Vor Dyke March in Berlin: Jüdische Queers beschimpft

Gruppe «Homos sagen Ja zu Israel» will beim CSD laufen

Foto: L. Reim
Foto: L. Reim

Bei einem Soli-Abend für den lesbischen Dyke March in Berlin kam es Berichten zufolge zu antisemitischen Übergriffen. Mehrere queere Vereine üben teils deutliche Kritik am Orga-Team der Lesbendemo.

Während eines Soli-Abends für den lesbischen Dyke March Berlin kam es zu antisemitischen Übergriffen, über die u.a. die Taz berichtete. Es war am Montag vor einer Woche in der Kreuzberger Bar Möbel Olfe unweit vom Kottbusser Tor. Der ­Konflikt soll sich daran ent­zündet haben, dass eine Grup­pe an einem Tisch ­Zettel mit der Aufschrift «Safe table for Jews and Israelis» (Freihalten für Juden und Israelis) ­sowie eine Regenbogenflagge mit ­Davidstern ausgebreitet hatte.



Wie eine der Beteiligten der Taz später erzählte: «Aus dem Nichts heraus wurden wir eingekesselt und beschimpft, unter anderem als Zionisten-Schweine.» Sie seien aufgefordert worden zu gehen, kamen dem aber nicht nach, u.a. weil draussen ein «Mob gewartet» habe.

Laut dem Frauen-Magazin und Informationsportal Aviva-Berlin habe es Sprechchöre wie «free free palestine» und «shame on you» gegeben. Zwischendurch sei die Gruppe der jüdischen Personen und Allies immer wieder als Faschisten beschimpft worden. Schliesslich habe sie das Dyke March Orga-Team aufgefordert zu gehen, damit der Abend weitergehen könne.

Zum eigenen Schutz habe die bedrängte Gruppe dann die Polizei gerufen und später auch Anzeigen gestellt. Noch bevor die Polizei eintraf, beendeten die Ver­an­stal­te­r*in­nen und das Bar-Kollektiv gegen 22 Uhr den Abend, heisst es.

Laut Orga-Team sei die Reservierung des Tisches «for Jews and Israelis» eine «unangekündigte politische Aktion» gewesen, wie es in einer Erklärung auf Instagram heisst. Diese sei verknüpft gewesen mit der «Annahme, für alle jüdischen Personen sprechen zu können» und habe nur eines zum Ziel gehabt: «Provokation und Spaltung».

Der Verein Keshet für queere Menschen in der jüdischen Gemeinschaft teilte gegenüber MANNSCHAFT dazu mit: «Die aktuellen Gegebenheiten in Berlin, als auch die in Deutschland sich entwickelnde Kultur der Desinformation sowie die fragwürdigen Interpretationen zu weltpolitischen Themen des jüdischen Lebens, hat ein neues Level von Intoleranz und Boshaftigkeit erreicht.»

Im persönlichen Gespräch mit betroffenen Menschen der Kundgebung zur Spendenaktion für den Dyke March im Möbel Olfe, konnte man feststellen, «dass selbst in Communities, welche sonst den Anspruch haben, auf sich selbst aufmerksam zu machen und für queere Rechte einstehen, radikalisierende und bedrohliche Meinungsbildungen vorherrschen», so Keshet-Vorstand Karsten Elias Haas.

Es bleibe , «ein bitterer Beigeschmack, der einen verharren lässt». Bis heute bleibe bei den betroffenen – lesbischen wie trans – Menschen des Kreuzberger Abends Angst, Enttäuschung und Unverständnis.

Wichtige Events wie der Dyke March sollten nicht durch falsche Interpretationen zu Fakten unterwandert werden, so Haas. «Wir hoffen in Hinsicht der zukünftigen Zusammenarbeit auf offene Ohren und den Dialog.»

Die Vereine East Pride Berlin und WostoQ-Regenbogen positionieren sich ebenfalls zu der «systematisch sich ausbreitenden Einschüchterung, Ausgrenzung und Gewaltandrohung» in der queeren Community gegenüber Menschen aus Israel, Jüd*innen und ihren Allies.



