ESC 2023: Schweden gewinnt, Deutschland wieder Letzter

Israel und Italien landeten weit vorne

Foto: Aaron Chown/PA Wire/dpa
Foto: Aaron Chown/PA Wire/dpa

Wie lief der Eurovision Song Contest? Für Deutschland erneut mies. Wer hat triumphiert, worüber wurde bei der weltgrössten TV-Musikshow gelacht, geweint, getwittert? Die ESC-Nacht im Überblick.

Die Pechsträhne nimmt kein Ende: Deutschland ist beim Eurovision Song Contest mal wieder Letzter geworden. Die Schweiz, vertreten durch Remo Forrer, landete auf Platz 20, Österreich belegte am Ende des Abends Platz 15.

Schweden hat den ESC zum siebten Mal gewonnen. Die Sängerin Loreen errang zum zweiten Mal für ihr Land den Sieg bei der grössten Musikshow der Welt. 2012 war ihr dies mit «Euphoria» gelungen, diesmal schaffte sie es mit dem recht ähnlich klingenden «Tattoo». Bislang hatte es nur einen zweifachen ESC-Sieger gegeben: den Iren Johnny Logan – das war 1980 und 1987, als der Grand Prix noch viel kleiner war.

Finnland wurde in der Nacht zum Sonntag Zweiter, gefolgt von Israel, Italien, Norwegen und der Ukraine. Österreich landete auf Platz 15, die Schweiz auf Rang 20.

#Deutschland wieder ganz hinten Willst du Deutschland oben sehen, musst du die Tabelle drehen: Das war zuletzt fast immer das Fazit nach dem ESC. Deutschland landete diesmal mit der Hamburger Dark-Rock-Band Lord Of The Lost ganz hinten, wie dies schon 2022, 2016 und 2015 der Fall war. Die deutsche Pleiteserie der vergangenen Jahre mit letzten oder (2021, 2019, 2017) vorletzten Plätzen unterbrach 2018 lediglich Michael Schulte mit einem vierten Platz. «Natürlich ist das hart, auf dem letzten Platz zu landen», sagte Lord-Of-The-Lost-Sänger Chris Harms nach der Show. Aber das könne «diese unfassbar schöne Erfahrung nicht vermiesen». Sie würden «jederzeit wieder mitmachen». Sie machten jetzt einfach weiter. «Wir haben jetzt den Festivalsommer. Wir haben zig ausverkaufte Shows. Wir gehen mit Iron Maiden auf Tour in Europa.»

#Die Siegerin Loreen verdankt ihren Sieg vor allem den Jury-Votes, bei denen sie 340 Punkte bekam. Von den Zuschauern kamen 243 hinzu (zusammen 583). Die schwedische Sängerin mit langen Krallenfingernägeln ist 39 Jahre alt und stammt aus Stockholm. Mit «Euphoria» hatte sie vor elf Jahren nicht nur den ESC-Titel eingeheimst, sondern war damals auch in Deutschland und weiteren Ländern an die Spitze der Charts gestürmt. Seitdem war es international wieder ruhiger um die Schwedin geworden.



#Der Sieger der Herzen oder zumindest des TV-Publikums Bei den TV-Zuschauern lag mit 376 Punkten eindeutig Finnlands Rap-Metal-Elektro-Lied vorne (plus 150 Jury-Punkte; gesamt 526). Auch bei den deutschen Fernsehzuschauer*innen war Finnland die Nummer eins, gefolgt von Italien, Albanien, der Ukraine, Kroatien, Norwegen, Polen, Schweiz, Belgien und Schweden. Mit nacktem Oberkörper und einer Art neongrünem Bolero um die Schultern begeisterte der 29 Jahre alte Sänger Kääjirä (eigentlich Jere Pöyhönen) mit seiner wilden Nummer «Cha Cha Cha». Das schrille Lied mit eingängigem Pop-Refrain und einem pinken Ballettquartett – mit absichtlich debil grinsenden Tänzer*innen – war nahezu massgeschneidert für den ESC. Auf der Brust trägt Kääjirä übrigens ein Tattoo, das an das Logo seiner Lieblingsband Rammstein erinnert – ein Vorbild, das man auch aus «Cha Cha Cha» heraushören kann. Schon 2006 machte ein finnischer Beitrag mit einem sehr ungewöhnlichen Auftritt von sich reden. Damals holten die als Monster verkleideten Musiker der Heavy-Metal-Band Lordi mit «Hard Rock Hallelujah» den Sieg für das nordische Land.

#Die Teilnehmer*innen 26 Lieder konkurrierten im Finale. Insgesamt nahmen am ESC diesmal 37 Länder teil. 11 Beiträge wurden in den Semifinals am 9. und 11. Mai aussortiert. Neben Deutschland sind als große Geldgeber automatisch Frankreich, Grossbritannien, Italien und Spanien fürs Finale gesetzt, ebenso der Vorjahressieger, also diesmal die Ukraine.

