Schräges schwules Leben im Berlin der Wendezeit

Ein Roman über ein Leben zu einer Zeit, in der Fantasie mehr Wert war als Geld

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Neue queere Bücher: «Vorbild und Vorurteil» erzählt die Geschichten lesbischer Sportlerinnen, in «Royal Blue» geht es um die fiktive Beziehung zwischen zwei Politikersöhnen und in «Herr Wunderwelt» erzählt Jörg Rehmann vom Leben eines Schwulen während der Wende.

Der erste Absatz Im April 1989 betrat ich zum ersten Mal die Residenz am Grunewald. Die Empfangshalle war ein Glaskasten mit Münzfernsprecher und Rohrstühlen. Auf einem nahm ich Platz und sah mich um.

Das Genre Ein Roman über eine Kindheit in der DDR und schwules Leben in der Vor- und Nachwendezeit (West-)Berlins. 

Die Handlung Wir erleben einen Fan des Eislaufstars Anett Pötzsch, der ihr nacheifern und auch Goldmedaillen gewinnen möchte. Da dieser Plan nicht in Bewegung kommt, beschliesst Dirk, zumindest die Kreis­russisch­olympiade der DDR zu gewinnen. Das wird aber kein leichter Durchmarsch, denn wie Anett Pötzsch ihre schärfste Medaillenkonkurrentin in der Amerikanerin Linda Fratianne hat, so kämpft Dirk gegen Tanja Bandow von der Tereschkowa-Oberschule in Merseburg.

«Wumben?» – J. K. Rowling erzürnt erneut trans Menschen

Wir tauchen ein, in das Leben eines jungen schwulen Mannes, der in den späten 80er-Jahren in Westberlin lebt und den Mauerfall erlebt. Er verdingt sich ohne die geringste Berufserfahrung als Altenpfleger in einer Seniorenresidenz im feinen Villenvorort Grunewald. Es war damals anscheinend kein grosses Ding, ohne Qualifikationen Jobs in sensiblen Bereichen zu bekommen. Aber dieser Job soll ja nur der Startschuss für eine grössere Karriere sein. Wohin diese führen soll, ändert sich mit neuen Ideen und Eingebungen. Gleichzeitig ändern sich auch Dirks Identitäten, er spielt für seine trans Wohnungsmitbewohnerin einen kläffenden Hund, der unliebsame Freier auf Distanz halten soll, in New York tanzt er für einen alten durchgeknallten Mann und bei einem Liebhaber mimt er den Psychologen.

Das Urteil Ein Roman über eine skurile Kindheit und über schräges schwules Leben in Berlin, wo damals so vieles möglich war. Man brauchte kaum Geld – dafür aber etwas Fantasie – und konnte seinen Träumen nachhängen. Auf jeden Fall konnte man sich ausprobieren. Natürlich wird Dirk im Laufe der Jahre älter, und genauso wie sich Berlin verändert, verändert auch er sich. Spannend und unterhaltsam.

Roman, 304 Seiten, Kommode, 2020.

Roland Müller-Flashar von der Buchhandlung Eisenherz hat «Herr Wunderwelt» für uns gelesen. Dort kann man das Buch auch bestellen.

Weitere Buchtipps:

«Royal Blue» von Casey McQuiston

Als Sohn der ersten US-Präsidentin wird Alex Claremont-Diaz zum Liebling der Nation: attraktiv, charismatisch, clever. Nur auf diplomatischer Ebene besteht Nachholbedarf. Bei einem Staatsbesuch in England eskaliert sein schwelender Streit mit Prinz Henry. Nachdem sich die Beziehungen zwischen den USA und Grossbritannien rapide verschlechtern, sollen die beiden Männer medienwirksam ihre Versöhnung inszenieren. Doch was, wenn Alex und Harry mehr als nur Freunde werden?

Die bunt erzählte Was-wäre-wenn-­Geschichte der Journalistin Casey McQuiston schaffte es auf Anhieb auf die New-­York-Times-Bestsellerliste. Der Debütroman ist eine romantische Liebes­story mit gewitztem Dialog und einer packenden Dramaturgie.

Roman, 464 Seiten, Knaur.

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«Vorbild und Vorurteil» von Rufli, Meier, Hofmann, Degen, Borer

Sind alle Fussballerinnen lesbisch? Natürlich nicht. Es ist nur eines von tausend Vorurteilen. Dass es lesbische Spitzenathletinnen in allen Sportarten gibt, erregt noch heute Aufmerksamkeit. Die fünf Autorinnen sind in der Sportwelt auf Spurensuche gegangen. Entstanden sind persönliche Porträts von Frauen aus unterschiedlichen Disziplinen wie Fussball, Ski Alpin, Leichtathletik, Boxen, Tanz, Rad oder Judo. Wie war ihr Coming-out? Ist Homosexualität auch heute noch von Bedeutung, wenn es um Sponsorenverträge geht?

Sachlich und doch bewegend porträtieren die Autorinnen diese 28 Sportlerinnen. Das mit Crowdfunding realisierte Projekt ist mit 75 Fotografien von Lilian Salathé bebildert

Sachbuch, 272 Seiten, Hier und Jetzt. 

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