LGBTIQ-Gleichstellung auf Schottisch
Schottland war in Sachen LGBTIQ-Rechte immer schon etwas flotter als die anderen
So weit hoch in den Norden von Europa reisen die meisten wahrscheinlich nicht. Dabei muss sich die schottische Hauptstadt Edinburgh überhaupt nicht verstecken. Schon gar nicht, weil hier LGBTIQ-Gleichstellung betrieben wird, von der die meisten Länder nur träumen können.
Wenn man es sonnig und warm mag, ist Edinburgh vermutlich nicht das naheliegendste Reiseziel, jedenfalls nicht kurz nach Frühlingsbeginn. Nimm einen Regenschirm mit, riet mir ein Kollege aus der Redaktion. Nun reise ich nie mit Schirm, diesmal aber packte ich einen ein. Was soll ich sagen: Ich habe ihn nicht einmal gebraucht! Entweder es nieselte so fein, dass man es als erhöhte Luftfeuchtigkeit verbuchen konnte, oder ich war im Museum, um Gemälde mit Regenbögen zu bestaunen.
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Der Regenbogen, den die Maler James Ward und Gustave Doré bereits im 19. Jahrhundert über Schottland sahen, hat bis heute eine besonders Gültigkeit – als queeres Symbol. Denn das nördlichste der Länder Grossbritanniens hat im vergangenen Jahr beschlossen, LGBTIQ-Geschichte als Unterrichtsfach einzuführen – als erstes weltweit, und zwar von der ersten Klasse an.
Queer dominierte Parteipolitik Den Ort, wo man das beschlossen hat, will ich mir genauer ansehen. Schon weil es bis vor wenigen Jahren den kuriosen Umstand gab, dass von den fünf Parteien im Parlament drei von queeren Menschen geführt worden. Die Grünen und Labour und die Konservativen, nur bei Labour ist das inzwischen anders.
Bei meinem Besuch im Parlament muss ich zunächst durch den Sicherheitscheck. Ich werde sehr nett von einer jungen Frau empfangen, die mich fragt, ob ich das erste Mal in Schottland sei. In Edinburgh schon, sage ich, 2016 war ich in Glasgow. «Edinburgh ist viel toller», sagt sie selbstbewusst. Ich nicke freundlich und schwelge in Gedanken an das Konzert mit Bette Midler, das mich damals nach Glasgow führte.
Eigenes Parlament erst seit 1999 Was man in einer kleinen Ausstellung im Parlament erfährt: Schottland war in Sachen LGBTIQ immer schon etwas flotter als die anderen. Während das homofeindliche Gesetz Section 28 in Grossbritannien erst 2003 abgeschafft wurde, haben die Schotten es schon drei Jahre früher getilgt. Eine der ersten Amtshandlungen des jungen Parlamentes, das gerade erst sein 20. Jubiläum feierte.
Im Bookshop stosse ich abschliessend auf die Restbestände des LGBTIQ History Month, den man hier, wie in ganz Grossbritannien seit 2005 üblich, im Februar gefeiert hat. Ein ganzes Regal steht da noch, schon reichlich leergekauft.
Eine Biographie von Harvey Milk finde ich dort noch neben einem LGBTIQ-Schulbuch, das von Stonewall und der AIDS-Krise erzählt, die homophobsten und homofreundlichsten Länder der Welt ebenso auflistet wie die einflussreichsten queeren Künstler der Popmusik, darunter Elton John, George Michael, K.D.Lang. Empfohlen für Schüler ab 11 Jahre.
Baku – die Stadt der lodernden Flammen
Einmal im Jahr kommt die Queen Auf diese Weise eingestimmt, flaniere ich beeindruckt und guter Dinge, noch dazu bei Sonnenschein, über die zentrale Princes Street. Das Edinburgh Castle, jenseits des Princes Street Garden gelegen, ist hier nicht zu übersehen. Das Schloss, dessen ältester Teil aus dem 12. Jahrhundert stammt, thront unübersehbar über der Stadt auf dem Castle Rock und bestimmt deren Skyline. Insgesamt gibt es in dieser Stadt keinen Mangel an Schlössern, Palästen und Kathedralen. Der Palace of Holyroodhouse etwa ist die offizielle Residenz der britischen Königin in Schottland, mindestens einmal jährlich soll sie sich hier aufhalten (ich habe sie nicht getroffen).
Auf der anderen Seite der Princes Street reiht sich ein Geschäft an das nächste, in dem man sich besinnungslos shoppen kann. Wer der Versuchung widerstehen kann, trifft in östlicher Richtung irgendwann auf St. John’s Kathedrale.
Hier wurde im September 2017 das erste Männerpaar im Vereinigten Königreich getraut – von einem offen schwulen Priester, dem in Deutschland geborenen Markus Dünzkofer, der seit sechs Jahren Priester der schottischen Episkopalkirche ist. Markus empfängt mich zu Kaffee und Schokoladenkuchen und wir plaudern über den Brexit (aktuellen Umfragen zufolge wollen 70 % der Schotten in der EU bleiben), den Zölibat und die ausgesprochen übersichtliche Homoszene dieser Stadt.
Auf der Suche nach einer schwulen Kneipe Die meisten Läden, die einem noch auf einschlägigen Portalen empfohlen werden, würde ich nicht als schwule Bar durchgehen lassen, denn eine Mindestanforderung an ein solches Etablissement ist für mich, dass man zwischen all den weiblichen Gästen auch mindestens einen Schwulen entdeckt. In einem Laden, dem «Regent», habe ich dann aber doch Glück: Markus hat ihn mir empfohlen.
Hier treffe ich nicht nur auf eine gut gelaunte Mischung queerer Leute, hier kann man sogar ganz anständig essen. Die schottische Spezialität – frittierter Mars-Schokoriegel – steht allerdings nicht auf der Speisekarte …
Der ausführliche Reisebericht ist in der Juni-Ausgabe der MANNSCHAFT erschienen. Hier geht es zum Abo für die Schweiz oder für Deutschland.
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