Als schwuler Mieter nicht erwünscht – was tun?

Problem laut Antidiskriminierungsstelle: Neben offener Diskriminierung erfolgen Benachteiligungen beim Zugang zu Wohnraum auch verdeckt, anhand vorgeschobener Gründe oder aufgrund diskriminierender Kriterien

Foto: AdobeStock
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Seit 2006 haben sich 79 Betroffene an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, die über Diskriminierungserfahrungen wegen ihrer sexuellen Identität bei der Wohnungssuche berichtet haben. Klingt wenig? Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, da sich Benachteiligungen in diesem Bereich schwer beweisen lassen.

Norbert und sein Partner Ralph aus Nordrheinwestfalen haben es gleich mehrfach erlebt, vor etwa zwei Jahren, mal in Duisburg, mal in Mühlheim/Ruhr. Etwa, als sie beim ersten Kontakt mit dem Makler angaben, dass sich zwei Männer für die Wohnung interessierten. «Da gab es zunächst grosses Schweigen in der Leitung», erinnert sich Norbert. Der Makler wollte sich nochmal melden, was dann aber nicht geschah. Das erlebten sie mit diesem Vermittler gleich zweimal.

In einem anderen Fall bot man Norbert eine Wohnung an, doch als er mit seinem Partner zur Besichtigung erschien, war die Wohnung plötzlich schon vergeben. Problem: Beweisen liess sich hier gar nichts.

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Das war bei weiteren Versuchen anders. Einmal sagte ihnen jemand, als sie sich nach einer Wohnung erkundigten: Man müsse erst bei der Vermieterin nachfragen, ob sie einverstanden wäre, dass zwei Männer einziehen. Darauf hörten die Männer nichts mehr. Als sie nachhakten, etwa vier Wochen später, war die Wohnung allerdings immer noch frei.

Der Vermieter befürchtet, dass sich die Nachbarn provoziert fühlen könnten, falls dort zwei Männer einziehen

Als sie zu einer Wohnungsbesichtigung gingen und der Maklerin mitteilten, dass sie die Wohnung sehr gerne nehmen würden, wurde nichts draus. Eine Woche später erhielten sie die Absage: «Der Vermieter befürchtet, dass sich die Nachbarn provoziert fühlen könnten, falls dort zwei Männer einziehen.»

Seine Geschichte twitterte Norbert unter dem Hashtag #MeQueer. Auf unsere Nachfrage erfuhren wir, dass die Maklerin ihnen den Grund der Absage erst mitgeilt habe, nachdem sie ihr zusagt hatten, nicht juristisch dagegen anzugehen. Sie fürchtete vermutlich Nachteile für sich und ihr Vermittlungsgeschäft.

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Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kennt man weitere Beispiele. «Beispielsweise weigerte sich eine Eigentümerin, ihre Wohnung an ein schwules Pärchen zu vermieten. In einem anderen Fall lehnte es eine Gemeinde ab, ein Baugrundstück unter Vorzugsbedingungen an ein schwules Paar zu vergeben», teilte uns Pressesprecher Sebastian Bickerich mit.

Ein Vermieter hatte Bedenken, da man ja wisse, dass Schwule häufig wechselnde Partner hätten

Einen weiteren Fall habe ein Petent der ADS gegenüber so geschildert:

«Ich suche derzeit mit meinem Lebensgefährten zusammen eine Wohnung. Bei einem Telefonat mit einer Vermieterin war diese zunächst an uns als Mieter interessiert. Als ich dann aber auf ihre Nachfrage sagte, dass wir ein Männerpaar seien, meinte sie, es hätte sich damit erledigt. Sie wolle keine Männerpaare in ihren Wohnungen haben. Ein anderer Vermieter hatte Bedenken, da ‚man ja weiß, dass Schwule häufig wechselnde Partner haben‘. Er wollte dann auch noch wissen, wie lange wir schon zusammen sind. Die Chancen, eine Wohnung zu bekommen, scheinen mir geschwunden.»

Kein Urteil aus dem Bereich sexuelle Identität Grundsätzlich, so Bickerich, verbiete das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum wegen der sexuellen Identität. Bei der Wohnraumvermietung darf die sexuelle Orientierung prinzipiell keine Rolle spielen – weder bei der Auswahl von Wohnungssuchenden noch bei der Beendigung eines Mietverhältnisses. Auch innerhalb eines bestehenden Mietverhältnisses sind solche Diskriminierungen verboten. «Betroffene, die Diskriminierung erlebt haben, können vor Gericht auf Schadensersatz und Entschädigung klagen. Die uns bekannten Urteile aus dem Bereich betreffen allesamt den Bereich ethnische Herkunft – uns ist kein Urteil aus dem Bereich sexuelle Identität bekannt», so Bickerich.

Benachteiligung bei Wohnungssuche schwer zu beweisen Das könnte auch daran liegen, räumt der ADS-Sprecher ein, dass Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt schwer zu erkennen und zu beweisen ist. «Neben den geschilderten Fällen von offener Diskriminierung erfolgen Benachteiligungen beim Zugang zu Wohnraum auch verdeckt, anhand vorgeschobener Gründe oder aufgrund diskriminierender Kriterien.» Oftmals bekäme man bei der Wohnungssuche eine neutrale Absage wie «Wir haben uns leider für jemand anderen entschieden.“

Dadurch nehmen Betroffene die Diskriminierung oft nicht wahr, sind sich unsicher über den Sachverhalt und scheuen deshalb häufig eine Beschwerde. Die Dunkelziffer dürfte deshalb wesentlich höher sein, als die Beratungsanfragen zeigen, vermutet Bickerich.

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«Außerdem gibt es eine Reihe von gesetzlichen Ausnahmen, die den Diskriminierungsschutz eingrenzen: So findet das AGG keine Anwendung auf Verträge, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten begründet wird. Bei Mietverhältnissen kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn die Parteien oder Angehörige Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen (§ 19 Abs. 5 Satz 1 u.2 AGG). Außerdem ist auch die Vermietung von Wohnraum zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch kein sog. Massengeschäft i. S. d. AGG, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet (§ 19 Abs. 5 Satz 3 AGG). Damit wird der Diskriminierungsschutz deutlich eingeschränkt.»

Hier gibt es Hilfe: So oder so: Wer Hilfe sucht, weil er Diskriminierung erfahren hat oder vermutet, von ihr betroffen zu sein, den  unterstützen Antidiskriminierungsberatungsstellen niedrigschwellig und kostenfrei beim Verdacht der Wohnungsmarktdiskriminierung. Wenn Betroffene Hinweise auf Diskriminierung haben, aber Probleme mit einem Nachweis haben, könnten auch so genannte Testings weiterhelfen, erklärt Bickerich. Testing-Ergebnisse werden teilweise vor Gericht anerkannt. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet eine rechtliche Einschätzung im Einzelfall. Sie stellt darüber hinaus eine Liste mit vorhandenen, lokalen Beratungsstellen auf ihrer Homepage bereit.

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