«Lustvoller Neustart ins Leben» mit der Spartacus Cruise 2022
Trotz Corona und Omikron stach die MS Vasco da Gama von Gran Canaria aus mit 300 LGBTIQ-Gästen in See
Zum zweiten Mal seit 2017 – und nach mehreren Corona-bedingten Verschiebungen – startete im Februar eine neue Spartacus Cruise, die mit der MS Vasco da Gama zehn Tage um die Kanarischen Inseln sowie Madeira schipperte.
Da das mit dem Verreisen aktuell schwierig ist und viele Menschen in Sorge waren wegen der «hochansteckenden Omikron-Variante», war die Zahl der regulär gebuchten Teilnehmer*innen auf dieser ersten europäischen Cruise seit Corona stark eingeschränkt. Während die MS Vasco da Gama im Normalfall bis zu 1.000 Gäste beherbergen kann, waren diesmal nur 300 Gäste an Bord. Darunter die beiden 19-jährigen Nürnberger Sven und Andreas, besser bekannt unter ihrem Social-Media-Namen «svandylove».
Anfangs fühlte es sich in einzelnen Bereichen des Schiffs an wie auf einem Geisterschiff, weil Lounges und Bars komplett leer waren. Doch dieser Eindruck verflog schnell. Denn die 300 gutgelaunten Gäste bevölkerten binnen weniger Tage alle elf Decks so, dass eine angenehm belebte Atmosphäre entstand und von Geisterschiff keine Rede mehr sein konnte.
Nina Queers morgendliche Durchsagen Wegen der strengen Hygieneregeln gab es keinen offiziellen Darkroom, wie es 2017 noch der Fall war. Es gab auch keine Gruppentreffen im Dampfbad, denn man musste für die Saunabereiche Zeitfenster buchen, wobei nur eine bestimmte Anzahl von Personen gleichzeitig reindurfte.
Immerhin wurde nach zwei Tagen das «Kinderspielparadies» aus dem Hinterdeck zum Outdoor-Cruising-Bereich umfunktioniert. Vor allem nachts konnten Gäste dort zwischen Plastikpalmen und Höhlenambiente unter Sternenhimmel und mit dem leichten Schaukeln der See in Kontakt zueinander treten, wenn sie das wollten. Allerdings war das keine zentrale Attraktion dieser Cruise, eher eine Fussnote.
Trotzdem machte Nina Queer als Hostess der Reise jeden Morgen um 10 Uhr eine öffentliche Durchsage, die keine noch so banale sexuelle Anzüglichkeit ausliess. Sie berichtete von Kontaktaufnahmen zwischen den Kabinen auf Deck 10, wo insgesamt 20 Influencer*innen mit Begleitung aus dem «Big Brother»- und «Prince Charming»-Universum untergebracht waren.
Sie waren – im Gegensatz zum «Kinderspielparadies» – durchaus eine Hauptattraktion dieser Reise. RTL war denn auch mit eigener Filmcrew dabei und drehte einen «Explosiv»-Beitrag über den «lustvollen Neustart ins Leben» nach der Omikron-Welle. Man hatte als Nicht-Influencer*in teils den Eindruck, live bei Filmaufnahmen in Hollywood dabei zu sein.
Ob Nina Queers Lautsprecher-Schilderungen zum Triebleben der Influencer*innen der Wahrheit entsprachen oder queeres Wunschdenken waren, sei mal dahingestellt («Ich bin eine Zauberkünstlerin, ich kann Dinge verschwinden lassen – gestern Nacht liess ich drei Schwänze in meinem Körper verschwinden», so zum Beispiel eine der Durchsagen).
Dem stand ein OnlyFans-Reiseteilnehmer gegenüber, der auf Twitter postete, dass er mit Bekanntschaften in der Kabine verschwunden sei, um «zu drehen». Das Resultat war dann vielleicht nicht hollywoodreif, aber folgte dem Motto: «Licht, Kamera, Action!» (MANNSCHAFT über den Berliner Chris Heart, für den OnlyFans zwischen Porno und Selbstverwirklungung changiert.)
