Zwischen den Stühlen: Serbisches Kammerspiel um homosexuellen Sohn
«Our Son» ist ein berührendes, intimes Theatererlebnis, meint unser Rezensent
Beim Asphalt Festival in Düsseldorf gastiert derzeit das Kammerspiel «Our Son» aus Belgrad. In seinem autobiografisch geprägten Stück erzählt der kroatische Regisseur Patrik Lazić von der ambivalenten Beziehung zwischen einem homosexuellen Sohn und seinen Eltern.
Familien sind schon ein seltsames Beziehungskonstrukt. Jede hat ihre Besonderheiten, die nicht nur kaum jemand sonst kennt, sondern deren Dynamik für Aussenstehende oftmals seltsam anmuten. Geprägt von eigenen Ritualen, einer sonderbaren Eigenart und einem einzigartigen Humor. Schliesslich handelt es sich um Menschen, die sich lange kennen, viel übereinander wissen und viel Zeit miteinander verbringen. Gleichermassen sind sie aber auch nicht frei von Kränkungen und Verletzungen, die sich über die Zeit angesammelt haben – manche mehr, manche weniger vernarbt. Das sei normal in Familien, heisst es da oft. Aber muss man wirklich alles ertragen?
Wie der Regisseur und Autor Patrik Lazić Familie erlebt (und erlitten) hat, lässt sich nach diesem Theaterabend nicht mit Gewissheit sagen. «Our Son» heisst das intime Kammerspiel, das der gebürtige Kroate für das Belgrader Produktionshaus Heartefact geschrieben und inszeniert hat. Darin lässt er einen erwachsenen homosexuellen Sohn nachhause zurückkehren und auf seine – mittlerweile – geschiedenen Eltern treffen. Dabei entspannt sich ein komplexes Beziehungsgeflecht, das von Abneigung und Liebe, Abkehr und Verständnis sowie Distanz und Nähe geprägt ist.
Was Fiktion und was Realität in seinem autobiografisch geprägten Theatertext ist, bleibt für Aussenstehende unbestimmbar. Aber das ist auch nicht von Relevanz – schliesslich bieten die Szenen genügend Identifikationspotential: Es sind Worte, Blicke, Gesten und Gedankenketten, die nicht nur viele homosexuelle Kinder so oder so ähnlich von Gesprächen mit ihren Eltern kennen dürften. Und doch bietet der Handlungsort genügend Anknüpfungspunkte, um einen Einblick in die serbische Kultur und religiös geprägte Gesellschaft ins Nachdenken zu kommen.
Ja, Lazić erzählt dabei in erster Linie die Geschichte von einer Mutter und einem Vater, die einfach keinen Weg finden, die Sexualität ihres Sohnes zu akzeptieren. Hier wird verleugnet, projiziert, sich gegenseitig Vorwürfe gemacht und miteinander gerungen. Aber wie das oft im Leben so ist, erzählt es am Ende doch mehr über die Wütenden selbst als über die Identität des schwulen Kindes.
Die Uraufführung fand im – für deutsches Publikum eher ungewöhnliches – Setting einer Privatwohnung in Belgrad statt. Das Publikum und die drei Schauspieler*innen sassen im selben Wohnzimmer, rochen die Suppe und die Lasagne, die die Mutter der Familie auftischte. Die nun zum asphalt Festival nach Düsseldorf eingeladene Produktion wird im Festivalzentrum 34OST in der Innenstadt gezeigt. Zwar büsst das Stück dabei an authentischer Rahmung ein – das Bühnenbild wirkt in den ehemaligen Verkaufsräumen eines Elektrofachhandels durchaus blass – verliert allerdings nicht an Intimität und Unmittelbarkeit.
In Deutschland war die Produktion bereits 2023 bei Fast Forward, dem europäischen Festival für junge Regie, in Dresden zu sehen. Hier wurde Patrik Lazić sogar mit dem Preis der Jugendjury ausgezeichnet. Bis heute wird das Stück im Heartefact-Repertoire in Belgrad gespielt. Auch bei seiner Düsseldorf-Premiere honorierte das Publikum das berührend und schmerzhaft-ehrliche Spiel des Ensembles mit großem Applaus und stehenden Ovationen. Eine weitere und letzte Chance, das Theaterstück in der NRW-Landeshauptstadt zu sehen, bietet sich am heutigen Dienstag, 16. Juli um 18.30 Uhr. Tickets und weitere Informationen gibt es hier.
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