«Als ich als Diplomat anfing, waren Homosexuelle ausgeschlossen»
Bill Longhurst engagiert sich als Ally bei «Diplomats for Equality»
Bill Longhurst ist stellvertretender Missionsleiter und Generalkonsul der britischen Botschaft in Bern. Er ist auch Teil des weltweiten Netzwerks «Diplomats for Equality», das sich für LGBTIQ-Themen einsetzt.
Herr Longhurst, Sie sind ein cis-heterosexueller, 56-jähriger weisser Mann. Was ist Ihre Motivation, bei «Diplomats for Equality» mitzuwirken? Als Ally habe ich nie die Vorurteile, Gewalt oder Diskriminierung erlebt, die viele in der LGBTIQ-Community regelmässig ertragen müssen. In meiner Jugend wurden LGBTIQ-Personen von den Medien in Grossbritannien entweder verspottet oder verteufelt. Als ich 1990 im diplomatischen Dienst anfing, waren Schwule und Lesben noch formell ausgeschlossen – dies wurde erst wenig später aufgehoben. Mein Land hat einen positiven Wandel durchgemacht, was die Akzeptanz von LGBTIQ und die Auseinandersetzung mit ihren Themen betrifft – das ist hauptsächlich der Verdienst von mutigen LGBTIQ-Aktivist*innen, die dafür oft ihren Ruf und ihr körperliches Wohlbefinden aufs Spiel gesetzt hatten.
Leider gibt es noch viele Teile der Welt und auch Teile in unserer eigenen Gesellschaft, die mehrheitlich intolerant und feindselig sind. Darum möchte ich als Diplomat weiterhin einen bescheidenen Beitrag leisten, um das Bewusstsein für Gewalt und Diskriminierung zu schärfen.
In meiner Jugend wurden LGBTIQ-Personen von den Medien in Grossbritannien entweder verspottet oder verteufelt.
Was ist «Diplomats for Equality» genau? Eine Initiative, die in mehreren Städten weltweit existiert, vor allem in Hauptstädten. Mitglieder sind dort ansässige Diplomat*innen, die beim Gastgeberland oder bei internationalen Organisationen angemeldet sind. Der Einsatz ist freiwillig und darauf ausgerichtet, das Engagement unserer Länder für gleiche Rechte zu zeigen. Mit dieser Plattform setzen wir uns persönlich und im Namen unserer Länder ein gegen alle Formen der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität.
Was sind die Ziele von «Diplomats for Equality»? Wir verpflichten uns den rechtlichen Schutz gegen Diskriminierung zu verbessern: Diskriminierende Gesetze, Richtlinien und Praktiken aufzuheben oder zu ändern; Hassrede, Gewalt und Belästigung aufgrund von Diskriminierung zu verringern und die Beteiligung der LGBTIQ-Community in unseren Gesellschaften zu erhöhen. Die genauen Ziele variieren von Land zu Land, abhängig von Lage vor Ort. Für diejenigen von uns, die in gleichgesinnten Ländern mit gemeinsamen Werten dienen wie der Schweiz, geht es vor allem um Partnerschaft und den Austausch von «Best Practices».
In wie vielen Ländern ist das Netzwerk aktiv? Es ist schwer, eine genaue Zahl zu nennen, da es keinen zentralen Koordinationspunkt gibt und die Aktivität von Land zu Land variiert. Darüber hinaus gibt es viele Länder, in denen Diplomat*innen zusammenarbeiten, um LGBTIQ- und andere Menschenrechtsfragen zu unterstützen, sich aber nicht unter dem Namen «Diplomats for Equality» organisieren. In der Schweiz sind zwischen 15 und 20 Botschaften involviert.
Können Sie Beispiele Ihrer Aktivitäten nennen? In Bern begann «Diplomats for Equality» als informelles Treffen von Diplomat*innen, die an Pride-Märschen in Schweizer Städten teilnahmen. Am Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie (IDAHOBIT) 2022 habe ich drei Vertreter der Liechtensteiner LGBTIQ-Organisation Flay eingeladen, damit sie uns ihre Arbeit näherbringen. Im Rahmen der Eurogames im letzten Juli hat die britische Botschaft in Zusammenarbeit mit der Stadt Bern einen grossen Empfang für rund 200 Sportler*innen, Organisator*innen und Diplomat*innen organisiert.
