«Hermaphrodite» Hauptfigur: Bestseller «Middlesex» wird TV-Serie

Der Bestseller von Jeffrey Eugenides wird jetzt von Paramount Television Studios zur Serie entwickelt

Eine Familiensaga mit dem «Thrill» und der «Faszination» einer aktuellen «Gender-Extravaganza»? Der Erfolgsroman von Jeffrey Eugenides wird zur Fernsehserie (Symbolfoto: Michael Prewett / Unsplash)
Eine Familiensaga mit dem «Thrill» und der «Faszination» einer aktuellen «Gender-Extravaganza»? Der Erfolgsroman von Jeffrey Eugenides wird zur Fernsehserie (Symbolfoto: Michael Prewett / Unsplash)

Als der Roman «Middlesex» 2002 erschien, war das eine literarische Sensation: ein Buch mit einer «hermaphroditen» Hauptfigur, deren Familie aus Griechenland in die USA kommt, die als «Mädchen» aufwächst und dann als «männlicher» Diplomat nach Berlin geht. Der Versuch, aus dem Stoff eine HBO-Serie zu machen, scheiterte. Jetzt kommt die Serie doch.

Der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Roman von Jeffrey Eugenides erzählt die Geschichte des Einwandererkindes Cal, das als Calliope in den 1960er-Jahren in Detroit aufwächst: als Mädchen. Als Calliope in die Pubertät kommt, merkt sie, dass sich ihr Körper verändert und die Geschlechtsmerkmale nicht mehr eindeutig sind. Was im Roman in Bezug gesetzt wird zur griechischen Mythologie. Nach einem Verkehrsunfall entdeckt ein Ambulanzarzt Calliopes «Geheimnis» und überweist sie an einen Spezialisten, der sie mit einer Operation endgültig zur «Frau» machen soll. Kurz vor der OP sieht Calliope ihre Krankenakte und erfährt, dass sie von den genetischen Anlagen eigentlich ein Junge ist. Calliope flüchtet, nimmt eine männliche Identität an und nennt sich fortan Cal. (MANNSCHAFT berichtete über Genital-Verstümmelungen und sonstige nicht-notwendige und nicht-konsensuelle Behandlungen von Intersexuellen in der EU.)

In einer Rahmenhandlung geht es darum, wie Cal später als Diplomat in der US-Botschaft in Berlin arbeitet, wo er sich in eine Fotografin verliebt. Er zögert, sich auf eine Beziehung einzulassen, weil er keine eindeutigen männlichen Geschlechtsmerkmale hat. Erst am Ende des Buches lüftet er sein Geheimnis gegenüber seiner Freundin, die ihn in seiner Identität akzeptiert und die Beziehung aufrechterhält.

Soweit die stark verkürzte Fassung der sehr einfühlsam und ausufernd erzählten Familiengeschichte von Cal/Calliope.

Kann es ein «wahres Geschlecht» überhaupt geben? Als das Buch auf Deutsch erschien, schrieb die taz: «Der Titel führt auf Abwege. ‹Middlesex›, das verspricht nach all dem, was man über Jeffrey Eugenides und seine […] Familiensaga bereits gehört hat, den Thrill und die Faszination aktueller Gender-Extravaganza. Wo ist die Mitte zwischen männlich und weiblich? Was liegt zwischen den Geschlechtern? Und vor allem: Wie fühlt sich das an, im Leben und in der Liebe? Schliesslich macht Eugenides von Beginn an kein Geheimnis aus dem schicksalsbringenden Würfelwurf der Natur und verrät schon im ersten Satz, dass der Erzähler von ‹Middlesex› gleich zweimal geboren wurde: als kleines Mädchen Calliope, ‹an einem bemerkenswert smogfreien Januartag 1960›, und als halbwüchsiger Junge namens Cal im August 14 Jahre später.»