Die RTL-Influencer*innen ihrerseits posteten auf Instagram rund um die Uhr Storys, bei denen man ihre schönen Kabinen sehen konnte. Mit dem Lamento: «Habe heute Nacht nur drei Stunden geschlafen!» Den Rest konnte man sich ausmalen, wenn man wollte.
Die geladenen Influencer*innen verbreiteten einen gewissen Glamour-Faktor, keine Frage. Und sie senkten das Durchschnittsalter merklich. Allerdings tat man gut daran, nicht zu genau hinzuhören, was sie so am Pool oder Frühstücksbuffett besprachen, weil das teils schockierend banal war («Ich habe seit gestern 500 neue Follower*innen … und du?»).
Für alle die nicht regelmässig RTL schauen, ergab sich zusätzlich ein gewisses tägliches Rätselraten, wer denn hier eigentlich aus welchem Sendeformat bekannt sein könnte? Die Gespräche dazu waren ein guter Auftakt, um andere kennenzulernen.
Attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis Wenn man die Gruppe der Influencer*innen abzieht und das Sparactus-Team selbst nicht mitrechnet, blieben grob geschätzt 250 Gäste, die als reguläre Cruise-Teilnehmer*innen ab Gran Canaria mitfuhren. Dass Nicko Cruises als Ausführende der Reise bei solch geringer Auslastung einen Verlust von 100.000 Euro am Tag machten, ist nachvollziehbar. Trotzdem hat sich Nicko entschlossen, die Cruise nicht abzusagen.
Für diejenigen, die mitfuhren, war das ein echtes Geschenk: denn wer nicht nur wegen Party und Sex eingecheckt hatte, sondern zehn Tage Sonne während des grauen nordeuropäischen Winters wollte, wer Ruhe und Entspannung suchte in angenehmer LGBTIQ-Umgebung und wer zudem die diversen Inseln kennenlernen wollte bei Landgängen, der bekam ein unfassbar attraktives Preis-Leistungsverhältnis. Innenkabinen kosteten – bei voller Verpflegung an Bord (Getränke ausgenommen) – etwas über 1.000 Euro, was runtergerechnet auf 100 Euro pro Tag kommt.
Wenn man sich eine Kabine mit jemandem teilte, wurde es sogar noch günstiger. Und wenn man, wie das mein Ex aus Amsterdam tat, extrem Last-Minute buchte, konnte man sogar Angebote für 560 Euro ergattern. Für eine Reise dieses Luxusniveaus war das schlichtweg sensationell.
Unter den Gästen waren auch die beiden Kieler Thomas (46) und Stephan (59), beide regelmässige Kreuzfahrer. Sie hatten ihre Reise auf der Vasco da Gama im September 2021 gebucht. Dass es nun wegen Omikron so leer an Bord war, fanden sie «angenehmer, als wenn’s total voll ist», weil «familiärer». Verabredungen auf den Kabinen seien eher über Grindr & Co. gemacht worden, sagten sie. Dadurch war Sex im öffentlichen Raum «nicht so sichtbar» – was sie ebenfalls als «sehr angenehm» empfanden.
Aus Miami angereist Erfahrene Cruise-Reisende waren auch Richard (62) und Wayne (59) aus Miami. Sie haben zusammen bereits über 40 Schiffsreisen gemacht, darunter viele mit dem US-Anbieter Atlantis. Für die Anreise zur Sparatcus Cruise entschieden sie sich, weil diese als «deutsche» Reise angekündigt wurde und Richard und Wayne deutsche Männer durchaus «interessant» finden, wie sie zu MANNSCHAFT beim Frühstück sagten.
Wayne und Richard fehlte auf dieser Cruise eigentlich nur «ein interessantes Tagesprogramm»: «Etwas, worauf man sich beim Abendessen am Tag zuvor freuen und worüber man mit anderen diskutieren kann.» Stattdessen trat am ersten Reisetag Olga vor die versammelte Gruppe der neugierigen Cruise-Teilnehmenden und versuchte, Tagesausflüge anzupreisen, die teils mit Kaffee und Kuchen in einer Taverne enden. Das war – zumindest in diesem Kontext – nicht wirklich zielführend. Auch wenn Olga ihr Bestes tat, die Ausflüge interessant klingen zu lassen. Was sie grundsätzlich auch waren, weil alle angesteuerten Inseln reich an Sehenswürdigkeiten sind.
