Bayern braucht Bewegung beim Kampf gegen Hass

Wenn es darum geht, Gewalt gegen LGBTIQ zu bekämpfen, grüsst in Bayern seit 30 Jahren das Murmeltier

Regenbogenflaggen am Rathaus in München (Foto: AdobeStock)
Regenbogenflaggen am Rathaus in München (Foto: AdobeStock)

Der Freistaat Bayern will modern sein und innovativ. Doch was die Bekämpfung von Gewalt gegen LGBTIQ betrifft, bewegt man sich noch auf Mittelalter-Niveau, schreibt Kriss Rudolph in seinem Samstagskommentar*.

Wie ausgeprägt ist in Bayern die Gewalt gegen LGBTIQ? Was wird dagegen unternommen und was muss noch getan werden? Damit beschäftigten wir uns im MANNSCHAFT-Talk am vergangenen Dienstag im SUB in München.

Verprügelt und verhöhnt: Schwulenhass in München

Unter den Gästen im Publikum, die mit uns diskutierten, war auch ein Beamter der Landespolizei. Er war sieben Jahre als Ausbilder tätig und unterichtete bei der Bereitschaftspolizei LGBTIQ-Vielfalt. Das sei bei den angehenden Kolleg*innen auch sehr gut angekommen, berichtete er. Doch ein Kollege, der davon hörte, dass er nebenbei unterrichtete, habe geäussert: «Der Kollege soll sich auf seine eigene Arbeit konzentrieren, nicht auf diese schwule Scheisse.»

Der Polizist habe mehrere solcher Vorfälle erlebt, berichtete er. Auf einer früheren Dienststelle etwa habe sein Vorgesetzter zu ihm gesagt, nachdem er von dessen Schwulsein erfahren hatte: «Sowas wie dich will ich in meinem Team nicht haben. Viel Glück auf dem weiteren Weg, aber ich glaube, du bist nicht als Polizeibeamter geeignet.»

Ziel sei «eine sozialadäquate und werteorientierte Polizeiausbildung, die es den Beamten ermöglicht, ihr polizeiliches Handeln auf eine Vielzahl unterschiedlichster Anforderungen abzustellen. Dazu gehört auch der ethisch korrekte und sozial verantwortliche Umgang mit gesellschaftlichen Gruppierungen wie Schwulen oder Lesben u. ä. – sowohl nach aussen wie auch nach innen.»

Typische Antwort «aus dem Weichspülgang der Pressestelle des bayerischen Innenministeriums», diese Antwort lese sich wunderbar, aber die Realität sähe anders aus, kritisierte Tessa Ganserer, die für die Grünen im Münchner Landtag sitzt, als erste trans Abgeordnete in Deutschland.

Homophobe Schläger aus München gefasst

Thomas Niederbühl, Kandidat der Rosa Liste bei der bevorstehenden Kommunalwahl, äusserte seinen Frust darüber, dass man in den letzten 30 Jahren im Freistaat kaum weitergekommen sei (MANNSCHAFT berichtete). «Ich kann mich an erste Diskussionen mit der Polizei Ende der 80er, frühe 90er erinnern. Es waren immer dieselben Forderungen: nach Ansprechpartner*innen bei der Polizei, nach Fortbildungen, vertrauensbildenden Massnahmen und endlich Statistiken.»

Das waren auch die Forderungen, die die Teilnehmer*innen des MANNSCHAFT-Talk zum Thema Gewalt gegen LGBTIQ in Bayern erhoben. Denn immer wieder werden im Freistaat homosexuelle und trans Menschen Opfer von Gewalt. Bekannt werden in der Regel nur die Vorfälle aus der Landeshauptstadt. Und selbst die angezeigten Straftaten sind so niedrig, dass man an deren Aussagekraft zweifeln muss. Expert*innen gehen davon aus, dass die Dunkelziffer im Bereich von LGBTIQ-feindlicher Gewalt bei mindestens 80 % liegt.

