«Wuthering Heights»-Flashmob: Tanzen hilft in der Krise
Auch in Köln wird wieder zu Kate Bush getanzt
In diesem Jahr findet zum dritten Mal «The Most Wuthering Heights Day Ever» in Köln statt. Ein Flashmob zur Musik von Kate Bush. Der offen schwule Schauspieler Stephan Hellweg hat das Event in die Domstadt geholt.
Stephan, wann hast du das erste Mal Kate Bush gehört? Das war in meinen Zwanzigern in unserer Wohngemeinschaft in Berlin-Kreuzberg. Mein französischer Mitbewohner hat mir Kate Bush vorgespielt. Ich war total beeindruckt von ihrer Stimme und wie sie sich bewegt.
Heute bist du Veranstalter von «The Most Wuthering Heights Day Ever». Ein Flashmob zur Musik von Kate Bush. Wie kam es dazu? Seit vier Jahren pendle ich zwischen Berlin und Düsseldorf. Den Kate-Bush-Flashmob gibt es in Berlin schon seit 2016. Ich wollte immer hin, aber habe es irgendwie nie geschafft. Die Idee, das Event nach Köln zu bringen, stammt aus einem Pandemie-Loch. In Köln ist Karneval, die Menschen verkleiden sich gern, es gibt eine grosse queere Szene. Da dachte ich mir: Der Flashmob passt doch auch gut nach Köln. Es war eine Bauchentscheidung.
Du hast es nicht nur bei der Idee belassen. Wie habt ihr das Event zum ersten Mal umgesetzt? Ich wusste, ich kann das nicht alleine stemmen. Also habe ich meine beste Freundin gefragt, ob sie mich unterstützen möchte. Sie wohnt in Köln und ist Choreographin. Sie fand die Idee super. Da waren wir schon zwei. Wir haben Flyer selbst gebastelt und sie den Menschen in die Hand gedrückt. Alles eher planlos. Wir haben ein Facebook-Event erstellt und waren mit einem Artikel in der Kölner Stadtrevue. Das war’s. 25 bis 30 Leute sind letztendlich gekommen – sogar eine Person aus Holland. Und alle haben gesagt: Ihr habt Recht. Dieses Event gehört nach Köln.
Wie war es in den darauffolgenden Jahren? Ich wollte meine Kontakte als Schauspieler nutzen und einige Medien an Bord holen. Das hat gewirkt. Im zweiten Jahr waren schon 60 Leute da. Mittlerweile ist auch das Organisationsteam gewachsen. Wir haben jemanden fürs Grafikdesign und drei Personen zum Filmen. Eine Person, die Fotos macht und eine, die schneidet. Alle aus dem Freundeskreis. Alle machen es ehrenamtlich.
In diesem Jahr wollt ihr aus dem Flashmob zum ersten Mal auch eine Spendenaktion machen. Woher die Idee? Die Kate-Bush-Flashmobs finden im Juli auf der ganzen Welt statt. Berlin, Ost-Küste USA, Schweden, Frankreich. Jedes Event hat seinen eigenen Touch. Irgendwo in Amerika gibt es zum Beispiel eine Ballettkompanie, die das aufführt. In England und Australien ist der Flashmob ganz oft mit Charity verknüpft. So wollten wir es auch machen.
Mit den Spenden wollen wir die Materialkosten für Plakate und Soundbox-Mieten reinholen. Das sind insgesamt 100 Euro. Alles, was darüber hinaus gespendet wird, geht an den Verein anyway in Köln.
Warum habt ihr euch für Anyway entschieden? Auf dem CSD in Düsseldorf habe ich den Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, kennengelernt. Beim Empfang sagte er, dass die Hasskriminalität gegenüber queeren Jugendlichen enorm zugenommen hat (MANNSCHAFT berichtete). Der Verein Anyway stellt sich gegen diesen Hass und unterstützt die queeren Jugendlichen im Raum Köln.
Vor zwei Jahren waren die Aussenstellen von anyway in Köln-Ehrenfeld und Köln-Mülheim von der Schliessung bedroht. Sie hatten nicht genug Spenden erhalten. Deshalb möchten wir sie unbedingt mit unseren Spenden unterstützen.
