2500 Dickpics: Affäre um Intimus von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz
Korruptionsermittler*innen fanden auf dem Diensthandy von Kurz‘ bestem Freund tausende Schwanzfotos
Erst war es ein Tweet von einem Politaktivisten, dann ein langer «J’accuse»-Artikel eines queeren Bloggers. Schliesslich griff die überregionale Boulevardpresse die schlüpfrige Geschichte aus Österreich auf.
Es geht um «Schmuddelbilder auf dem Diensthandy von Kanzler Kurz‘ bestem Freund» Thomas Schmid und um «Vetternwirtschaft auf höchster Ebene», wie der Blick schreibt. Und es geht um die Frage, ob es sich bei dieser Vetternwirtschaft um «schwule Konvertikelbildung» handelt, also eine heimliche Homo-Verschwörung in Wien, in deren Zentrum der 34-jährige Sebastian Kurz als konservativer ÖVP-Kanzler steht. Eine Partei, die die Menschen im Land «über viele Jahrzehnte hinweg» vor solch einer «Gefahr» gewarnt hat, wie der schwule Blogger Kurt Krickler auf Homo Politicus schreibt. Für ihn ist die ganze Geschichte ein «Dickpicgate», das tief ins aktuelle Machtzentrum Österreichs blicken lässt.
Denn in die Vetternwirtschaftsgeschichte sind gleich mehrere enge Freunde von Kurz verwickelt. Diesen Herren sollen von Kurz Posten bekommen haben, obwohl sie dafür wenig geeignet waren. Voraussetzung sei lediglich gewesen, dass sie Kurz bedingungslose Treue und Loyalität zugesichert hätten.
Zustände wie bei der Mafia oder arabischen Clans? «Heute würde man das als ‹Seilschaften› oder moderner als ‹Netzwerke› oder ganz aktuell auf türkisisch als ‹Familie› bezeichnen», schreibt Krickler. «Wobei diese türkise Familie eher nicht – im Sinn der schwarzen Ideologie – als brave und biedere heteronormative Kernfamilie daherkommt, sondern doch eher an eine famiglia nach Art der süditalienischen Mafia oder einen arabischen Clan des organisierten Verbrechens in Berlin gemahnt.»
Krickler spricht abfällig von «Kurz-Fanboys», die zu hohen Ämtern kamen, etwa der umstrittene Finanzminister Gernot Blümel. Über eine mögliche sexuelle Beziehung zwischen Blümel und Kurz wird schon lange spekuliert. Kurz hat die Gerüchte im Wahlkampf 2019 selbst angesprochen – und dementiert!
Im aktuellen Fall geht es um einen weiteren Freund, der von Kurz damit beauftragt wurde, alle staatlichen Beteiligungen in der neuen Firma Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) zu vereinen. Damit Thomas Schmid sich selbst zum Chef des Unternehmens (Beteiligungen im Wert von 27 Milliarden Euro) machen konnte, wurde die öffentliche Ausschreibung auf ihn zugeschnitten. Das belegen die veröffentlichten Chatprotokolle, die unter anderem Konversationen zwischen Kurz und Schmid wiedergeben. Der Kanzler schrieb ihm: «Kriegst eh alles, was du willst», worauf Schmid mit Emojis erwiderte: «Ich bin so glücklich :-))), ich liebe meinen Kanzler.»
Brisanter Nebenschauplatz? Welcher Art ist diese Liebe und wie beeinflusste sie die Postenvergabe? Dazu hat sich laut Blick ein «brisanter Nebenschauplatz» aufgetan. Denn auf dem Diensthandy von Schmid wurden offenbar 2500 schlüpfrige Fotos mit «Beidls» – wienerisch für Penis – gefunden. Was den «ÖBAG-Alleinvorstand von eigenen Gnaden» laut Homo Politicus «offensichtlich schwul» mache. Und damit auch Sebastian Kurz?
