«The Cakemaker» – zu schwul oder zu hetero?

Diesen Film schickt Israel ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film

Israel schickt «The Cakemaker» ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Ob die Liebesgeschichte zwischen einem Berliner Konditor und einem Geschäftsmann aus Jerusalem von der Academy nominiert wird, entscheidet sich am 22. Januar 2019.

Dass es da diesen sehenswerten deutsch-israelischen Film gibt über einen deutschen Konditor, der sich in einen Israeli verliebt, davon hörte man schon länger. Er lief in Tschechien erfolgreich auf einem Festival, wurde in Israel als bester Film ausgezeichnet, auf Festivals in Chicago und San Sebastian war er immerhin als bester Film nominiert. «Eine meisterliche Fabel», fand die New York Times, die Variety schwärmte von einem «herzzerreissenden Debüt».

Nur in Deutschland bekam man ihn lange nicht zu sehen, ausser auf dem Filmfest Hamburg, 2017. Nun kommt er endlich regulär in die deutschen Kinos. Warum es so ewig gedauert hat?

«Es war schwierig, einen deutschen Verleih zu finden», erzählt Regisseur Ofir Raul Graizer. «Die einen sagten, der Film ist zu schwul, den anderen war er zu hetero. Ein Argument, das wir nur in Deutschland gehört haben.»

Liebe geht durch den Magen Ohne zuviel über den Film zu verraten: Beide Sichtweisen auf den Film sind Unfug. Und so hat Graizer schliesslich doch noch einen Verleih gefunden: missingFilms, ein kleiner Berliner Verleih, ohne die Mittel, eine Synchronfassung zu stemmen – was für ein Glück für einen Film, in dem Deutsch, Englisch und Hebräisch gesprochen wird. Eine Synchronisation hätte ihn zerstört.

Worum geht es? Im Berliner Café Kredenz backt Thomas die tollsten Torten und Kekse. Die schmecken auch dem israelischen Geschäftsmann Oren. Aus der Liebe zum Kuchen entsteht eine Leidenschaft zwischen beiden Männern, die sich jedoch nur einmal im Monat sehen. Denn Oren hat eine Frau und einen Sohn in Jerusalem. Als Thomas erfährt, dass sein Liebhaber einen tödlichen Unfall hatte, begibt er sich nach Jerusalem in das Café von Anat, der Witwe Orens. Sie gibt ihm zunächst einen Aushilfsjob, später fängt er auch bei ihr an, seine Torten und Plätzchen zu backen. Das ist gut für das Geschäft, stört aber den Bruder von Oren – was der Deutsche da treibt, hält er für nicht koscher, im wörtlichen und übertragenen Sinn. Währenddessen kommen sich Anat und ihr deutscher Mitarbeiter immer näher.

Liebe geht bekanntlich durch den Magen, diese deutsche Redewendung kennt Grazier natürlich, der als Kellner und Koch arbeitete, um sein Studium an der Filmhochschule in Israel zu finanzieren. Seit neun Jahren lebt er in Berlin, hat hier nicht nur seine Filmidee realisiert, die er schon viele Jahre mit sich herumtrug. Hier bietet er auch Kochkurse mit israelisch-palästinensischen Gerichten an und im November erscheint sein erstes Kochbuch mit 80 vegetarischen Rezepten, «Ofirs Küche» heisst es.

Wer wüsste es besser, dass Liebe durch den Magen geht. «Bei uns in Israel geht alles durch den Magen, die Liebe, der Hass, alles was mit Familie zu tun hat.»

Liebe, und das, was man nach dem Tod eines geliebten Menschen fühlt und tut, das ist stärker als jede Logik, erklärt Grazier das Verhalten seiner Hauptfigur Thomas, die man so schwer fassen kann. Warum geht er nach Jerusalem? Warum stellt er keine Fragen? Wieso bändelt er mit der Frau seines Liebhabers an? Der Regisseur lässt vieles offen. Den einen wird das gefallen, andere Zuschauer werden darin eine Schwäche des Films sehen.

The Cakemaker
The Cakemaker

Doppelleben sind keine Seltenheit Was erstaunlich oft passiert, bei fast jedem Screening oder Festival, erzählt Garzier: Jemand aus dem Publikum kommt nach dem Ende des Films zu ihm und erzählt, er oder sie kenne eine ganz ähnliche Geschichte. Mal stirbt ein Mann, mal eine Frau, und die Hinterbliebenen erfahren nach dem Tod vom Doppelleben des eigentlich vertrauen Menschen.

Sein «Cakemaker» ist ein sinnlicher Film, eine Geschichte darüber, wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturen voneinander lernen. Vordergründig geht es um das Thema Backen, darin macht Thomas niemand etwas vor. Das beherrscht er so gut, dass ihm erst Oren und später seine Witwe zu Füssen liegt.

  • The Cakemaker

    The Cakemaker

Das Café Kredenz gibt es übrigens wirklich, in der Berliner Kantstrasse. «Ich suchte ein Café, in dem ich beim Betreten spüre: Das ist es, hier könnte Thomas arbeiten und backen», erzählt Grazier, der unzählige Café in der Hauptstadt abgeklappert hat. Die Betreiber des kleinen Cafés in Charlottenburg, wo es laut Grazier die besten Kuchen in Berlin gibt, waren offen für die Dreharbeiten und verlangten im Gegensatz zu anderen Locations kein Vermögen. «Es war ein kleines Wunder», erinnert sich der Filmemacher, der hier mit dem «Cakemaker» seinen ersten Langfilm realisiert hat.



Wenn im Februar in Los Angeles zum 91. Mal die Oscars verliehen werden, könnte sein Spielfilm-Debüt zu den fünf Kandidaten gehören, die sich Hoffnung machen dürfen auf die begehrte Trophäe für den besten nicht-englischsprachigen Film. Jedenfalls schickt ihn Israel ins Rennen – neben 86 anderen Werken aus aller Welt. Darunter auch «Werk ohne Autor», der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck, der 2007 mit «Das Leben der Anderen» bereits einen Oscar erhalten hat. Wer nominiert wird und auf die Shortlist kommt, das erfahren wir am 22. Januar.

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