«Bei uns haben sich Schwule und Lesben herzlich gern»

Ralf König zeichnet in diesem Sommer seit 40 Jahren

Foto: Ralf König in: König des Comics/Rosa von Praunheim 2012
Foto: Ralf König in: König des Comics/Rosa von Praunheim 2012

In den letzten Julitagen im Jahr 1979 wurde Geschichte geschrieben. Schwule und Lesben trafen sich in Frankfurt am Main und nannten es Homolulu, «Turtel- und Schmusewiese» inklusive. Ihr Ziel: die Welt verändern. Auch der junge Ralf König war dabei. Er fing damals an zu zeichnen.

Ralf König zeichnet in diesem Sommer seit 40 Jahren – damals hatte er sein Coming-out, danach legte er los. Mittlerweile wurde er u.a. ausgezeichnet mit dem Wilhelm-Busch-Preis, den auch einst Loriot erhielt. Neu ist der Vorwurf: König soll rassistisch und transphob sein. Anlass ist sein Wandgemälde in Brüssel. Der Künstler versteht die Welt nicht mehr. Auch viele seiner Kollegen sprachlos.

Rassistisch? Hella von Sinnen verteidigt Ralf König

Ralf, wenn du mir die ironische Eingangsfrage erlaubst: Du zeichnest seit über 30 Jahren deine Figuren. Wie konntest Du solange unerkannt als Rassist und Transhasser durchkommen? Naja, ich bin einer von alten Generation. Und ich vermute mal, dass die, die mir das in Brüssel vorwerfen, kaum mal ein Buch von mir gelesen haben. Sie sehen also nur das Bild und stellen das nicht in den Kontext meiner Inhalte. Und da fällt es mir schwer, zu sehen, was sie sehen.

Es gab Ärger über Deinen Wand-Comic in Brüssel. Erst solltest du 2 umstrittene Figuren – eine schwarze Frau, eine Dragqueen, die als trans Frau interpretiert wird – überarbeiten. Das hast du abgelehnt. Nun dürfen sie bleiben. Mit dem Zusatz, dass die Darstellung als transphob und rassistisch empfunden wird – den Aktivist*innen dort aufgesprüht haben. Empfindest du das noch als Dein Werk? Sicher, und sie haben jedes Recht, ihre Ansichten deutlich zu machen. Im Grunde ist die Diskussion ja nützlich, es bringt Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Perspektiven. Ich hatte ihnen geschrieben, dass sie es überstreichen sollen, wenn es wirklich jemanden beleidigt oder verletzt. Es ist ihre Wand, sie können damit machen, was sie wollen! Wäre schade, klar, ich kriege immer noch spassige Fotos von schwulen Männern, die sich vor den kleinen Paul stellen und auch ihr T-Shirt heben! Das scheint eine kleine Sitte zu werden. Aber klar, das sind weisse cis-Männer…

Wenn ich eine stämmige haarige Drag Queen zeichnen will, zeichne ich eine stämmige haarige Drag-Queen.

Gab es einen Moment, in dem Du Dich gefragt hast: Was, wenn die Recht haben und ich wirklich seit Jahren Dicke, Schwarze, Frauen, Schwule etc. beleidige? Nein. Ich würde womöglich keiner schwarzen Frau mehr so unbedarft knallrote Lippen malen, weil ich gelernt habe, dass jemand das nicht als starke, selbstbewusste Figur sehen könnte, sondern als böses Klischee. Aber wenn ich eine stämmige haarige Drag Queen zeichnen will, zeichne ich eine stämmige haarige Drag-Queen. Ich zeichne das, was ich sehe.

Du bist vor eineinhalb Jahren mit dem Wilhelm-Busch-Preis ausgezeichnet worden. Wegen der «unbändigen Komik» und «pointierter Gesellschaftskritik» deiner Werke. Hat Dich als Preisträger jemals jemand aus ähnlichen Gründen wie in Brüssel in Frage gestellt? Nein. Das ist das erste Mal. Drum war ich auch ziemlich verdattert.

