Unisexmode aus Zürich: «our» ist für alle da

Träger*innen sollen nicht in erster Linie als Frau oder Mann wahrgenommen werden, sondern als Mensch

Unisexmode aus Zürich: our.newnisex von Chris Müller
Unisexmode aus Zürich: our.newnisex von Chris Müller

Der Zürcher Modeschöpfer Chris Müller hat eine Mission: Unisexmode soll das neue Normal werden. Mittlerweile hat er schon seine dritte Kollektion auf den Markt gebracht – nachhaltig, zu fairen Löhnen und mit «zero waste» auf den Philippinen produziert.

Das Modelabel mit dem schwierig auszusprechenden Namen «ournewnisex» heisst neu nur noch «our». «newnisex fügte ich anfangs hinzu, weil der Name halt Programm war: neu und unisex», erklärt Chris Müller. Der Zürcher Mode­schöpfer ist 34 Jahre alt und brachte 2018 seine dritte Kollektion auf den Markt. Er sei ganz zufrieden mit dem Erfolg, fügt Müller an, der heute hauptberuflich als Grafiker arbeitet.

Das Spezielle an «our» ist, dass alle Teile konsequent so geschnitten sind, dass sie sowohl Frauen wie auch Männer anziehen – und von allen mit Geschlechtsidentitäten irgendwo dazwischen – können und trotzdem weder uniformiert noch verkleidet ausschauen.

Dieses Unterfangen ist nicht ganz einfach. Denn Frauen haben nun mal Brüste und Hüfte und Männer breitere Schultern. Geschickt rückt Chris die Anatomie des Trägers oder der Trägerin in den Hintergrund und macht das Geschlecht zweitrangig. «Die Persönlichkeit kommt so besser zur Geltung. Man nimmt die Person in erster Linie als Mensch wahr und nicht als Frau oder Mann», zeigt er sich überzeugt. Dabei kommt ihm entgegen, dass zurzeit der «Loose-fit-Look» angesagt ist. «Oversize zu tragen, ist trendy», sagt Chris, meint aber: «Nichtsdestotrotz muss das Stück gut aussehen, kleidsam und nicht einfach weit geschnitten sein wie ein Zelt.»

Modell Mutter Chris stammt ursprünglich aus den Philippinen. Als er acht Jahre alt war, heiratete seine Mutter einen Schweizer und zog mit Chris zu ihm nach Kloten. «Da gab es einen einzigen Kleiderladen mit XXXL-Hip-Hop-Mode», erinnert er sich lachend. Eingekauft wurden seine Kleider aber eh nicht dort, sondern auf dem Flohmarkt oder in Second-Hand-Läden.

«Als ich in die Lehre kam, freute ich mich, endlich mal neue Kleider kaufen zu können. So habe ich alle Kleiderläden in Zürich durchforstet und mir einen genauen Plan gemacht, was ich mir mit meinem ersten Lohn leisten würde.» Eine Hose und einen Pulli kaufte er sich, und er war stolz auf seine neuen Kleider. Heute habe er ein nüchternes Verhältnis zur Mode und springe nicht jedem Trend hinterher. Vielmehr möchte er diese selbst kreieren. Geübt hat er das schon mit seiner Mutter im Kindesalter: «Sie ging nie ohne mein Okay zu ihrer Aufmachung aus dem Haus», erinnert er sich.

Und obwohl er nie ausschliesslich Mode machen wollte, habe ihn die Mode immer begleitet. Er sagt: «Was Trends anbelangt, da habe ich den Durchblick.» Ein Beispiel? «Mir gefielen Skinny-Jeans. Doch in der Schweiz gab es sie nirgends zu kaufen. In Schweden habe ich dann solche Hosen gefunden und nach Hause gebracht. Er kombinierte sie mit einem weiten T-Shirt, was bis anhin nur Frauen gemacht hatten, und half so dem Trend auch in der Schweiz auf die Sprünge.

