Zu schwul? US-Polizist erhält 10 Mio. Dollar Schadensersatz

Der Polizist Keith Wildhaber wurde 23 Mal nicht befördert, weil er «zu schwul» sei. Jetzt fiel dazu in den USA ein Gerichtsurteil mit Signalwirkung

Einem Polizisten aus St. Louis wurde gesagt, er müsse «sein Schwulsein reduzieren», wenn er sich Hoffnung auf Beförderung machen wolle (Symbolfoto: Brian Kyed / Unsplash)
Einem Polizisten aus St. Louis wurde gesagt, er müsse «sein Schwulsein reduzieren», wenn er sich Hoffnung auf Beförderung machen wolle (Symbolfoto: Brian Kyed / Unsplash)

Ein Polizist im US-Bundesstaat Missouri bekommt über zehn Millionen Dollar Schadensersatz in einem Anti-Diskriminierungsverfahren, weil er mehrfach nicht befördert wurde mit der Begründung, er sei «zu schwul».

Der Rechtsstreit zog sich über mehr als drei Jahre hin. Keith Wildhaber, der in Clayton / St. Louis als Polizist arbeitet, klagte bereits 2016, dass ein Mitglied der Behörde ihm gesagt habe, er müsse «sein Schwulsein reduzieren» («tone down your gayness»), wenn er jemals Hoffnung auf Beförderung hegen wolle. Das Behördenmitglied behauptete später, nie etwas Derartiges gesagt zu haben.

Polizist zu schwul
Polizist zu schwul

Doch die Fakten sprechen für sich: Obwohl Wildhaber bei allen Eignungstests als Polizeileutnant mit Bestbewertung abgeschnitten hatte, wurde er 23 (!) Mal nicht befördert. Als er schliesslich eine Beschwerde wegen Diskriminierung einreichte, wurde er versetzt und musste fortan Nachtschichten in einem anderen Teil von St. Louis übernehmen. Auch dagegen legte er Beschwerde ein und nannte diesen Vorgang einen Racheakt.

Im Speziellen beschuldigte Wildhaber Polizeichef Jon Belmar für diese Art der Behandlung, weil dieser ein «Klima der Diskriminierung» in seiner Behörde kultiviert habe.

Wer diskriminiert, zahlt hohen Preis Der Fall landete vor Gericht. Und dieses gab 2019 Wildhaber in beiden Punkten Recht. Die Polizeibehörde wurde verurteilt, 20 Millionen Dollar Schadensersatz zu zahlen.

Dieser ungewöhnliche Millionenbetrag sollte ein Zeichen setzen. «Wer diskriminiert muss einen hohen Preis zahlen», sagte ein Jurymitglied damals der Zeitung St. Louis Today. «Man kann etwas Unverzeihliches nicht verteidigen.»

Aber die Sache war damit nicht beendet. Denn St. Louis ging in Berufung. Ihr Argument: Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung sei in St. Louis absolut legal nach den Gesetzen des Staates. Und Wildhaber hatte ja schliesslich behauptet, er sei diskriminiert worden wegen seiner Sexualität und wegen Verhaltensweisen, die mit dieser Sexualität in Verbindung gebracht würden – also «Manierismen und/oder Erscheinungsbild», die «nicht der stereotypen Normen dessen entsprechen, was als ‹männlich› gilt».

Aussergerichtliche Einigung Diese Woche berichteten nun verschiedene Medien, u. a. die Associated Press (AP), dass Wildhaber und St. Louis sich aussergerichtlich geeinigt hätten – und zwar auf die Hälfte des Ursprungsbetrags. Am Montag ging zudem Polizeichef Belmar in den Ruhestand.

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Offiziell heisst es von Seiten der Behörde, die Versetzung in den Ruhestand habe nichts mit der aussergerichtlichen Einigung zu tun und Belmar habe schon lange geplant, dieses Jahr in Rente zu gehen.

Der für die Polizei zuständige Politiker Sam Page (Demokrat) hat derweil vier von fünf Kommissaren ausgetauscht in der Hoffnung, das Klima in der Behörde positiv zu verändern. Laut Page habe Belmar mit dem Ruhestand nur gewartet, um den Prozess der Wandlung zu unterstützen und abzuschliessen. Das mag man glauben oder nicht.

Leiter einer neuen Diversity-Einsatzgruppe Obwohl Wildhaber nun letztlich auf die Hälfte des Geldes verzichten muss, geht die Einigung dennoch zu seinen Gunsten, da er sich nicht einem Berufungsverfahren unterziehen muss und 10,25 Millionen Dollar behalten kann.

Im vergangenen Dezember wurde er ausserdem zum Leutnant befördert und leitet jetzt die neue Diversity-Einsatzgruppe.

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Gegenüber AP sagte Page: «Das Gerichtsverfahren würdigt, was Leutnant Wildhaber überleben musste (‹survived›) in der Polizeibehörde, und es erlaubt uns als Stadt und Staat nun vorwärts zu gehen. Ich glaube es ist wichtig zu betonen, dass wir hiermit ein Signal an alle Behörden in Bundesstaaten senden und an alle unsere Angestellten in der Region St. Louis. Und die Botschaft lautet: Diskriminierung wird nicht geduldet!»

Einfluss aus US-Wahlkampf Mit dieser Millionenstrafe wegen Diskriminierung auf Basis von sexueller Orientierung und vermeintlich normabweichendem männlichen Verhalten wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der sicher weitere potenzielle Kläger inspirieren wird, es Wildhaber nachzutun. Ob das Thema dadurch auch im aktuellen US-Wahlkampf eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Donald Trump hat dazu bislang nicht getwittert.

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