Hast Du beim Zeichnen jetzt eine Schere im Kopf? Oder versuchst Du weiterzumachen wie bisher? Falls das geht. Das geht. Ich verstehe, dass es Leute gibt, die nicht bei jeder Stufe von Humor mitkommen. Meine Idole sind Robert Crumb, Reiser, Deix und Southpark! Alle derb, alle kompromisslos, alle unter Beschuss. Gegen den Strich von Philippe Vuillemin bin ich noch harmlos! Das sind alles keine Rassisten oder Frauenfeinde, ganz im Gegenteil, die patschen mit dem Pinsel voll in die Thematik! Ich finde, genau das ist die Aufgabe von Satire und Karikatur.

Du und ich, wir sind aus Sicht der Queerfeministen alte weisse Männer, dazu noch cis. Verstehst du, warum wir unter Generalverdacht zu stehen scheinen? Ich hab dieses Buch von Sophie Passmann gelesen, «Alte weisse Männer», weil ich wissen wollte, ob der Begriff auch mich meint. Und ja, womöglich ist an dem Vorwurf was dran, dass wir männlichen Zeitgenossen gewisse Widerstände nie zu überwinden hatten. Ich weiss nur noch nicht, was für eine Lehre ich daraus ziehen soll. Auch alte weisse Männer in den unteren Etagen schieben ihre Probleme, bringt es was, die zu vergleichen?

Mord an russischer LGBTIQ-Aktivistin – Berlin fordert Aufklärung

Du wolltest dem Schwulen Museum in Berlin Deinen «Nachlass» vermachen. Wenn ich richtig informiert bin, hat man sich dazu sehr zurückhaltend verhalten – oder gar abgelehnt? Liegt das Problem da ähnlich? Nein, das stimmt so nicht. Ich hatte vor etwa vier Jahren ein Gespräch mit dem damaligen Museumsteam, da ging’s darum, ob es zu meinem 60. Geburtstag im August 2020 eine fette Ausstellung geben könnte, diesmal mit den wirklichen Originalzeichnungen wie vorher im Wilhelm Busch-Museum in Hannover oder im Cartoonmuseum Basel. Also nicht wie vor ein paar Jahren mit dem Bestand meines Sammlers Mario Russo,- was grösstenteils Merchandising-Kuriositäten waren und die Comics Kopien. Ich hatte ausserdem vor, dem Schwulen Museum einen Stapel meiner Comics als Nachlass zu schenken, beides wurde damals erfreut aufgenommen.

Als ich vor nicht allzu langer Zeit mal bei einem der heutigen Kollegen nachhakte, meinte er, die jetzige Chef*innen-Etage habe beschlossen, dass es ja schon mal diese Ralf König-Ausstellung gegeben habe, und das Wort von meiner Frauenfeindlichkeit ist angeblich auch gefallen. Unter diesen Umständen ist mir das Haus zu unsicher, ich vermache meinen Stapel Altpapier lieber dem Caricatura-Museum Frankfurt, die streiten da nicht so viel. Ich wohne in Köln, man kriegt hier nur am Rande mit, was in Berlin los ist, aber echt, ich möchte auch nicht so viel damit zu tun haben!

Wir schätzen und bewundern Ralf König als einen der wichtigsten queeren Künstler überhaupt.

Wir haben das Schwule Museum gefragt, wie man dort zu Ralf König steht. Die Antwort: «Wir schätzen und bewundern Ralf König als einen der wichtigsten queeren Künstler überhaupt. Natürlich ist er immer im Schwulen Museum willkommen. Wir würden uns freuen, mit ihm weitere gemeinsame Ausstellungsprojekte zu diskutieren. Die Vorstellung, dass wir seinen Nachlass ablehnen würden, ist absurd.»

Das ausführliche Interview ist in der Juni-Ausgabe der MANNSCHAFT (Deutschland) erschienen. Hier geht es zum Abo für die Schweiz oder für Deutschland.

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