Unisexmode
Unisexmode

Der Rock bleibt Damit auch eigene Ideen umgesetzt werden können, braucht es Fachwissen. So schrieb er sich nach der Lehre für den Bachelorstudiengang Modedesign ein und untersuchte bereits in seiner Abschlussarbeit die Möglichkeiten und Grenzen von Unisexmode. Dass es in Zukunft nur noch geschlechtsneutrale Kleider gebe, das sieht Chris allerdings nicht so. Seine Begründung: «In unseren Gesellschaftskreisen hat der Rock für den Mann einen schwierigen Stand.» Zwar gebe es immer wieder Männer, die Röcke anziehen, noch seien wir aber weit davon entfernt, dass Herrenröcke allgemein als gesellschaftstauglich betrachtet werden. Und dass der Rock ganz aus der Gesellschaft verschwindet, das sei wohl eine Illusion und würden die Frauen nicht zulassen.

Unisexmode
Unisexmode

Zeitlose Designs Chris’ Mode ist zeitlos und unterwirft sich nur einem Diktat: Sie ist konsequent unisex. Und nachhaltig. «Ich lasse auf den Philippinen von einer einzigen Manufaktur produzieren. Ich kenne alle Näher und Weberinnen persönlich», sagt er, der mindestens einmal im Jahr auf die asiatischen Inseln reist. Jedes Teil ist ein Unikat, handgewoben und handgenäht. Und: «Welcher Designer kann von sich schon behaupten, dass er von jedem T-Shirt weiss, wer es gemacht hat?», fragt er, und man merkt, dass ihm Nachhaltigkeit, «zero waste» und Fair Trade wichtig sind, und er stolz auf seine Produktionskette und die gute Qualität seiner Ware ist.

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Die Ideen zu seinen Kollektionen kommen ihm überall: «Es klingt wie ein Klischee, aber oft habe ich die besten Einfälle unter der Dusche oder auf dem Klo», lacht er. Für seine dritte Kollektion liess er sich vom Tennis inspirieren: vom Lifestyle, Sportdress, von Linien, gar vom Platz. Zu kaufen gibt es seine Kleider nur an Designermessen wie der «Blickfang» oder über seinen Webshop. Für eine Ladenpräsenz ist ihm der Aufwand – auch der finanzielle – einfach zu gross. Mit dieser Situation ist er aber gar nicht mal so unzufrieden: «Ich freue mich über den persönlichen Kontakt zu den Menschen», sagt er und erklärt: «Männer sind in der Regel gegenüber Unisexmode erst eher skeptisch eingestellt.»

Unisexmode
Unisexmode

Chris erinnert sich an einen zirka 50-jährigen Blickfang-Besucher, der seine Kollektion misstrauisch beäugte. «Im Gespräch konnte ich ihn überzeugen, die Teile doch wenigstens mal anzuprobieren. Und zum Schluss hat er ein T-Shirt gekauft, in Altrosa», schmunzelt er. Im Gegensatz dazu seien Frauen viel experimentierfreudiger und aufgeschlossener. Er erklärt: «Frauen probieren gerne etwas Neues aus. Die grosse Herausforderung ist, die Männer überhaupt dazu zu bringen, meine Unisexkleider auszuprobieren.»

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Neues Normal Geschlechtsneutral sei zwar seine Mode, definiere ihn aber nicht, wie er betont. «Ich fühle mich als schwuler Mann ganz wohl», sagt er und unterstreicht, dass er in erster Linie an die Liebe glaube, ein eher stiller Mensch sei und nicht als lauter Aktivist in einen Genderkrieg ziehen möchte. Er findet es okay, dass die Gesellschaft nach Geschlechterdefinitionen verlange, mit Mode – und schon gar nicht mit seiner – habe diese Frage aber nichts zu tun. Sein Unisexlabel soll normaler und fester Bestandteil der vielfältigen Auswahl auf dem Markt werden und nicht etwa provozieren. Jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, habe es verdient, in erster Linie als Mensch angesehen zu werden.

Dazu Chris: «Botschaften der Gleichheit müssen nicht immer laut und provokant sein. Sie können auch still und ruhig sein, zum Beispiel mit Unisexmode. Am Schluss zählt einzig die Wirkung.» Neues Normal, halt.

Der Webshop von Our: ournewnisex.com

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