Auch Richard und Wayne fanden die Geisterschiff-Atmosphäre der ersten Tage ein bisschen «seltsam». Allerdings stuften sie die weitere Entwicklung als «gut» ein, weil sie alle Gäste «sehr freundlich zueinander» erlebten. Und die Stimmung stimmte. Positiv vermerkten sie, dass es keine Altersdiskrimierung gegeben habe, wie sie auf US-amerikanische Cruises allgegenwärtig sei, wo Muskelkerle aus Hollywood unter sich bleiben würden – und andere eher abfällig behandelten.
Beim von Nina Queer und Spartacus Cruise durchgeführten Wettbewerb zur besten Kabinentürdekoration gewannen Wayne und Richard übrigens am letzten Tag mit der Deko zu ihrer Balkonsuite auf Deck 10.
Die beiden Nürnberger In den Wochen vor der Abfahrt hatte Spartacus Cruise auf GayRomeo versucht, gezielt Menschen unter 30 mit Spezialangeboten zu locken, auch mit der Option, sich zu Viert oder Fünft eine Kabine zu teilen, um die Kosten nochmals zu reduzieren.
Die als Influencer eingeladenen TikToker Sven und Andy waren noch nie zuvor auf den Kanarischen Inseln und mieteten sich deshalb überall ein Auto, um gleich morgens loszufahren. Sie wollten so viel wie möglich sehen und von dieser Reiseregion erleben. Dadurch waren sie kaum an Bord, man sah sie nicht am Pool oder bei den Partys. Sie machten gezielt ihr eigenes Ding und waren damit glücklich. Denn bei solch einer Reise herrscht niemals Gruppenzwang. Jede*r konnte sich das Programm so zurechtlegen, wie es für ihn oder sie passte.
Die Atmosphäre auf ihrer ersten Schiffsreise fanden auch Sven und Andy «angenehm», selbst wenn sie sich oft «einsam» zwischen den überwiegend älteren Herren fühlten, wie sie zu MANNSCHAFT sagten. Trotzdem waren sie froh, bei diesem Abenteuer dabei gewesen zu sein.
Sie produzierten in den zehn Tagen viel Content für ihre Social-Media-Kanäle. Und so konnte man die beiden nicht nur zum Valentinstag mit schönen «Wir lieben uns sehr»-Posts sehen.
RuPaul’s Drag Race Zum Influencer-Kontingent gehörten auch Megan Schoonbrood (33) und Miss Abby OMG (27) aus Amsterdam, beide Teilnehmer*innen von «RuPaul‘s Drag Race» in der NL-Ausgabe. Beim Gespräch am Pool mit MANNSCHAFT war auch Brandon (40) dabei, DJ aus Chicago. Ihm hatten Freunde aus Deutschland die Cruise empfohlen. Dass nur 300 Passagiere an Bord waren, hatte für ihn eher Vorteile. Denn: «Man musste nie warten, um ins Gym zu kommen, im Poolbereich gab es immer freie Liegen, in allen Restaurants bekam man sofort einen Platz.» Das sei auf anderen Cruises deutlich anders – und nerviger.
Brandon erklärte sich bereit, als DJ bei einer abendlichen Poolparty aufzulegen. Auch Megan Schoonbrood und Miss Abby OMG übernahmen kurzentschlossen einen Auftritt: sie traten als Vorprogramm einer Abendshow auf. Was perfekt den Geschmack des Publikums traf, das lautstark jubelte über die doppelte Drag Performance.
Chanson-Abend mit Rainer Bielfeldt Gejubelt wurde auch, als der Liedermacher Rainer Bielfeldt mit einem Chanson-Programm auftrat. Es bot eine angenehme Alternative zu den hämmernden Bässen der Poolpartys und eine andere Art von Gay Culture – leiser, nachdenklicher. (MANNSCHAFT+ sprach mit Rainer Bielfeldt über seine Cruise-Erlebnisse und sein neues Album «orongsch», das er auf der Vasco da Gama vorstellte.)
