Klage gegen Ungarns Anti-LGBTIQ-Gesetz – Wo bleibt Deutschland?
EU-Mitgliedsstaaten wie Schweden und Finnland sind dabei
Die Bundesregierung hat noch zwei Tage Zeit, sich mit einer Stellungnahme der Klage der Europäischen Kommission gegen die LGBTIQ-feindliche Gesetzgebung in Ungarn anzuschliessen. Dies fordert nicht nur der LSVD.
Die Bundesregierung hat noch zwei Tage Zeit, sich mit einer Stellungnahme der Klage der Europäischen Kommission gegen die LGBTIQ-feindliche Gesetzgebung in Ungarn anzuschließen. Im Juni 2021 verabschiedete das ungarische Parlament ein aus Russland übernommenes Gesetz gegen „LGBTIQ-Propaganda“. Es verbietet die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans und inter und queeren Menschen sowie die Berichterstattung über queere Themen in den Medien und an allen Orten, an denen sich Kinder aufhalten könnten, also fast überall (MANNSCHAFT berichtete).
Bisher haben sich etwa ein Dutzend EU-Mitgliedsstaaten der Klage gegen Ungarn angeschlossen, darunter Schweden, Finnland und Österreich (MANNSCHAFT berichtete). Die deutsche Bundesregierung schweigt bisher.
Ende März hatte das zuständige Bundeswirtschaftsministerium auf MANNSCHAFT-Anfrage mitgeteilt: «Die Bundesrepublik Deutschland wird über einen Antrag auf Zulassung als Streithelferin rechtzeitig vor Ablauf der entsprechenden Frist am 6. April 2023 entscheiden.» Passiert ist seither nichts.
«Das Zaudern der Bundesregierung zum Klageverfahren gegen das ungarische Anti-LGBTIQ-Gesetz muss aufhören», erklärt nun Henny Engels aus dem Bundesvorstand des LSVD. «Die Bundesregierung sollte sich dem Koalitionsvertrag entsprechend auch in Europa klar und deutlich zu den Grundrechten von LGBTIQ bekennen. Hier ist der Bundeskanzler gefordert. Wenn in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein Gesetz verabschiedet wird, das die öffentliche Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt de facto verbannt, darf Deutschland nicht schweigen. Die Ampelfraktionen haben vereinbart, dass sich Deutschland für eine EU einsetzen wird, die ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie aussen schützt und entschlossen für sie eintritt. Diese Entschlossenheit braucht es jetzt!»
Die hat auch schon Remy Bonny von der LGBTIQ-Organisation Forbidden Colours gefordert
Der LSVD hatte bereits vor einem Monat Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesaussenministerin Annalena Baerbock eindringlich gebeten, dem Klageverfahren gegen Ungarn beizutreten. Bisher habe man keine Antwort oder Reaktion erhalten. Der von der Bundesregierung angekündigte queerpolitische Aufbruch müsse sich auch in der Europapolitik widerspiegeln, so der LSVD. Die Mitgliedsstaaten der EU, vor allem Deutschland, sollten Viktor Orbán jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof deutliche Grenzen aufzeigen.
Nach Auffassung der EU-Kommission verstösst das ungarische Gesetz gegen die europäische Grundrechtecharta, insbesondere die Menschenwürde, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Nichtdiskriminierung. Die Verstösse wiegen dabei so schwer, dass das Gesetz aus Sicht der Kommission die grundlegenden Werte der Europäischen Union verletzt.
Der LSVD habe «grosse Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof für den Schutz von LGBTIQ entscheiden wird». Dieses Urteil sei nicht nur wichtig, um das ungarische Gesetz aufzuheben, sondern auch, um zu verhindern, dass ähnliche Gesetze in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Polen oder Rumänien erlassen werden. «Dieses Gerichtsverfahren ist eine einmalige Gelegenheit für uns alle, gemeinsam eine klare Botschaft zu vermitteln: Wir stehen für unsere EU-Werte der Inklusion, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.»
Im Oktober hatte sich erstmals eine LGBTIQ-Gruppe im ungarischen Parlament formiert. Die Politiker*innen nennen sich «Für ein diverses Ungarn» (MANNSCHAFT berichtete).
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