Deine Idee ist zu einem riesigen Projekt angewachsen. Wie wichtig ist dir der Flashmob über die letzten Jahre geworden? Sehr wichtig. Menschen kommen zusammen und es macht einfach Spass. Ich denke da wieder an die Frau, die für den Flashmob aus Holland anreiste. Sie ist ein riesiger Kate-Bush-Fan. Sie hat sich so gefreut, dass es den Flashmob jetzt auch in Köln gibt. Das Schöne ist vor allem das Zusammenkommen. Gerade in solchen Zeiten wie jetzt, in denen die Menschen mit vielen Krisen, Kriegen und Inflation zu dealen haben, ist das etwas sehr Erfrischendes.
Wer kann alles mitmachen? Jeder. Von queeren Personen, über Frauen, Männer und Kinder sind bei uns alle dabei. Alter und tänzerisches Können sind egal. Ich bin selbst kein Tänzer, aber kann sagen: Man bekommt es hin. Es geht um Spass und ist natürlich umsonst. Alle, die Lust haben, können kommen und auch gerne Freund*innen mitbringen.
Gibt es einen Dresscode? Wir nehmen das auch nicht so strikt mit den Kleidern. Zieht euch am besten rot an mit schwarzen Akzenten. Ob es ein Bademantel, eine Speedo, eine kurze Hose oder ein Kleid ist, ist jedem selbst überlassen.
Das Lied «Wuthering Heights», zu dem getanzt wird, geht keine fünf Minuten. Löst sich der Flashmob danach komplett auf? Es ist eine Mischung. Manche gehen nach Hause, manche setzten sich in den Park oder gehen mit anderen Teilnehmer*innen in den Biergarten. Wenn man später nach Hause spaziert, kann man in den umliegenden Cafés und Restaurants noch viele rot gekleidete Menschen sehen.
Wie reagieren die Menschen darauf? Es sind viele Zuschauer*innen da. Letztes Jahr waren es genauso viele Zuschauer*innen wie Teilnehmende – bestimmt 70 Leute. Der Aachener Weiher verbindet den Hiroshima-Park, der sich bis zur Universität und der Zülpicher Strasse hochzieht. Hier gehen viele Menschen entlang. Wir hatten auch schon, dass manche der Zuschauer*innen dann im nächsten Jahr mitgemacht haben.
Wie fühlt es sich an, da mitzutanzen? Natürlich ist man erstmal aufgeregt. Aber die Choreographin hat das tolle Talent, die Choreographie in einzelnen Schritten den Leuten beizubringen. Stück für Stück in mehreren Durchgängen. Dann fühlt man sich schon um einiges sicherer.
Was wünscht du dir für den Flashmob in diesem Jahr? Ich wünsche mir, dass eine schöne Summe für das anyway zusammenkommt. Darüber würde ich mich wirklich sehr freuen. Ausserdem wünsche ich mir gutes Wetter, und dass wir wieder super viel Spass am Zusammenkommen und Performen haben – so wie in den letzten Jahren. Für mich ist der Flashmob jedes Jahr eine tolle Erfahrung. Ich habe gelernt, dass man Ideen einfach ausprobieren sollte.
Der Flashmob «The Most Wuthering Heights Day Ever» findet am 28. Juli um 12 Uhr statt. Treffpunkt ist die Wiese neben dem Biergarten am Aachener Weiher in Köln.
Stephan Hellweg ist 38 Jahre alt und lebt zwischen Berlin und Düsseldorf. Er ist Moderator und Schauspieler. Sein berufliches Coming-out hatte er im Rahmen der Act-Out-Initiative. 185 lesbische, schwule, bisexuelle, queere, nicht-binäre und trans Schauspieler*innen outeten sich im Februar 2021 gleichzeitig. Sie fordern mehr Anerkennung in Theater, Film und Fernsehen (MANNSCHAFT berichtete).
Der Verein anyway e.V. unterstützt queere Jugendliche im Raum Köln. Er bietet Beratungen, Hilfe beim Coming-out und einen queeren Jugendtreff. Unter diesem Link geht es zur Spendenaktion.
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