Für mich selbst als Reiseteilnehmer war die Bekanntschaft mit Rainer Bielfeldt und Ehemann Tiago ein Highlight der Reise, nicht nur, weil wir zusammen meinen 55. Geburtstag in einer der Zwischendeck-Lounges feierten. Sondern weil es eine Freude war, sich mit Bielfeldt über Musik und Musicals auszutauschen (zum Beispiel über das wunderbare LGBTIQ-Musical «Cruising» aus den 1990er-Jahren, das von einer queeren Schiffsreise handelt).
«Eine ideale Zeit» Als einer von mehreren Medienvertretern war Martin Darling aus Wien an Bord, ein erfahrer Cruiser mit vielen Vergleichsmöglichkeiten. Er fand es super, «dass es was Neues von einem neuen Reiseanbieter» gab, weil dadurch das Spektrum des LGBTIQ-Markts erweitert würde.
Darling hat bereits an 15 Cruises teilgenommen. Er selbst habe auf der Vasco da Gama viele nette Leute kennengelernt, erzählt er im MANNSCHAFT-Interview, und er habe sich ganz gezielt unter die Influencer*innen gemischt, um mit ihnen schlaflose Nächte zu verbringen. Darling erklärt: Das Finden einer eigenen Clique sei Voraussetzung für jede gute Kreuzfahrt!
Das kann ich nur bestätigen. Die Ruhe an Bord, das endlose Meer, die wunderbaren Lounge-Abende mit Musik von Ivan und Ruben (und seiner Gruppe) sowie die Inselausflüge waren absolut toll.
Auf den Kabinen lagen u. a. Ausgaben von «Spartacus Traveler» und vom «Mate»-Magazins aus, denen man entnehmen konnte, dass die Vasco da Gama ein besonders umweltfreundliches Schiff sei. Ich fragte mich, ob das als Info für Klimaaktivist*innen gedacht war, um sie zu überzeugen, an der nächsten Spartacus Cruise teilzunehmen, die im Mai 2023 durchs Mittelmeer gehen soll, mit Stopps an diversen italienischen Häfen.
Apropos: Ebenfalls auf den Kabinen lagen jeden Abend neue Vorräte von Gleitgel aus, hübsch verpackt mit Regenbogen-Logo. Man könnte das als gezielte Themenschwerpunktsetzung des Veranstalters betrachten, neben Klimaschutz.
Essen als «Sex des Alters» Wenn ich selbst auf diese zehn Tage auf dem Schiff zurückschaue, kann ich nur sagen, dass es der beste Winterausflug in die Sonne war, den ich je gemacht habe. Das Leben an Bord flutschte ungemein relaxed dahin, was nichts mit dem üppig verteilten Gleitgel zu tun hatte.
Die Vasco da Gama ist von der Einrichtung und von der Grösse her ein Kreuzfahrtschiff, auf dem ich mich wohl fühlte. Das sei bei der Wahl einer Kreuzfahrt essentiell, wie ich vom belgischen LGBTIQ-Reisebüroinhaber Ivo van de Velde gelernt habe: Man wähle primär das Schiff aus, auf dem man fahren wolle, denn dieses bestimmte die Atmosphäre der Reise.
Mit der VdG würde ich sofort wieder fahren wollen, weil die dezente Eleganz mit ihrem leichten Retro-Touch sich für mich gut anfühlte. Ob Sven und Andy das auch so sehen mit ihren 19 Jahren, ist eine andere Frage.
Und für alle, die gutes Essen als «Sex des Alters» betrachten: Die 7-Gänge-Menüs sowie überhaupt die «all inclusive»-Verpflegung auf der Vasco da Gama war herausragend. Ebenso der Bord- und Kabinenservice. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass man so aufmerksam mit Gästen umgehen kann, wie das der 34-jährige Steward aus Bali auf unserem Deck tat.
Er hat in den einzelnen Kabinen so einiges auf dieser Reise gesehen, wie er mit einem Lächeln sagte. Aber was genau, das bleibe sein «Geheimnis».
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