«Freddie Mercury hat sich nie in eine Schublade stecken lassen»

Rami Malek verkörpert im Film «Bohemian Rhapsody» den legendären Queen-Sänger

Rami Malek verkörpert im Film «Bohemian Rhapsody» die einzigartige Legende Freddie Mercury. Mit der MANNSCHAFT sprach der Schauspieler über diese grosse Herausforderung und den geheimnisvollen Mythos, der den ikonischen Superstar bis heute umgibt.

Es ist ein anstrengender Tag für Rami Malek. Der 37-jährige Schauspieler ist in Berlin, um Interviews für den Film «Bohemian Rhapsody» zu geben. Nach allen anderen Medien ist die MANNSCHAFT als Letzte an der Reihe, doch Malek will sich nichts anmerken lassen. «Ich bin wirklich müde. Aber keine Sorge: Das ist mein letztes Interview, also gebe ich dir das Beste, Darling!», sagt er lachend und fügt hinzu: «Das ist ein Originalzitat von Freddie!»

Nach einer acht Jahre langen Produktion startet der biografische Film über die Rockband Queen und deren Frontmann Freddie Mercury am 31. Oktober in den Kinos. Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt und die Richtung des Films sorgten zwischen dem früheren Hauptdarsteller Sacha Baron Cohen und den überlebenden Bandmitgliedern von Queen, die über ein Mitspracherecht verfügten, für Reibereien. Cohen wollte das ausschweifende Leben Freddie Mercurys mit all seinen Höhen und Tiefen zeigen. Der Band schwebte hingegen ein familienfreundliches Porträt vor. Nach Cohens Abgang Ende 2013 wurde der Schauspieler Ben Whishaw («Skyfall») als mögliche Besetzung für die Rolle von Freddie Mercury gehandelt, bis schliesslich Rami Malek Ende 2016 bestätigt wurde. 

Aufgewachsen in Indien und Sansibar Malek gibt zu, eigentlich gar nicht viel über Freddie Mercury gewusst zu haben, als er für die Rolle ins Gespräch kam und nach Los Angeles geflogen wurde, um die Produzenten zu treffen. «Natürlich kannte ich seine Musik, all diese grossartigen Queen-Hits», sagt er. «Und ich hatte einige sehr ikonische Bilder und Outfits von Freddie im Kopf. Aber über ihn als Mensch wusste ich kaum etwas.»

In seiner Recherche über Freddie und sein Leben begann Malek aufzusaugen, was er an Informationen finden konnte. Dabei versuchte er alles auszublenden, was ihn an Mythos und Legenden umgab. «Ich kann schliesslich keinen gottgleichen Künstler spielen, der auf der Bühne einen direkten Draht in den Himmel zu haben scheint. Daran auch nur zu denken, wirkt sich lähmend aus», sagt er. Je mehr er sich vor Augen führte, dass unter all diesem Überbau ein Mensch aus Fleisch und Blut steckte, desto eher erkannte er eine Aufgabe, der er gewachsen zu sein schien. «Denn Menschen aus Fleisch und Blut verkörpere ich immer wieder, auch wenn manche exzentrischer sind als andere.»

Malek recherchierte nicht nur den grossen Ausnahmekünstler auf und abseits der Bühne, sondern auch seine Kindheit. Freddie Mercury, der mit bürgerlichem Namen Farrokh Bulsara hiess, stammte aus einfachen Verhältnissen. Als Sohn einer von den Parsen abstammenden Familie wuchs Freddie – wie er in der Schule gern genannt wurde – mehrheitlich in Indien und im Sultanat Sansibar auf, ein Teil des heutigen Tansania. Als Freddie 17 Jahre alt war, flüchtete er mit seiner Familie am Vorabend der Sansibarrevolution nach England, wo er Kunst und Grafikdesign studierte und schliesslich den Gitarristen Brian May und den Schlagzeuger Roger Taylor kennen lernte und mit ihnen die Band Queen gründete. Es war zu dieser Zeit, dass Freddie seinen Nachnamen zu Mercury änderte.

Der schwule Unterton im Namen Queen war gewollt Er litt an einem vergrössertem Überbiss, den er in späteren Jahren mit einem Schnauz zu kaschieren versuchte. Als Einwanderer in England musste er sich daran gewöhnen, dass die wenigsten so aussahen wie er – ein Gefühl, das Malek als Sohn ägyptischer Einwanderer in den USA nur zu gut kennt. «Freddies Leben ist die sehr komplexe und facettenreiche Geschichte einer Suche nach Identität. Nicht nur, was das Leben in einem fremden Land angeht, sondern später natürlich auch in sexueller Hinsicht», sagt er. 

Freddie war Namensgeber der Band Queen und gestaltete sowohl den Schriftzug als auch das Logo. «Der schwule Unterton im Namen war mir durchaus bekannt, ist aber nur eine Facette davon», soll er später einmal in einem Interview gesagt haben. 

Über seine Sexualität verlor er gegenüber der Presse aber nie ein Wort. Der Film «Bohemian Rhapsody» zeigt seine Beziehung zu seiner langjährigen Freundin Mary Austin, aber auch, wie er später seinen Lebensgefährten Jim Hutton kennen lernt. Freddie selbst nennt sich an einer Stelle bisexuell, Mary sagt, er sei schwul. «Freddie liess sich in keinem Interview je dazu verleiten, irgendetwas zu sagen, was er nicht sagen wollte», sagt Malek. «Darin war er ein Meister. Er hat sich nie in irgendeine Schublade stecken oder sich ein Label verpassen lassen, sondern einfach immer nur versucht, sich selbst zu sein.»

