Deutsche AIDS-Hilfe fordert eine Million Impfdosen gegen Affenpocken
An diesem Freitag beginnt in Montréal die Internationale AIDS-Konferenz
Während in Deutschland nach einem holprigen Start endlich in allen Bundesländern Impfungen gegen Affenpocken stattfinden, gelte es nun, den Blick in die nahe Zukunft zu richten. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert: Jetzt Impfangebote für alle Menschen sicherstellen, die sie brauchen – in Deutschland und weltweit.
«Ziel muss sein, die Zahl der Infektionen so schnell wie möglich zu senken und die Epidemie dauerhaft in den Griff zu bekommen. Das ist nur möglich, wenn möglichst viele Menschen, die ein Infektionsrisiko haben, geimpft werden, in Deutschland und in allen anderen betroffenen Ländern», sagt Ulf Kristal vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH). Zuvor hatte der Checkpoint Zürich Alarm geschlagen und die Beschaffung von Impfstoff für die Schweiz gefordert (MANNSCHAFT berichtete).
Der Epidemiologe und Arzt Axel Jeremias Schmidt, Referent für Medizin und Gesundheitspolitik der Deutschen AIDS-Hilfe, erläutert: «Wir brauchen in Deutschland rund eine Million Impfdosen, um einer halben Million Menschen einen dauerhaften Impfschutz zu bieten. Es darf nicht dazu kommen, dass impfmotivierten schwulen Männern die Impfung verweigert wird. Der Bund sollte so schnell wie möglich bestellen, denn kurzfristige Käufe werden in nächster Zeit kaum möglich sein. Es gilt vorzusorgen.»
Die Zahl der homo- und bisexuellen Männer, die Sex mit wechselnden Partnern haben, schätzt der Epidemiologe auf Basis der EMIS-Studie von 2017 auf mehr als 500.000. Nicht alle werden eine Impfung wollen. Aber hinzu kommen nicht wenige Menschen, die sich nur zeitweilig hier aufhalten. Ausserdem ist nicht auszuschliessen, dass das Affenpocken-Virus (MPXV) demnächst auch andere Bevölkerungsgruppen betrifft.
Bisher hat die Bundesregierung 240.000 Impfstoffdosen bestellt (zuzüglich 5.300 aus EU-Beständen). 40.000 davon sind bereits ausgeliefert, 200.000 sollen bis Ende September folgen. Aber das reicht nicht, so Schmidt.
«Wir gehen nicht davon aus, dass die Epidemie vorbei ist, wenn die bisher verfügbaren Dosen verimpft sind, und müssen für alle Szenarien vorbereitet sein. Entscheidend ist: Solange es Infektionen mit Affenpocken gibt, müssen wir Menschen, die ein Risiko haben, ein Impfangebot machen. Dazu gehören alle schwulen und bisexuellen Männer, die nicht in monogamen Beziehungen leben.»
Doch der Impfstoff gegen Affenpocken, der nur von einer einzigen Firma hergestellt wird, ist bereits jetzt ein äusserst knappes Gut. Ein Wettbewerb auf dem Weltmarkt, bei dem die reichen Ländern gewinnen, wäre ethisch nicht akzeptabel. UNAIDS hat der Sorge Ausdruck verliehen, dass Vakzine, die in reichen Ländern produziert beziehungsweise noch entwickelt werden, für ärmere Länder unerschwinglich bleiben könnten.
Wir dürfen die Fehler, die bei Covid gemacht wurden, nicht wiederholen.
«Die Bundesregierung sollte sich jetzt dafür einsetzen, dass die Produktion massiv ausgebaut wird, sei es zum Beispiel, indem andere Firmen den Impfstoff in Lizenz produzieren, oder vielleicht sogar, indem Patente freigegeben werden», sagt DAH-Vorstand Ulf Kristal. «Wir dürfen die Fehler, die bei Covid gemacht wurden, nicht wiederholen: Alle Menschen weltweit, die ein Risiko haben, müssen Zugang zur Impfung bekommen.»
Indem die WHO den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat, mahnt sie, die Situation ernst zu nehmen und alles zu tun, um der Epidemie wirkungsvoll zu begegnen. Auch die Deutsche Aidshilfe unterstreicht die Dringlichkeit:
«Wir sehen gerade, wie fatal es sich auswirkt, wenn der Impfstoff nicht ausreicht. Menschen brauchen eine Impfung, erhalten sie aber noch nicht. Affenpocken-Erkrankungen haben teilweise sehr schmerzhafte Folgen. So eine Notsituation darf sich nirgendwo und für niemanden wiederholen», mahnt Ulf Kristal.
Die Deutsche AIDS-Hilfe habe in den letzten Wochen den Eindruck gewonnen, dass bei Massnahmen gegen Affenpocken in Deutschland teilweise nicht so schnell und pragmatisch gehandelt wurde wie während der Covid-19-Pandemie, als die gesamte Bevölkerung betroffen war.
Rechne man die Zahl der Affenpocken-Betroffenen in der schwulen Community auf die Gesamtbevölkerung hoch, hätten sich mehr als 200.000 Menschen infiziert. Wäre das tatsächlich geschehen, würden Impfungen vermutlich mit mehr Nachdruck vorangetrieben.
«Die Gesundheit schwuler und bisexueller Männer muss so ernst genommen werden wie die Gesundheit aller anderen. Auch schwule Gesundheit ist öffentliche Gesundheit», so Kristal.
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