Bisexueller Schiri outet sich: «Überwältigende Reaktionen»

Pascal will queeren Menschen im Fussball ein Vorbild sein

Pascal Kaiser
Pascal Kaiser

Er wollte sich nicht länger gefangen fühlen: Der 23-jährige Schiedsrichter Pascal Kaiser outete sich als bisexuell. Wenn nun von den Fans homophobe Sprüche kommen, setzen sich die Spieler für ihn ein.

Pascal Kaiser hat bewegte Wochen hinter sich. Als Kreisliga-Schiri ist er es sich zwar gewohnt, knifflige Entscheidungen zu treffen. Doch bei dieser einen Entscheidung ging es nicht um Foul oder nicht Foul, sondern darum, ob er zu sich selbst stehen oder sich weiterhin verstecken will. Pascal outete sich in einer Regionalzeitung der Prignitz als bisexuell. «Mein Outing war für mich ein grosser und schwieriger Schritt, weil ich Angst hatte. Angst davor, verstossen und abgelehnt zu werden», sagt der 23-Jährige gegenüber MANNSCHAFT.

Spieler setzen sich für ihn ein Vorher sei er in sich selbst gefangen gewesen. «Auf dem Platz war ich immer angespannt, habe darauf geachtet, wie ich laufe, wie ich die Karten halte oder Ähnliches.» Mit seinem Coming-out will er nun queeren Menschen im Fussball ein Vorbild sein.

Die Reaktionen seien überwältigend gewesen. Verein, Schiedsrichterkollegen, Spieler – alle haben seinen Schritt positiv aufgenommen. Nur ein paar unverbesserliche Zuschauer*innen können es leider nicht lassen, nun bei wichtigen Entscheidungen manchmal homophobe Beleidigungen aufs Spielfeld zu brüllen. So sei es beispielsweise mal vorgekommen, dass nach einer roten Karte Rufe kamen wie «Du Schwuchtel hast doch keine Ahnung vom Fussball» und «Stehst du doch drauf, wenn’s härter zugeht».

Doch die Spieler und Trainer hätten sich dann für ihn eingesetzt. «Die Bänke beider Mannschaften haben angefangen zu brüllen, sie sollen ruhig sein. Die Spieler weigerten sich weiterzuspielen, bis die betreffenden Personen schwiegen.»

Als Spieler ungeoutet Pascal lebt mit seinem Partner im brandenburgischen Perleberg und arbeitet als Pfleger, was sich terminlich nicht leicht mit seinem Schiri-Job vereinbaren lässt. Er ist seit sieben Jahren als Unparteiischer auf dem Platz. Seine Karriere als Spieler beendete er nach mehreren Verletzungen.

Damals traute er sich nicht, mit Teamkollegen über seine Bisexualität zu sprechen; zu homophob war die Atmosphäre in den Kabinen, zu gross die Angst vor Ablehnung. Er wünscht sich deshalb, die Trainer*innen würden homophobe Äusserungen in der Mannschaft grundsätzlich verbieten.

Forderung nach WM-Boykott Vom DFB fordert er ebenfalls klare Zeichen und den Verzicht auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Katar, wo für Homosexualität die Todesstrafe droht (MANNSCHAFT berichtete).

Doch was sagt er zum Argument, dass man besser mitmachen und den Dialog suchen sollte, um auf diese Weise positive Veränderungen zu bewirken? «Ein Dialog ist mir persönlich zu wenig. Ich glaube, dass das Boykottieren der WM in Katar ein grösseres Zeichen wäre und mehr bewirken würde. Die Menschen müssen aufwachen und verstehen, dass wir nicht in einer heteronormativen Gesellschaft leben.»

An weitreichende Veränderungen mag er nicht recht glauben. «Klar sollte man weiterhin offen über die Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar sprechen und dies anprangern, allerdings passiert genau das seit Jahren – und was hat sich verändert? Nichts!»

«Habt Mut!» Pascals Bemühungen, ein Vorbild für LGBTIQ-Menschen im Fussball zu sein, tragen bereits Früchte, wie er erfahren durfte. «Es rührt mich sehr, dass mein öffentliches Coming-out Grund dafür war, dass sich noch weitere Schiedsrichter und Spieler bei uns geoutet haben. Es ist ein Befreiungsschlag für sie und ich glaube auch, dass sie nun endlich das Leben führen können, das sie glücklich macht.»

Und wie lautet seine Botschaft an alle queeren Fussball-Schiedsrichter und -Spieler, die sich weiterhin lieber nicht outen wollen? «Habt Mut! Mut ist der erste Schritt.» Mut sei so viel stärker als die Stimme im Kopf, die einem sage, man könne das nicht. «Doch, ihr könnt das! Seid mutig und führt das Leben, das euch glücklich macht, steht zu euch selbst und dabei ist es ganz egal, wen ihr liebt. Denn Liebe ist Liebe!»

Vor Kurzem hatte sich der FIFA-Schiedsrichter Igor Benevenuto als homosexuell geoutet – hier geht’s zur Story.

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