Im November gab es eine Anhörung im Landtag zur Akzeptanz von LGBTIQ-Personen im Freistaat. Das Fazit der geladenen Experten fiel danach eindeutig aus: Das Land hinkt deutschlandweit hinterher. Es fehlt ein Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie. Zudem gebe es bei der Strafverfolgung – so der Tenor der Expert*innen – zu wenig geschulte und sensibilisierte Mitarbeiter*innen bei Justiz und Polizei, um homo- und transphobe Hassgewalt aufzuklären. Bei Betroffenen gebe es längst ein großes Misstrauen, weshalb Straftaten oft gar nicht mehr angezeigt würden, sagte Markus Oswald, Staatsanwalt und Ansprechpartner für LGBTIQ aus Berlin.

Deutschland braucht Aktionsplan für Akzeptanz von LGBTIQ

Julia Bomsdorf von der Lesbenberatung LeTra war im November bei der Anhörung dabei. Eigentlich, so erzählte sie am Dienstag im SUB, habe sie danach ein positives Gefühl gehabt. Doch dann habe sie das Protokoll von einer ähnlichen Anhörung im Landtag gesehen, die 10 Jahre früher stattgefunden habe. «Und es war genau dasselbe!»

All diese Forderungen gebe es schon seit Jahrzehnten. «Und es hat sich nichts getan.» Sie habe nicht das Gefühl, dass das Thema Gewalt gegen LGBTIQ in der Politik oder bei der Polizei ernstgenommen werde. Sie finde das frustrierend, klagte Bomsdorf. Das kann man ihr nicht verübeln.

Immerhin, München hat jetzt einen neuen Treffpunkt und Veranstaltungsort für lesbische Frauen, queere Menschen und Freund*innen: das «LeZ – lesbisch-queeres Zentrum». Der Oberbürgermeister der Stadt Dieter Reiter (SPD) hat dem Trägerverein Lesbentelefon e.V. am Freitag den Schlüssel übergeben. Das LeZ befindet sich, wie das Kommunikations- und Kulturzentrum für schwule Männer, SUB, ebenfalls in der Müllerstraße und wurde durch einen interfraktionellen Antrag von CSU, SPD, Grüne/Rosa Liste, FDP-HUT und Linke auf den Weg gebracht. Im Rest Bayerns sieht es aber, gerade für lesbische Frauen, finster aus.

Dennoch: Es ist ein wichtiger Erfolg, ebenso wie die Ernennung eines Hate-Speech-Beauftragten durch den bayerischen Justiziminister kürzlich. Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb hat 20 Jahre Berufserfahrung, davon die letzten anderthalb Jahre bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Aber diese Neuerungen reichen nicht.

Bayern muss zwei Dinge lernen: LGBTIQ sind ein vulnerabler Teil der Bevölkerung, den es zu schützen gilt. Wenn schon nicht aus Nächstenliebe, die ja zu einer christlichen Gesellschaft dazu gehören soll: Die Vielfalt an Persönlichkeiten und Talenten ist auch das wichtigste Kapital, das ein Land hat. So heisst es, etwas abgewandelt, auf der Seite der «BMW Group Diverse, der LGBTI Netzwerks, das es bereits über 20 Jahren gibt – bei einem der urbayerischsten Unternehmen, der Bayerischen Motoren Werke Aktiengesellschaft, die es schon seit 100 Jahren gibt.

«Eine Atmosphäre der Wertschätzung und Chancengleichheit bei gegenseitigem Respekt und Toleranz schafft die besten Voraussetzungen, dieses Kapital zu nutzen. Aus unseren vielfältigen individuellen Möglichkeiten und unserer gemeinsamen Leidenschaft schöpfen wir ein grosses Potenzial an kreativen Ideen und Innovationskraft», heisst es in einer Selbstbeschrebung.

Nicht dass der Freistaat den Wert von Innovationskraft nicht versteht. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verkündete im Herbst in seiner Regierungserklärung, er wolle einen Modernisierungsschub für Bayern. Er denkt dabei an Quantencomputer und Hochschulnetzwerke, aber ohne ein effektives Diversity-Management wird das nichts. Es reicht nicht, wenn Bayern für Laptop und Lederhose steht – LGBTIQ gehört dringend dazu. Das muss man in Bayern endlich verstehen.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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