach-Accounts habe ich vermehrt gesehen, seit die BLM-Proteste losgingen. Viele Darsteller sind damals auf die Strasse gegangen und haben entsprechende Themen auf ihren Twitter- und Instagram-Accounts geteilt. Sie wollten damals keine pornografischen Inhalte teilen und das auch nicht vermischen. Also haben sie sich eine weitere Plattform geschaffen, wo sie ihre Ansichten abseits ihre «Porn Persönlichkeit» ausdrücken konnten.

Du hattest schon erwähnt, dass Levi Karters enges Verhältnis zu seiner Mutter dich bei «Six Feet Apart» inspiriert hat. Siehst du das häufig bei Pornodarstellern? Ja, ich habe selbst die Mütter vieler unserer Darsteller kennengelernt und stehe mit einigen immer noch in Verbindung. Für mich ist es wichtig, dass sie wissen, was ihre Kinder bei uns machen, dass sie die Realitäten dieses Business kennen und dass sie ihre Sorgen und Ängste direkt ansprechen mit uns. Über Levis Verhältnis zu seiner Mutter habe ich sogar einen Dokumentarfilm gedreht, darin geht’s auch darum, welche Rolle sie in Levis Reise in die Pornowelt spielte. Der Titel ist «Leave It to Levi».

CockyBoys
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In «Six Feet Apart» verbringen die beiden Figuren viel Zeit damit zu warten, um dann Corona-freien Sex zu haben. Um genau zu sein: 14 Tage. Aber als sie dann Sex haben, ist von «Safer Sex» nichts mehr zu sehen. Sie reden nicht mal darüber, ob sie auf PrEP sind. Ist das unter jungen Schwulen kein Thema mehr? Die meisten unserer Darsteller sind auf PrEP, und wir testen alle Jungs vorm Dreh, denn sie sollen sich zu 100 Prozent wohl fühlen mit ihrem Partner. Aber letztlich ist Pornografie eine eskapistische Fantasiewelt, wie alle Formen von Entertainment. Obwohl das echte Leben und echte Begierde viele Filme inspirieren, ist das, was man sieht nicht «echt», sondern eine Spieglung von Realität, bei der die Schöpfer die sexuelle Energie der Darsteller einfangen. Das Ganze basiert auch Drehbüchern, ist choreografiert, um zu inspirieren, zu stimulieren, zu erregen, sein eigenes sexuelles «Ich» zu finden. Natürlich muss man als Regisseur bzw. Produzent bereit sein, der sexuellen Energie, die sich im Idealfall vor der Kamera entwickelt, freien Lauf zu lassen und notfalls vom Skript abzuweichen. Aber es bleibt Fantasy, genau wie die berühmten «Magic Pants»-Momente, wo Darsteller plötzlich ohne Hosen und Unterhosen zu sehen sind. Wir haben noch keinen Weg gefunden, wie man das Ausziehen von diesen Kleidungsstücken sexy filmen kann. Also wird es meist «magisch» übersprungen, um die sexuelle Intensität nicht zu unterbrechen. Aber diese Intensität entsteht im Film u. a. durchs Schneiden, die Musik, die Kameraeinstellungen.

Aber es bleibt Fantasy, genau wie die berühmten «Magic Pants»-Momente, wo Darsteller plötzlich ohne Hosen und Unterhosen zu sehen sind

Nachdem Sean und Angel den halben Film lang aufeinander gewartet haben, kommt es schliesslich zum ausgiebigen Sex-wie-immer. Und dann ist Schluss. Willst du nach so viel «Vorspiel» nicht auch zeigen, wie’s weitergeht, wenigstens ansatzweise? Mir macht es mehr Spass, so etwas dem Zuschauer zu überlassen – und wie man sich ein solches «Nachspiel» vorstellt, hängt viel damit zusammen, wie man die Welt sieht. In meiner eigenen Fantasie erleben die beiden nach dem Sex einen wunderbaren gemeinsamen Sommer, eine intensive Liebesaffäre. Das liegt aber daran, dass ich ein chronischer Optimist bin und ein hoffnungsvoller Optimist. (lacht)

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CockyBoys sind ja berühmt für «Romantic Porn» als Gegenentwurf zum lange dominanten «Reality Porn». Siehst du bei deinen Darstellern auch Romantik im Privatleben – Liebesbeziehungen miteinander oder mit jemandem von ausserhalb der Branche? Ich habe mich früher immer als hoffnungslosen Romantiker bezeichnet, aber als ich länger über diesen Begriff nachgedacht habe, wurde mir klar, dass ich die Welt nicht so sehe. Deshalb sage ich heute «hoffnungsvoller» Romantiker. Im Kern geht’s bei Romantik für mich um eine immerwährende Reise, die mich inspiriert, mich ständig neu zum Nachdenken anregt, mich erregt, und dabei geht es für mich um mehr als Sex. Obwohl ich festgestellt habe, dass Sex sehr viel besser ist, wenn ich mich «hoffnungsvoll» fühle. (lacht)

Viele von ihnen haben vielleicht keine traditionellen Jane-Austen-Liebesgeschichten oder RomCom-artige Beziehungen, wie im Kino oder bei Netflix, aber sie leben ein volles Leben, und zwar hier und jetzt

Auf bestimmte Weise geben mir die Darsteller, mit denen wir arbeiten, eine enorme Energie. Denn viele sind erfrischend offen und selbstsicher, wenn es um ihre Sexualität und sexuelle Persönlichkeit geht. Dadurch eröffnen sich für sie Möglichkeiten, von denen ich in dem Alter nur hätte träumen können. Viele von ihnen haben vielleicht keine traditionellen Jane-Austen-Liebesgeschichten oder RomCom-artige Beziehungen, wie im Kino oder bei Netflix, aber sie leben ein volles Leben, und zwar hier und jetzt. Wenn sie sich verlieben und sich auf eine feste Beziehung einlassen, ist mir aufgefallen, dass sie meist eine neue Form von Klarheit zeigen, sowohl im persönlichen Umgang als auch auf sexuellem Gebiet. Sie verstecken nichts. Das ist eine gute Basis für eine gute Liebesbeziehung, denke ich.

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Derzeit sitzen viele Menschen im zweiten Corona-Lockdown. Wird es von «Six Feet Apart» eine Winterausgabe geben? (lacht) Ich glaube nicht, dass wir die drehen werden. Dieses Thema kam und ging, jetzt ist es vorbei. Ich blicke voraus. Aber wer weiss, was noch passiert!

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