Das habe ihn schliesslich auch zu einem solch ungewöhnlichen Performer gemacht, denn Freddie habe sich zu jedem Zeitpunkt in jemand anderen verwandeln können, um so jeder einzelnen Zuschauerin und jedem einzelnen Zuhörer als Identifikationsfigur dienen. «Es war mir wichtig, all das im Film zu zeigen und ihn nicht durch irgendeine Definition einzuschränken.»

«Freddie versteckte sich nie» Nicht wenige Stimmen monieren, dass ein öffentliches Coming-out zu Lebzeiten Freddie Mercurys viel bedeutet hätte und einen grossen Beitrag zur Akzeptanz von homo- und bisexuellen Lebensweisen hätte leisten können. Auch im Kampf gegen die Stigmatisierung von Menschen, die an AIDS erkrankt waren, hätte er viel bewirken können, zumal er selbst 1991 im Alter von 45 Jahren an den Folgen der Immunschwäche starb. «Nach allen Einblicken, die ich in seine Persönlichkeit gewinnen konnte, war der Grund dafür, dass er all das nicht wollte, weniger die Angst um seine Karriere», sagt Malek. Er habe sich einfach nicht auf irgendetwas festlegen wollen. «Ihm ging es um grösstmögliche Freiheit. Heute zeige ich diese Seite von mir, morgen jene, aber immer bin ich mir selbst treu. Akzeptiert das oder lasst es bleiben, aber ich verbiege mich nicht. Das war sein Motto.»

In München bewegte er sich sehr frei in der Schuwlenszene Obwohl Freddie nie offen über sein Innenleben sprach, so versteckte oder verleugnete er sich auch nicht. In seinen Jahren in München bewegte er sich sehr frei in der Schwulenszene. Malek ist überzeugt, dass sich Freddie auch heute noch genauso verhalten würde, wenn er noch am Leben wäre: «Kompromisse eingehen, sich verstecken und verbiegen, das war einfach nicht Teil seiner DNA, ganz gleich ob im 16. Jahrhundert, in den Achtzigerjahren oder in der Zukunft.»

«Bohemian Rhapsody» zeigt auch Freddies Beziehung zu seinem langjährigen Manager Paul Prenter, der sein engster Vertrauter war, bevor es zum Zerwürfnis kam. Der Superstar hatte eine solch elektrisierende Präsenz, dass wohl jede Person, die näher mit ihm zu tun hatte, sich auf die eine oder andere Weise in ihn verknallte, so Malek.

«Wie genau es um Pauls Gefühle bestellt war, kann ich natürlich unmöglich sagen. Ich weiss nur, dass Freddie mir immer bis zu einem gewissen Grad ein Rätsel geblieben ist, egal wie viel ich recherchiert und mit wem ich auch gesprochen habe. Auf jeden Fall war Paul jemand, der Freddie vieles besorgen konnte, was er brauchte oder wollte – und sicherlich in mancher Situation nicht nur sein Bestes im Sinn hatte.» Vielleicht sei mal etwas zwischen ihnen gelaufen, ein Paar seien sie aber nie gewesen. «Freddie hat ja nichts anbrennen lassen. Aber dazu ist mir nichts Näheres bekannt.»

Bandmitglieder trauern immer noch Während der Dreharbeiten konnte Malek auf die Unterstützung der Bandmitglieder May und Taylor zählen, die eng in die Produktion eingebunden waren. Ob diese Nähe immer hilfreich war? «Es war zumindest nicht hinderlich, sagen wir es so», sagt Malek. Man dürfe nicht vergessen, dass die beiden einen ihrer engsten Freunde und Wegbegleiter viel zu früh an eine furchtbare Krankheit verloren hätten und darunter immer noch litten. «Das merkt man ihnen immer an, sobald man auf Freddie zu sprechen kommt. Deswegen habe ich mir immer Mühe gegeben, nicht zu aufdringlich zu sein mit meinen Fragen.» Statt nach konkreten Details zu bohren, war es für Malek aufschlussreicher, die beiden einfach erzählen zu lassen und beim Zuhören mehr über Freddie und das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander zu erfahren.

Ein Film über Freddie Mercury und Queen wäre nicht komplett ohne die Konzerte der Band, die in «Bohemian Rhapsody» zu den stärksten Szenen gehören. Wie viel Rampensau und Showman steckt in Rami Malek? «Rampensau ist vielleicht nicht das passende Wort», sagt er lachend. «Aber Showman bin ich zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, sonst wäre ich wohl kaum Schauspieler geworden. Die grösste Pa­ral­lele zwischen Freddie und mir ist sicher der Wunsch nach Privatsphäre. Aber auch wenn ich vermutlich deutlich schüchterner und zurückhaltender wirke als er, würde ich schon auch behaupten, dass ich eine gewisse Ausstrahlung und Präsenz habe.»

Eine bedeutende Rolle im Film spielen auch die vielen legendären Outfits, die von Freddie Mercury nicht wegzudenken sind. Zu Maleks Favoriten zählt das Harlekin-Kostüm, ein enger, schwarz-weisser Einteiler mit dem tiefen Ausschnitt, den Freddie während vieler Konzerte in den Siebzigerjahren zu tragen pflegte. «All die Anproben und die Stunden, die für Haare und Make-up drauf gingen, habe ich sehr geliebt», sagt er. «In diesen Momenten, bevor die Kamera lief, habe ich mich Freddie besonders nahe gefühlt, denn er musste das ja auch alles ständig über sich ergehen lassen.» Auch das weisse Satinkostüm der Designerin Zandra Rhodes mit den Rüschen und den weiten Ärmeln hat es Malek angetan. «Als ich es das erste Mal anzog, musste ich richtig kichern vor Freude, weil es so unglaublich ikonisch ist. Das war ohne Frage einer von vielen Momenten bei diesem Film, in denen ich kaum glauben konnte, dass ich sie wirklich erlebe.»  

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