Als erste Botschaft erhielt die britische Botschaft in Bern das Swiss LGBTI-Label, welches Inklusion am Arbeitsplatz auszeichnet (MANNSCHAFT berichtete). Unseren diplomatischen Kolleg*innen haben wir unsere Erfahrungen bei Beantragung und Erteilung des Labels präsentiert.
In der Diplomatie geht es doch oft nur um Smalltalk und Networking. Was sind die Erfolge von «Diplomats for Equality»? Es ist schwierig, konkrete globale Erfolge einer solchen informellen Gruppierung aufzuzählen. Durch diplomatische Kanäle wird die Unterstützung von LGBTIQ-Rechten oft auf bilateraler Ebene von Regierung zu Regierung durchgeführt. Zum Beispiel hat Grossbritannien durch unser Netzwerk von über 280 Missionen diplomatische Events und vielfältige Programmaktivitäten durchgeführt, um unsere Prioritäten voranzutreiben. Diese sind: Gewalt bekämpfen, Reformen herbeiführen, Inklusion fördern und LGBTIQ-Menschen in Krisen und Konflikten unterstützen. Im September 2022 finanzierte Grossbritannien die Veröffentlichung eines «What Works»-Berichts zur Bekämpfung von Gewalt gegen LGBTIQ-Menschen. Ein besonderer Erfolg ist, dass Grossbritannien seit 2018 über 13,5 Millionen Pfund für eigene Projekte bereitgestellt hat, um die Kapazitäten von LGBTIQ-Organisationen und Menschenrechtler*innen zu stärken. Ein wichtiges und wirkungsvolles Engagement.
Welche LGBTIQ-Themen sind für Diplomats for Equality in der Schweiz am wichtigsten? 2024 erhoffen wir uns in Liechtenstein Fortschritte bei der Einführung der Ehe für alle. Das Ministerium für Infrastruktur und Justiz wird dem Parlament in der ersten Jahreshälfte einen Gesetzesentwurf vorlegen. In der Schweiz wird es interessant sein, die erweiterte Rolle des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) zu verfolgen, das nach unserem Verständnis zusätzliche Ressourcen und Verantwortlichkeiten für LGBTIQ haben wird. Dies ist das erste Mal, dass eine Einheit innerhalb der Bundesverwaltung sich speziell mit LGBTIQ-Themen befasst, und ich persönlich bin gespannt darauf zu sehen, wie sie ihre Rolle entwickelt. Das EBG wird mit dem Parlament zusammenarbeiten, Aktivitäten zwischen Bundesämtern und mit den Kantonen und Gemeinden koordinieren und den Dialog mit Fach- und Nichtregierungsorganisationen pflegen. Eine seiner Hauptaufgaben wird es sein, einen nationalen Aktionsplan gegen Hassverbrechen gegen LGBTIQ zu erstellen.
Dürfen Diplomat*innen aus LGBTIQ-feindlichen Ländern «Diplomats for Equality» beitreten? «Diplomats for Equality» steht allen Diplomat*innen wohlwollend gegenüber, die die Ziele und Werte der Gruppe teilen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine Vertretung eines Landes, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisiert werden, sich bei uns beteiligen würde – unabhängig davon, ob sie sich persönlich mit unseren Anliegen sympathisiert oder nicht.
Sie sind derzeit in Bern stationiert. Waren Sie in der Vergangenheit in einem Land tätig, in dem grundlegende LGBTIQ-Rechte eine Herausforderung waren? Mein erster Kontakt mit LGBTIQ-Organisationen in der Diplomatie war vor 15 Jahren, als ich in Belgrad stationiert war. Dort gab es eine aktive und lebendige LGBTIQ-Community, die jedoch viel Widerstand von einigen Teilen der Gesellschaft und Gewalt von extremistischen Randgruppen erfahren musste. Unsere Botschaft in Belgrad kontaktierte die Organisation Gay Straight Alliance (GSA) mit einer bestimmten Absicht: Serbien war Gastgeber des Eurovision Song Contest 2008 und wir erwarteten, dass eine bedeutende Anzahl von LGBTIQ-Besucher*innen nach Belgrad reisen würde. Mit einer geringen Projektfinanzierung aus London haben wir mit der GSA zusammengearbeitet, um Informationsmaterial und einen Empfangsschalter für Gäste mit Informationen zu LGBTIQ-freundlichen Orten in der Stadt sowie Ratschlägen und Tipps zur Sicherheit in der lokalen Szene zu erstellen. Die Zusammenarbeit mit der GSA setzte sich lange nach dem ESC fort und wir arbeiteten gemeinsam an einer Reihe von Initiativen.
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