Losgetreten hat die Diskussion der Politaktivist Rudi Fußi. Er postete auf Twitter: «2500 Schwanzpics auf einem Diensthandy. Österreichische Beidldatenbank AG oder was heisst ÖBAG?»
Wie Fußi an diese Informationen aus dem Ermittlungsverfahren kam, ist bislang nicht bekannt. Es wäre durchaus denkbar, dass Anhänger der Opposition sie weitergegeben haben, um dem von vielen gehassten Kurz zu schaden. «Die Affäre wird inzwischen zu einem Fall für die Justiz», schreibt Blick. «Die Bilder auf dem Handy werden von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft überprüft. Ermittelt wird auch, wie die Fotos aus der Untersuchungsakte überhaupt geleakt werden konnten.» Offenbar gibt es in Österreichs Staatsanwaltschaft «undichte Stellen», heisst es, was wiederum die grüne Justizministerin Alma Zadic in massive Kritik bringe.
Wer kontrolliert das Land? Wie diese Schlammschlacht ausgeht, bleibt abzuwarten. Aus LGBTIQ-Sicht ist daran weniger interessant, dass jemand Schwanzfotos auf seinem Handy hat. Sondern die Frage, ob die ÖVP «von einer schwulen bzw. homoerotisch angehauchten und kindisch-pubertären Wichserclique geführt und kontrolliert» werde, um es in den Worten von Krickler zu formulieren. (MANNSCHAFT berichtete über die Kritik an der LGBTIQ-Politik der aktuellen österreichischen Regierung.)
Für Krickler wäre es absolut kein Problem, einen schwulen Kanzler zu haben. Vielmehr kritisiert er, dass ausgerechnet die Partei, deren Homophobie er seit 40 Jahren bekämpft, in solch einem «halbseidenen Sumpf» gelandet sei, bei dem LGBTIQ-feindlicher Wertkonservativismus gepredigt, aber hinter den Kulissen das Gegenteil praktiziert werde. Niemand aus dieser Kurz-Partie habe daher schwule Solidarität aus der Community oder der Bewegung verdient, meint Homo Politicus. «Die diesbezüglichen Beschwörungen und Appelle als Reaktion auf Fußis Tweet dürfen getrost als Zumutung zurückgewiesen werden», so Krickler. Und weiter: «Natürlich sollen und müssen solche Typen und Machenschaften geoutet werden. Auch wenn ein solches Outing schmerzt, wie schon seinerzeit bei Jörg Haider, der ebenfalls keine positive Identifikationsfigur war. […] Schwule Solidarität heisst […] nicht, […] jeden schwulen Ungustl zu verteidigen.»
Politischer Selbstmord? Dass es im Rahmen dieser Penisbilder-Affäre zu einem Outing von Sebastian Kurz kommen könnte – der offiziell in Partnerschaft mit Susanne Thier verbunden ist – scheint fraglich. Wie erwähnt, hat Kurz entsprechende Gerüchte im Wahlkampf 2019 selbst angesprochen und mit einem Lächeln von sich gewiesen. Krickler meint dazu rückblickend: «Es wäre höchst merkwürdig und kontraproduktiv, 2019 über die eigene sexuelle Orientierung derart offensiv zu lügen.» Er sagt sogar, ein verspätetes Coming-out wäre heute politischer Selbstmord – «aber nicht wegen der Homosexualität, sondern wegen Feigheit und wegen Belügens der Bevölkerung».
Grundsätzlich wäre ein offen homosexueller Regierungschef laut Krickler «längst keine Sensation mehr». Er zählt eine Reihe von Politiker*innen auf, von der isländische Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurðardóttir über Elio Di Rupo als belgischem Premier, bis zu Xavier Bettel und Etienne Schneider in Luxemburg und Leo Varadkar in Irland. «Varadkar ist übrigens das beste Beispiel dafür, dass ein offen schwuler Politiker nicht automatisch ein guter Politiker ist», urteilt Krickler. Er erwähnt auch Ana Brnabić in Serbien sowie Guido Westerwelle in Deutschland.
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