In den Worten von Rezensent Harad Fricke geht es genau um diese Ambivalenz: «Aufgewachsen als Mädchen entdeckt Calliope ihr zweites Geschlecht, dessen männlicher Genpool in ihr überwiegt. Gegen alle soziale Prägung, nach den Torturen einer aufgezwungenen Weiblichkeit mit Wachsenthaarung und ausgestopften Büstenhaltern, lässt Eugenides seine Erzählfigur die Freiheit selbstbestimmter Sexualität wählen. Ein nicht eben unumstrittenes Ansinnen, hatte Michel Foucault mit seinem Essay über Hermaphrodismus gerade in Frage gestellt, ob es das ‹wahre Geschlecht› überhaupt geben kann.»

Im Roman ist die «Wahrheit» jedoch die «Echtheit der Empfindungen» der Hauptfigur. Und die sind ziemlich «queer», wie man heute sagen würde. Mit seiner Geschichte bewegt sich Eugenides «auf Konfliktkurs an praktisch allen Sexfronten», hiess es damals in der taz: «Weder Heterosexualität noch Homosexualität taugen als Lösung, zu verschlungen sind die Wege im Falschen. Aus Verzweiflung schläft Calliope mit dem Bruder der Angebeteten, doch in ihrer Fantasie findet der Sex mit dem Mädchen statt.»

Weder Heterosexualität noch Homosexualität taugen als Lösung, zu verschlungen sind die Wege

Fokus auf Fantasy Natürlich wurde wegen glänzender Verkaufszahlen des Bestsellers schnell daran gearbeitet, das Buch weiterzuverwerten. HBO versuchte daraus eine Serie zu entwickeln, bevor das Studio mit «Game of Thrones» seinen Fokus auf Fantasy-Serien verlegte.

Middlesex
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Diese Woche hat das Branchenblatt Variety nun exklusiv gemeldet, dass Paramount Television Studios die TV-Rechte an «Middlesex» erworben hat, ohne das bislang ein konkreter Sender oder Streamingdienst genannt wurde, der die Serie dann ausstrahlen soll.

Dafür ist aber bekannt, wer am Projekt arbeitet. Das Drehbuch schreibt laut Variety David Manson, von dem auch Netflix-Erfolgsserien wie «House of Cards», «Ozark» und «Bloodlines» stammen.

Die Regie soll Sam Taylor Johnson übernehmen, die verantwortlich war für die Blockbuster-Adaption von «Fifty Shades of Grey» mit Jamie Dornan.

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Zu den bekannten Projekten von Paramount TV Studios gehören u. a. aktuelle Serien-Hits wie «Jack Ryan» mit John Krasinski bei Amazon, Apples «Home Before Dark» und «Defending Jacob» sowie die Anthologie «The Haunting» auf Netflix.

Sollte das neue Projekt erfolgreich sein, wäre es die dritte Filmadaption eines Eugenides Werks: Sein Debütroman «The Virgin Suicides» wurde 1999 von Sofia Coppola verfilmt, seine Kurzgeschichte «Baster» 2010 zu dem Film «The Switch/Umständlich verliebt» mit Jennifer Aniston und Jason Bateman. Es geht darin um eine 40-jährige Singlefrau, die ein Kind will und dafür einen Samenspender sucht.

Sichtbarkeit von Intersexualität Wer die Rolle von Cal/ Calliope übernehmen könnte – oder zumindest dafür im Gespräch ist – wird von Variety nicht verraten.

Wie Cal hat übrigens auch Jeffrey Eugenides einen griechisch-amerikanischen Hintergrund. Der inzwischen 60-jährige Autor lebte ebenfalls einige Zeit in Berlin, und seine Frau hat wie Cals Fotografenfreundin einen japanischen Namen.

OPs an inter Kindern sollen weitgehend verboten werden

Der Roman gilt laut Fachpresse als einer der besten des frühen 21. Jahrhunderts. Und mit seiner Gender vs. Sex Thematik passt er nahezu ideal zu vielen der aktuellen Diskussionen in der LGBTIQ-Community. Und sorgt für mehr Aufmerksamkeit für das oft mitgenannte, aber vielfach ignorierte «I». Besonders wenn die Serie fertig sein wird.

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