#Der Auftakt der Show Das grosse Finale begann mit einem Einspieler mit Szenen unter anderem aus Kiew vom Maidan – wo sich Sänger Oleh Psjuk vom Kalush Orchestra einen Kaffee holte und wo in der U-Bahn-Station getanzt wurde. Dann traten die Vorjahressieger auch live in der Halle auf. Der 67. Eurovision Song Contest fand im englischen Liverpool statt, auch wenn 2022 die Ukraine in Turin gewonnen hatte. Grossbritannien war als zweitplatziertes Land für die vom russischen Angriffskrieg heimgesuchte Ukraine als Gastgeberland eingesprungen.

#Royale Grüsse Prinzessin Kate sass in dem kleinen Einspieler zum Auftakt in einer Szene am Klavier. Die Frau von Thronfolger Prinz William trug ein blaues Kleid. Auf dem Instagram-Account von William und Kate wurde das Video ebenfalls veröffentlicht. Es sei ihr eine Freude gewesen, bei der Aktion mit dem Kalush Orchestra dabei gewesen zu sein.

#Die Flaggenparade Mit einem Einmarsch und einer Flag-Parade wie bei Olympia ging die Show weiter. Die deutsche Band Lord Of The Lost verzichtete jedoch auf eine schwarz-rot-goldene Flagge, was manche bei Twitter monierten. Marco Mengoni aus Italien trug dafür zwei Flaggen, die seines Heimatlandes und die Progress-Pride-Flagge.

Die Moderator*innen Nachdem die Halbfinals die ukrainische Sängerin Julia Sanina, die «Britain’s Got Talent»-Jurorin Alesha Dixon und die Schauspielerin Hannah Waddingham moderiert hatten, kam zum Finale der Talkmaster und ESC-Experte Graham Norton hinzu. Warmherzig führten die Vier durch die Show. Zur Ukraine-Flagge passend trug Dixon ein blaues Kleid und Sanina ein gelbes. Die spannende Punktepräsentation moderierten Waddingham und Norton. Die 48-jährige Waddingham wurde von dem aus Hamburg zugeschalteten deutschen Punkte-Verkünder Elton angemacht. Ob sie einen Biskuit von ihm nehme, fragte der 52-Jährige. «Es ist Jury, nicht Tinder», kommentierte Norton diesen Witzversuch from Germany.

Der emotionalste Moment Der ganze Saal stimmte mit ein, als der niederländische Musiker und ESC-Sieger von 2019, Duncan Laurence, mit Moderatorinnen und Moderatoren der Vorjahre den Klassiker «You’ll Never Walk Alone» sang. Dazu wurden viele Ukraine-Flaggen geschwenkt. Tränen der Rührung flossen. Das Lied von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein aus dem 1945 uraufgeführten Musical «Carousel» ermutigt dazu, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Es wurde in den 60ern durch die Liverpooler Band Gerry and the Pacemakers berühmt und ist seitdem die Stadionhymnne des FC Liverpool. An diesem Abend war es eine bewegende Geste an die Ukraine, die unter Russlands Angriffskrieg leidet und deshalb den ESC 2023 nicht hatte austragen können.

Der bitterste Moment Während in Liverpool die Zuschauer feierten, wurde die Heimatstadt der ukrainischen ESC-Teilnehmer Tvorchi von Russland angegriffen. Kurz vor dem Auftritt des Duos erschütterten Explosionen russischer Raketen die Stadt Ternopil in der Westukraine. Das teilten die Behörden mit und riefen die Bewohner auf, Schutzräume aufzusuchen.

Peter Urbans letzte Worte «Es war mir immer ein Vergnügen und eine grosse Ehre», sagte Peter Urban (75), als er sich nach einem Vierteljahrhundert als ESC-Kommentator vom deutschen TV-Publikum verabschiedete (MANNSCHAFT berichtete). In den nächsten Jahren könne er den ESC nun gemeinsam mit seiner Familie schauen. Er dankte den Zuschauern für die Treue, «auch in den Jahren, wenn es für uns nicht so gut lief». Und: «Von einem wunderbaren ESC in Liverpool sage ich bye-bye. Ihr Peter Urban. Danke.»

Die alternativen Kommentatoren Für den Österreichischen Rundfunk (ORF) kommentierten derweil die Entertainer Jan Böhmermann und Olli Schulz den ESC (MANNSCHAFT berichtete)  und fanden mitunter deutliche Worte für einige Acts. Sie redeten im Radiosender FM4 sogar während der Auftritte oder sangen bei Liedern mit oder assen etwas. Obwohl sie für Österreich am Mikrofon sassen, sprachen Böhmermann und Schulz recht oft über Deutschland.

Das könnte dich auch interessieren