«Wir solidarisieren uns mit den Lesben, die am 8.Juli im Möbel Olfe antisemitischer und in dieser Form auch lesbenfeindlicher Gewalt ausgesetzt waren und vom anwesenden Dyke March Berlin-Team im Stich gelassen wurden und von diesem sogar noch im Nachhinein durch seine Stellungnahme öffentlich verhöhnt wurden», heisst es in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Man ruft das Orgateams des Dyke March Berlin auf, «endlich eine emanzipatorische Positon zu entwickeln» zum Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 (MANNSCHAFT berichtete) und seinen Folgen für Menschen im Nahen Osten und hier bei uns in Berlin.

Und weiter: «Wenn das Existenzrecht des weltweit einzigen jüdischen Staates oder Jüdinnen und Juden und ihre Alies angegriffen werden, weil sie sich als solche offen zu erkennen geben, dann bedeutet das auch einen Angriff auf unsere lesbischen, schwulen und auf alle Lebensformen von LGBTIQ.»

Der 7. Oktober sei nicht nur ein Angriff auf das Existenzrecht Israels, sondern eine gezielte und auch offen ausgesprochene Vernichtungsandrohung gewesen an alle offenen und freien Gesellschaften, in denen LGBTIQ sich selbstbestimmt organisieren, demonstrieren und selbstverständlich auch die eigenen Regierungen kritisieren und in Frage stellen.

Von der Stellungnahme des Orga-Teams des Dyke March Berlin sei man verblüfft. Sie zeige das «drohende intellektuelle Vakuum» der ganzen politischen LGBTIQ-Bewegung, wie es in der Stellungnahme heisst. Die «einst mutige Dyke Bewegung» ziehe sich auf einen scheinbaren Standpunkt der Neutralität zurück. Und: «Die Demo, die einst um die Politisierung allein durch die öffentliche Sichtbarkeit von Lesben wusste, wirft den Lesben, die sich heute nach dem Massaker vom 7.Oktober in Berlin als Israelis, Jüdinnen oder Alies öffentlich und unmissverständlich zu erkennen geben, Provokation und Spaltung vor».

Hier seien Opfer zu Täterinnen erklärt worden – «ein klassisches Symptom des antisemitischen Vorurteils», so die beiden Vereine. Die sechs Verfasserinnen der Dyke-March-Stellungnahme hätten «offenbar auch vollkommen das Gefühl dafür verloren, von wem insbesondere lesbische Frauen weltweit besonders grausam verfolgt und ermordet werden».

Sowohl East Pride Berlin wie auch WostoQ-Regenbogen fühlten sich durch das subtile Anspielen des Dyke-March-Berlin-Designs an die Nationalfarben Palästinas oder die Verwendung roter Hamas-Dreiecke erinnert an die Vereinnahmung Sozialistischer Symbolsprache und Ästheik ab den 1990er Jahren von Westdeutschen, die mititels solcher Zeichensprache vermeintlich linke oder gar solidarische Positionen einzunehmen vorgaben und bis heute vorgeben.

Die extremistische und terrorverherrlichende Ideologie der Hamas und ihrer Sympathisanten dürfe nicht weiter in unserer Gesellschaft und insbesondere nicht in die LGBTIQ-Bewegung eindringen. «Wir ermutigen alle dazu, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern sich in Gruppen jüdischer LGBTIQ und ihrer Alies zusammenzuschliessen.»

Die Vereine erklären: «Wir schweigen nicht mehr zu sich systematisch ausbreitender Einschüchterung, Ausgrenzung und Gewaltandrohung in unserer eigenen Community gegenüber Menschen aus Israel, Jüdinnen und Juden und ihren Allies.». Darum werde man als Fussgruppe mit dem Motto «Homos sagen Ja zu Israel» am Berliner CSD am 27. Juli teilnehmen.

Schwedische Stars forderten vor dem ESC 2024, Israel aus­schliessen. Auch die Queer Ikone Robyn hatte einen Offenen Brief unterzeichnet (MANNSCHAFT berichtete).

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