Streitet euch! Warum Konfrontation in der LGBTIQ-Community gut ist
Viele wollen sich nicht mehr verstellen
Konflikte innerhalb der LGBTIQ-Community sind keine Seltenheit. Manchmal geraten Meinungsverschiedenheiten an die Öffentlichkeit, wie etwa die Thematik der Wagenvergabe bei der Zurich Pride. Anna Rosenwasser schreibt in ihrem Kommentar* darüber, weshalb Streitereien nicht unbedingt schlecht sind.
In letzter Zeit zerbreche ich mir so oft den Kopf über Konflikte innerhalb unserer Community. Ich meine nicht das Exen-Drama an der letzten Lesbenparty (keine Lesbenparty ohne Exen-Drama!) und auch nicht den queeren Freundeskreis, der sich auseinanderlebt. Ich meine Organisationen, Gruppen, Kollektive. Ich rede von Aktivist*innen, die sich innerhalb ihres Aktivismus richtig happig in die Haare kriegen mit anderen Aktivist*innen. Organisationen, die sich spalten wegen einer Uneinigkeit. Und Gruppen von Menschen, die aufgrund eines Konflikts ihre Projekte aufgeben.
Natürlich gibt es eine sehr einfache Antwort darauf: Hört auf, euch zu streiten. Seid doch lieb miteinander, ihr kämpft ja für das Gleiche. Aber das wird der Sache nicht gerecht: Erstens kämpft nicht jede Person für das Gleiche, nur weil sie sich in der LGBTIQ-Community engagiert. Manche wollen Rechte für alle und andere wollen Rechte für wenige, um nur ein Beispiel zu nennen. Die «seid lieb zueinander»-Reaktion greift aber auch deshalb nicht, weil der Grund für Community-interne Konflikte auch ein guter sein kann: Dass Leute sich keinen Scheiss mehr gefallen lassen.
Viele von uns Queers wachsen damit auf, es anderen recht zu machen, sich zu verstellen und zu verbiegen, damit alles beim Alten bleibt. Damit es nicht zur Konfrontation kommt und wir uns weiter verstellen können. Viele von uns haben das satt. Sind sich selbst und kämpfen für ihre Überzeugungen. Das ist etwas sehr Gutes und einer der Gründe, weshalb ich die Menschen in unserer Community so liebe: Sie lassen sich nicht jeden Scheiss gefallen. Nicht mehr. Was aber passiert, wenn Leute sich vereinen, die sich grösstenteils nichts mehr gefallen lassen? Sie wehren sich, wenn ihnen etwas nicht passt. (Nochmal: Das ist was Gutes.)
Ich glaube also, dass viele Konflikte in unserer Community nicht einfach Drama sind, sondern Konsequenz. Konsequenzen ziehen daraus, dass queere Menschen unterschiedliche Werte haben und das Werte betrifft, die uns wichtig sind. Denn: Hier geht es nicht um irgendwas Entferntes, Entseeltes. Sondern um unser Innerstes, unsere Freiheit, unsere Existenz. Da gibt es keine einfachen Kompromisse.
Ungerechtigkeit kann tief verletzen Dass es eben nicht um nichts geht, sondern um gefühlt alles, macht die Kommunikation schwieriger. Denn Ungerechtigkeit kann uns tief verletzen und wild aufwühlen. Egal, ob wir in einer der wenigen bezahlten Positionen in einer queeren Organisation sitzen oder nach unserer Lohnarbeit noch stundenlang Freiwilligenarbeit leisten.
Darum klappt es nicht, einfach zu verlangen, dass Queers sich nicht mehr streiten sollen. Denn, doch: Queers sollen sich streiten. Weil das heisst, dass sie sich vom Thema berühren lassen. Weil das bestätigt, dass eine queere Identität nur eines von vielen Elementen eines komplexen Menschen ist. Und weil das zeigt: Queere Menschen lernen, sich nicht alles gefallen zu lassen. Sie stehen für sich ein. Sie setzen Grenzen. In einem Leben, in dem das nicht immer möglich ist.
Die MANNSCHAFT-Kommentare der letzten Wochen findest du hier.
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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