«QueerTausch» – ein Auslandjahr gegen Vorurteile

LGBTIQ-Gastfamilien und -Austauschschüler*innen sorgen rund um den Globus für mehr Toleranz.

Johannes (Zweiter von rechts) und seine Mitschüler*innen an der Abschlussfeier in Snohomish.
Johannes (Zweiter von rechts) und seine Mitschüler*innen an der Abschlussfeier in Snohomish.

Die Idee hinter «QueerTausch» ist einleuchtend: Ein Austauschjahr bei schwulen oder lesbischen Gasteltern baut Berührungsängste und Vorurteile ab. Toleranz vermitteln im Auslandjahr funktioniert aber auch andersherum, wie das Beispiel von Johannes zeigt. Er kam als schwuler Jugendlicher in eine Familie von Trump-Wähler*innen – und ein bisschen konnte der Hamburger in diesem konservativen Umfeld bewegen.

«Nicht-traditionelle Platzierungen» nennt sich die Zuteilung von Austauschschüler*innen in eine Regenbogenfamilie. Bei «AFS Interkulturelle Begegnungen» werden dank QueerTausch pro Jahr etwa fünf gleichgeschlechtliche Paare zu Gastfamilien. Die meisten von ihnen leben in den USA, wobei sich tendenziell häufiger schwule als lesbische Paare bewerben.

Queer Migrants – wie gehen Familien mit Coming-out um?

Aufklärung und Sichtbarkeit Die Interessengemeinschaft QueerTausch besteht mittlerweile seit fast einem Jahrzehnt innerhalb von «AFS Deutschland». Ihr Ziel ist es, Aufklärung zu betreiben und alternative Familienformen sichtbarer zu machen.

Bei den «nicht-traditionellen» Platzierungen erhält das Austauschkind und dessen Familie die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob sie diesen Vorschlag annehmen möchten. Dies diene zum Schutz beider Seiten. Wie QueerTausch jedoch schreibt, werden in den letzten Jahren Platzierungen zu schwulen oder lesbischen Tauscheltern schneller akzeptiert als früher.

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Schwul in Snohomish Im Zuge eines Auslandjahres Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben abbauen geht jedoch nicht nur mit einer Regenbogen-Gastfamilie. Der heute 18-jährige Hamburger Johannes reiste vor zwei Jahren unabhängig von QueerTausch für sein Austauschjahr in die USA. Dass er schwul ist, war zwar damals schon kein Geheimnis mehr, kam aber nicht mit in die AFS-Bewerbung.

Dies kommt ohnehin eher selten vor, denn bei der Bewerbung wird nicht nach der sexuellen Orientierung gefragt. LGBTIQ-Schüler*innen können sich jedoch bezüglich Länderwahl und für weitere Fragen zum Aufenthalt an QueerTausch wenden.

Johannes wurde die ländliche und eher konservative Kleinstadt Snohomish im US-Staat Washington zugeteilt. Die Wahlen von 2016 trübten seine Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer etwas. Einerseits war es ihm ein bisschen mulmig, in ein Land zu reisen, wo eine Person wie Donald Trump fast die Hälfte aller Stimmen holt. Andererseits befürchtete er, dass die Lage für LGBTIQ-Menschen durch die neue Administration deutlich schlechter werden könnte.

USA: LGBTIQ-Akzeptanz bei jungen Menschen nimmt ab

Bei Trumpwähler*innen gelandet «Was die Schule angeht, so wusste ich, dass ich in diesem Jahr nicht so viel lernen, sondern vor allem Spass haben werde», sagt Johannes. «Ansonsten hatte ich eigentlich keine Erwartungen – und das ist auch die richtige Einstellung für ein Austauschjahr.» Mittlerweile arbeitet Johannes ehrenamtlich für AFS und gibt Tipps wie diesen an Schüler*innen weiter, die ebenfalls einen Austausch absolvieren möchten.

Die leichten Befürchtungen haben sich dann nicht bewahrheitet. Johannes erlebte ein grossartiges Jahr – obwohl er tatsächlich in einer Familie von Trump-Anhänger*innen landete. «Die haben mir dann auch sofort erzählt, dass sie ihn gewählt hätten und ihn toll fänden…»

Dennoch schenke er seinen Gasteltern sogleich reinen Wein ein und sagte, dass er schwul sei. Probleme ergaben sich daraus nicht. Sie hätten ihm sogar subtil wohlwollende Signale gesendet, indem sie sich positiv über den schwulen Politiker Ed Murray äusserten, der damals Bürgermeister von Seattle war.

Ein bisschen was verändert Wie von Anfang an geplant, zog Johannes dann innerhalb der gleichen Stadt zu seiner zweiten Gastfamilie. Diese war recht liberal eingestellt und seine Homosexualität war noch seltener ein Thema. «Da sie zwei Töchter hatten, waren die Gasteltern vielleicht sogar ein wenig froh darüber», scherzt Johannes.

«Wer offen und frei ist, sagt nichts gegen schwul-lesbische Ehen»

Seine beste Freundin, die er während seines Auslandjahres kennengelernt hat, ist lesbisch. Sie hat miterlebt, wie unspektakulär und fast beiläufig die Homosexualität des jungen Deutschen zur Kenntnis genommen wurde. Das gab ihr schliesslich den nötigen Mut für ihr eigenes Comingout. So konnte Johannes mit seinem Besuch in Snohomish sogar ein bisschen was bewegen.

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