«Der Verein»: Schwules Coming-out als Theaterdrama

Stefans vermeintliche Dämonen sollen ausgetrieben werden, damit er «hetero werden» kann

Theaterstück «Der Verein» von Steffen Link im Schauspielhaus Wien (Bild: Marcella Ruiz Cruz)
Theaterstück «Der Verein» von Steffen Link im Schauspielhaus Wien (Bild: Marcella Ruiz Cruz)

Wie schwer es Schwule in einem fundamentalistisch-christlichen Umfeld haben, zeigt ein Theaterstück im Wiener Schauspielhaus.

Der schwule Schauspieler und Dramatiker Steffen Link hat mit «Der Verein» sein erstes Theaterstück geschrieben. Dieses wird derzeit im Wiener Schauspielhaus aufgeführt und entwickelt sich zum Publikumshit.



Link hat darin biografische Erfahrungen verarbeitet. Denn er ist als Kind und Jugendlicher in einer freichristlichen Gemeinde aufgewachsen. Als er sich zu Männern hingezogen fühlte, hatte er es nicht einfach. Vieles in dem Theaterstück ist verdichtet, manches auch verfremdet.

Link wurde 1989 in Darmstadt geboren. Seine freichristliche Gemeinde wurde von den Eltern mitbegründet. Sie kann den radikalen und konservativen evangelikalen Christen zugeordnet werden. Wobei die Bezeichnung freichristlich hier irreführend ist. Denn die Mitglieder solcher Gemeinden sind alles andere als frei. Sie müssen sich auch im Privatleben an strenge Vorschriften halten.

Link konnte sich als schwuler Mann aus diesem sektenähnlichen Verein losreissen. Er studierte unter anderem Schauspiel an den Hochschulen der Künste in Bern und in Zürich. Seit 2020 gehört er dem Ensemble des Münchner Volkstheaters an. Wie schwer die Abnabelung von der freichristlichen Gemeinde gewesen ist, zeigt sein Theaterstück.

In dem Bühnenwerk heisst die Gemeinde «Pfingstheim« und die schwule Hauptfigur Stefan. Einmal gibt es den erwachsenen Stefan (wird besonders eindrucksvoll von Maximilian Thienen gespielt), der auf seine Jugendzeit zurückblickt und als kommentierender Erzähler in die Handlung eingreift. Die jugendliche Version von Stefan wird von Tala Al-Deen (ist Mitglied des queerfeministischen Theaterkollektivs Deine Mudda) verkörpert.

Besonders schlimm ist die Szene, in der Stefan vor dem erzkonservativen Gemeindeleiter Peter über die Sexualität ausgefragt wird. Obwohl Stefan nicht will, wird so viel Druck auf ihn ausgeübt, dass er vom Schwulsein erzählt. Der Gemeindeleiter tut dann alles, um Stefan zu heilen. Er will bei Stefan vermeintliche Dämonen austreiben. Stefan bemüht sich inständig, hetero zu werden. Wenn er sich nachts ins Bett legt, denkt er beim Masturbieren an Frauen. Auch wenn die Gemeinde noch so inbrünstig für ihn betet, bleibt er schwul. Stefan fühlt sich hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu Gott und zu Männern.

Steffen Link
Steffen Link

Das Theaterstück zeigt, wie einsam sich Stefan in der sektenartigen Gemeinde fühlt. Es gibt keine Person, die für ihn und seine Homosexualität Verständnis zeigt. Seine Familie ist eng mit der Gemeinde verflochten. Kontakte zur Aussenwelt werden unterbunden. Für Kinder und Jugendliche wie Stefan gibt es keine Privatsphäre. Sie müssen auch die Freizeit mit Gleichgesinnten verbringen. Alles dreht sich um Gebete und evangelikale Songs. Schon Kleinkinder wachsen mit biblischen Geschichten auf. Abweichungen aus der fundamentalistischen Glaubenswelt werden nicht toleriert.



Das Theaterstück, das noch bis Ende Juni im Wiener Schauspielhaus aufgeführt wird, ist auch politisch brisant. Denn die freichristlichen und fundamentalistischen Evangelikalen verzeichnen ein enormes Wachstum. Weltweit sollen schon über 25 Prozent aller Christen einer evangelikalen Kirche oder Gemeinschaft angehören. Zu ihren Kennzeichen gehören meist eine neoliberale und antidemokratische Agenda.

Homosexualität und Abtreibung werden oft abgelehnt und bekämpft. Die Evangelikalen sind von ihrer Mission so überzeugt, dass sie auch politisch ihren Einfluss ausbauen. In den USA unterstützen sie den Republikaner Donald Trump bei der Wiederwahl. In vielen afrikanischen Ländern sorgen die fundamentalistischen Christen dafür, dass strenge Gesetze gegen queere Menschen erlassen wurden.

«Habe Lust auf mehr queere Rollen» – Die erfolgreiche Serie «Charité» meldet sich zurück mit einer ungewöhnlichen, in der nahen Zukunft spielenden 4. Staffel. Mit dabei ist dieses Mal Joshua Seelenbinder, der uns bei einem Matcha Latte in einem Café in Berlin-Mitte u.a. verraten hat, wie er nach #ActOut auf die queere Zukunft in der deutschsprachigen Filmbranche blickt (MANNSCHAFT+).

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