Soll man sich heute noch outen müssen? In unserem Coming-out-Special antworten neun Menschen – dies ist die Geschichte von Helle aus Alsting.

«Ich bin 37 Jahre alt und habe mich mit 16 geoutet, als ich meinen ersten Freund kennenlernte. Meiner Meinung nach muss jede Person für sich entscheiden, ob er oder sie sich outet. Eigentlich sollte ein Coming-out nicht nötig sein, da es keine Rolle spielt, wen ein Mensch liebt.

Mein Coming-out war für mich einerseits ein Befreiungsschlag, andererseits auch die Hölle. Ich hatte einen homophoben Stiefvater, der mich schon vorher seelisch und körperlich misshandelt hatte – danach erreichte er seine Höchststufe.

Meine Mutter stand damals im Zwiespalt und somit nicht 100 Prozent hinter mir. Ich verlor jegliches Selbstbewusstsein und wollte zeitweise nicht mehr so weiterleben. Schliesslich musste ich mit 17 von zuhause ausziehen und mein Leben allein auf die Reihe bekommen – als junger Mann mit seinem ersten Freund ohne wirkliche Erfahrungen im Leben.

Das war nicht immer einfach, aber ich habe mich durchgeboxt. Die schlimmen Erfahrungen aus meiner Vergangenheit machten mich Stück für Stück stärker und wieder selbstbewusster.

Heute lebe ich offen homosexuell, ob privat oder auf meiner Arbeit. Es interessiert mich nicht mehr, ob Leute das gut oder schlecht finden. Man sollte zu sich selbst stehen und seinen Weg gehen, ob geoutet oder nicht.

Sollte ein Coming-out zu Problemen führen, empfehle ich, sich Hilfe bei Freund*innen oder Expert*innen zu holen.»

Hier gibt’s weitere Porträts zum «Coming-out-Day 2022».