Die Drag-Offensive auf Basel

Gestartet von Odette Hella'Grand

Odette Hella’Grand will die Drag-Kunst in die Welt hinaustragen. (Bild: Tobias Güttinger)
Odette Hella’Grand will die Drag-Kunst in die Welt hinaustragen. (Bild: Tobias Güttinger)

Von Bingo und Burlesque bis hin zum Rockkonzert: In Basel gehen gleich mehrere Drag-Events über die Bühne. Dragqueen Odette Hella’Grand zieht hinter den Kulissen die Fäden.

Niemand kann sagen, dass in der Basler LGBTIQ-­Szene nichts läuft. Nebst der wöchentlichen Zischbar, den Partyreihen «La Messe», «ok sebastién», «Rainbow – Feel the Heaven» und «queerPlanet» sowie dem letzte Woche zu Ende gegangenen «Luststreifen»-Filmfestival bereichern mehrere Drag-Events den queeren Kalender der kommenden Monate.

Hinter den Veranstaltungen steckt Odette Hella’Grand, die mit einer Körpergrösse von 220 cm – Haare und Absätze inbegriffen – ihrem Namen alle Ehre macht. Die Basler Dragqueen ist aber mehr als nur Lokalprominenz. 2016 staubte sie beim «Heaven Drag Race» in Zürich das Krönchen ab, gewann die «Drag Race» in Arosa, und an der letztjährigen Zurich Pride moderierte sie auf der grossen Bühne

Preise im Wert von über 10’000 Franken Als Organisatorin angefangen hat Odette mit «Odette’s Bingo» vor zwei Jahren, nachdem sie mit Freunden in Amsterdam und Berlin ein Gay-Bingo besucht hatte. «Das waren riesige Events in grossen Fabrikhallen, bei denen man lange Schlange stehen musste», erinnert sie sich. Zwischen den Bingorunden gabs Prosecco und Showeinlagen der moderierenden Drags. Odette war begeistert. Das müsse man in der Schweiz auch machen. 

«Odette’s Bingo» hat sich seit seiner ersten Austragung in der Zischbar als Publikumsmagnet etabliert und erhielt durch einen Beitrag des Regionalsenders «Telebasel» zusätzlich Publicity. Doch der Erfolg ist in erster Linie Odettes gründlichen Vorbereitungen zu verdanken. Bereits Wochen vor der Veranstaltung investiert sie Stunden in das Organisieren der Preise. «Das heisst vor allem viel herumtelefonieren und E-Mails schreiben», sagt sie. So kommen jeweils Preise im Wert von über 10’000 Franken zusammen, darunter Schmuck, Kleidung, Kosmetik und Getränke, aber auch Ausgefalleneres wie Sextoys. Der Erlös der Bingo­karten – sie kosten je drei Franken und sind während vier Runden gültig – kommt jeweils einem gemeinnützigen LGBTIQ-­Zweck zugute, dieses Mal der Supportgruppe «Eclipse», die in Thessaloniki LGBTIQ-­Flüchtlinge unterstützt. Pro Abend werden jeweils 500 bis 700 Bingokarten verkauft, die Besucherzahl schätzt Odette auf rund 300 Personen.

Ein Mann, der sich besser schminken kann als so manche Frau und in Highheels daherkommt – für viele ist das ein regelrechter Mindfuck.

Attraktiv bei Heteros Letzte Woche fand in der Bar «Soho Basel» zum ersten Mal «Queen’s Gathering» statt, eine Burlesque- und Travestieshow im klassischen Sinne. Schützenhilfe erhielt Odette dabei von Dita Whip und der Zürcher Dragqueen Gossipa. Der Event war in erster Linie auf ein heterosexuelles Publikum ausgerichtet. «Es geht darum, die Kunst vom Herzen der Community hinauszutragen», sagt sie. Bei vielen Heterosexuellen sorge eine Dragqueen als hyperfeminisierte Persönlichkeit immer noch für einen Wow-Effekt. «Ein Mann, der sich besser schminken kann als so manche Frau und in Highheels daherkommt – für viele ist das ein regelrechter Mindfuck.» Das zunehmende Interesse an Burlesque- und Travestieshows schreibt Odette der immer grösseren Sichtbarkeit von Dragqueens zu. «Es klingt klischiert, aber seit ‹Ru Paul’s Drag Race› in den Mainstreammedien unterwegs ist, haben wir die Möglichkeit, aus dem Schatten zu treten», sagt sie. «Das will ich nutzen, um mehr Bewusstsein für LGBTIQ-­Anliegen und für die Kunstform Drag zu generieren.»

Am 9. November organisiert sie die dritte Ausführung von «Drag Roylällety», eine Wahl im Stile von «Heaven Drag Race», wenn auch in kleinerem Rahmen. Odette will sich dabei aber nicht profilieren. «Ich möchte jungen Make-up-Künstler*innen und Nachwuchs-Drags die Möglichkeit geben, aufzutreten und sich einem Publikum vorzustellen», sagt sie. Anmeldungen seien bereits aus Solothurn, dem Aargau und aus der Romandie eingegangen. «Es ist ein Projekt, um die West- und die Nordwestschweiz zusammenzubringen. Indem wir nicht nur regional denken, werden wir zu einer grossen nationalen Familie.»

Die Drag-Kultur ist in Basel zwar auf dem aufsteigenden Ast, kann aber mit Städten wie Lausanne oder Zürich nicht mithalten

Dragqueens als Rockstars Kurz vor Jahresende bestreitet Odette am 29. Dezember mit dem Benefizkonzert «Drag Meets Rock» ihren letzten Event 2018. «Man werfe fünf Dragqueens mit fünf Rockbands zusammen und sehe, was dabei herauskommt», sagt sie. Die erste Ausführung im letzten Dezember sei auf grosse Resonanz gestossen. «Es ist ein spannendes Projekt, da diese beiden Szenen von aussen betrachtet nur wenige Berührungspunkte aufweisen.» Die Einnahmen des letztjährigen «Drag meets Rock» – 1000 Franken – wurden für die Rettung verfolgter Schwuler in Tschetschenien gespendet.

Mit diesen vier Events hat Odette aber noch lange nicht genug, im Gegenteil. In Planung sind etwa ein Drag-Brunch oder ein Drag-Dinner, das mehrmals im Jahr stattfinden soll. Odette, die 60 % im Gesundheitsbereich arbeitet, hätte noch viele Ideen. Wird Basel die neue Drag-Hauptstadt der Schweiz? Odette winkt lachend ab. «Die Drag-Kultur ist in Basel zwar auf dem aufsteigenden Ast, kann aber mit Städten wie Lausanne oder Zürich nicht mithalten», sagt sie. «Ich bin auch nicht der Überzeugung, dass Drags an jede Veranstaltung gehören. Einmal im Monat reicht völlig aus.»

Wichtig sei, dass man auch in der heutigen Zeit, in der viele Szenenbars schliessen, Treffpunkte für die LGBTIQ-Community habe, die kostengünstig sind. Beim Bingoabend bestehe etwa keine Spielpflicht, so Odette. «Der Eintritt ist gratis, man kann sich einfach dazusetzen und mit allen einen lustigen Abend verbringen. Darum geht es doch.» 

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