Angst vor Verhaftung: Schwule Väter fliehen aus Russland

Die Behörden bezichtigen alleinstehende Väter des Kinderhandels

Symboldbild. (Bild: Katie E/Pexels)
Symboldbild. (Bild: Katie E/Pexels)

Russische Behörden nehmen alleinstehende schwule Männer ins Visier, die durch Leihmutterschaft Eltern geworden sind, und werfen ihnen Kinderhandel vor.

In Russland ist Leihmutterschaft legal. Dies könnte sich für alleinstehende Männer jedoch bald ändern – besonders, wenn sie schwul sind. Geht es nach den russischen Behörden, sollen sie aufgrund ihrer «nicht-traditionellen sexuellen Orientierung» verhaftet und des «Kinderhandels» angeklagt werden. Dem Guardian zufolge sind bereits mehrere schwule Väter aus Russland geflohen.

Alexander (Name geändert) ist einer von ihnen. Obwohl in Russland kein Gesetz gegen Leihmutterschaft für schwule Männer in Kraft sei, wolle er das Risiko nicht eingehen, seinen sechs Monate alten Sohn zu verlieren, sagt er gegenüber dem Guardian. Der 40-Jährige erfuhr aus den Medien von den Plänen der russischen Behörden. «Ich dachte, ich hätte den Bezug zur Realität verloren. Ich dachte, ich hätte den Artikel nicht richtig gelesen», sagt er.

Von den Behörden hatte Alexander noch nichts gehört, wohl aber von einer vertrauten Person in einer Arztpraxis. Diese machte ihn darauf aufmerksam, dass Ermittler Einsicht in die medizinische Akte seines Sohnes genommen hatten und es danach aussehen würde, als ob Alexander «Probleme bekommen» würde.

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Alexander befindet sich nun im Ausland und beabsichtigt nicht, in absehbarer Zeit nach Russland zurückzukehren. «Natürlich würde ich gerne nach Hause gehen und mein Kind an einen Ort bringen, den es kennt – wo Grossmutter und Grossvater in der Nähe sind», sagt er. Er ist jedoch nicht sehr zuversichtlich, dass Ermittler ihren «gesunden Menschenverstand» einsetzen und einen anderen Ton angeben.

Ein Fall im Januar 2020 hat das Augenmerk der Behörden auf Leihmutterschaften gelenkt, nachdem ein von einer Leihmutter geborenes Kind des plötzlichen Kindstods verstarb. Es befand sich in der Obhut einer Nanny. Die Eltern waren dabei, die rechtlichen Formalitäten zu erledigen, um ihr Kind mit nach Hause zu nehmen. Da die Behörden keinen Grund für eine Anklage gefunden hatten, müssten alleinstehende Männer nun als Sündenbock herhalten, sagt Anwalt Konstantin Svitnev gegenüber dem Guardian.

Svitnev sind mehrere alleinstehende Väter bekannt, die seit der Ansage der Behörden das Land verlassen haben. «Für diese Menschen ist es eine Katastrophe. Sie haben einen Job, ein Haus, ein Geschäft – sie haben in Russland ihr Leben aufgebaut», sagt er. «Und jetzt, weil sie sich entschieden haben, in diesem Land Eltern zu werden, müssen sie mit ihren Kindern alles zurücklassen und in die Ungewissheit flüchten.» Bereits im Sommer 2019 musste eine russische Regenbogenfamilie aus Angst vor einer Verhaftung das Land verlassen (MANNSCHAFT berichtete).

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Seit 2013 ist in Russland das «Propagandaverbot für Homosexuelle» in Kraft. Wer sich in Russland öffentlich und in Anwesenheit von Minderjährigen positiv über LGBTIQ-Themen äussert, macht sich strafbar. Demnach sind auch Prideanlässe, darunter vor allem Demonstrationsumzüge im öffentlichen Raum, verboten.

2017 bezeichnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR das «Propagandaverbot» als menschenrechtswidrig (MANNSCHAFT berichtete). Es verletze die Demonstrationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger, die in Artikel 11 der Menschenrechtskonvention festgehalten ist. Zudem hätte die Bevölkerung Russlands gemäss Artikel 14 das Recht, «nicht diskriminiert zu werden.» Das Urteil gilt für Russland als Unterzeichner der Menschenrechtskonvention zwar als wegweisend, kann vom EGMR allerdings nicht durchgesetzt werden.

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