«Waren Ihre Eltern nicht schockiert, als Sie sich geoutet haben?»
Jens Spahn bei «Chez Krömer»
Jens Spahn wagt sich in den Schlagabtausch mit Kurt Krömer. Ob er damit sich, dem Moderator, oder dem Publikum einen Gefallen tut, ist am Ende nicht ganz klar.
Bei Krömer haben in 7 Staffeln schon eine Reihe illustrer Gäste platzgenommen. Ein adoptierter Prinz etwa und ein ehemaliger Bundesminister, der sich im Dschungelcamp wiederfand. Aber auch Menschen aus dem Berliner Politikzirkus trauen sich zu ihm wie etwa Kevin Kühnert oder Konstantin Kuhle. Aufsehen erregte die Sendung mit Benjamin von Stuckrad-Barre, der etwas über den Sturz von Julian Reichelt als Bild-Chef sagen sollte, was er aber nicht tat. Einen Fernsehpreis bekam «Chez Krömer» für die ungewöhnlich ernste Sendung, in der er und Torsten Sträter über ihre jeweiligen Erfahrungen mit Depressionen sprachen.
Nun also Spahn. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister nimmt dieser Tage wieder Anlauf, so scheint es. Seit dieser Woche ist zudem auf RTL+ die Monumental-Dokumentation über ihn (MANNSCHAFT berichtete) zu sehen. Und wer nach mehr als 10 Stunden Spahn noch nicht genug hat, kann sich sein neues Buch «Wir werden einander viel verzeihen müssen» kaufen. Da Spahn in der Merz-CDU derzeit kaum Aufstiegschancen hat, versucht er offenbar nun über Talkshows und andere Formate im Gespräch zu bleiben.
Denn seine bisher beachtliche Karriere hat vorerst einen Knick bekommen. Mit 42 Jahren sitzt er schon 20 Jahre im Bundestag, war Staatssekretär, Bundesminister und oberster Pandemiebekämpfer. Bis er sich dann vor der Bundestagswahl auf die Seite von Armin Laschet stellte und gemeinsam mit ihm verlor. Zu allem Überfluss hat er auch noch überall erklärt, Friedrich Merz nicht für den geeigneten CDU-Vorsitzenden zu halten.
Gegenüber Krömer sagt er dann zwar betont als Gag, aber wohl in Wirklichkeit nur halbironisch: «Um mal wieder richtig auf die politische Bühne zu kommen, gehe ich zu ‹Chez Krömer› – heute beginnt der Neustart». Er sagt dies in dem für ihn ungewohnten Gestus als politischer Underdog. Man merkt aber, dass diese Rolle zu ihm als Ex-Minister und Ex-CDU-Schwergewicht nicht richtig passt.
In dieser Sendereihe, die zwischen einem investigativen Herumgestocher und Nicht-Gesprächen schwankt, versuchen die Gäste eine gute Figur zu machen. Manche durch krampfhaftes Lustig-sein oder betontes Unschuldig-wirken. Spahn versucht beides abwechselnd. Die meisten Gäste profitieren davon, dass die Zusehenden irgendwann etwas Milde mit dem durch Krömer mit eigenen Skandalen überhäuften Gast haben. Wie sehr dies gelingt, hängt jedoch immer davon ab, wie unbeliebt der Gast im Allgemeinen schon vorher gewesen ist.
Krömer alle Skandale und Debatten rund um Spahn hervor. Dass Spahn mit dem ehemaligen Bild-Chef Julian Reichelt gemeinsam das Kanzler-Triell gesehen haben und sich über den eigenen Kanzlerkandidaten Armin Laschet lustig gemacht haben soll. Letzteres streitet er ab. So wird auch klar, dass für Spahn grosse Aufregung, wenn überhaupt, nur wegen des Lachens über den Teampartner Laschet entstehen kann. Und weniger deswegen, weil er gemeinsam mit Reichelt Zeit verbrachte.
Weiter diskutieren Krömer und Spahn darüber, ob mangelhafte Masken an Hartz-IV-Empfangende verteilt wurden und über Maskendeals des Arbeitgebers seines Ehemannes. Dazu wird ein Bild von Daniel Funke, Spahns Ehemann, eingeblendet. «Kennen Sie diesen Mann?», fragt Krömer. «Ja, neben dem habe ich heue Nacht noch geschlafen», sagt Spahn. Er versucht sich gegen die Vorwürfe zu rechtfertigen. Man merkt beiden an, dass sie Profis sind. Spahn, dass er diese Dinge schon viele Male versucht hat auszuräumen. Krömer, dass er genau das weiss.
Am Ende rechnet Krömer ihm noch vor, dass er sich seine Millionenvilla bei seinen Einnahmen gar nicht erst hätte leisten können. An dieser Stelle tritt plötzlich der ehemalige Bankangestellte Spahn hervor und gibt den Zuschauenden Finanztipps, wie sich jeder einfacher in Berlin Immobilien leisten könne.
Krömer wechselt zwischen ernst vorgetragenen seriösen Fragen und unerwarteten unernsten Unterbrechungen. Gerade diese Interventionen kann Spahn jedoch meistens parieren. Keine davon bringt ihn aus dem Konzept. »Waren Ihre Eltern damals nicht schockiert, als Sie sich geoutet haben und gesagt haben, dass Sie die CDU toll finden?«, fragt Krömer gleich zu Beginn, als es eigentlich um Spahns Homosexualität geht. An dieser Stelle blitzt so etwas wie Sympathie von Krömer für seinen Gast als Menschen jenseits des CDU-Politikers hervor. Krömer merkt man in dieser Folge sonst nicht so an wie in den anderen Folgen, ob er diesen Gast nun besonders, oder gar nicht mag. Jedenfalls nicht so sehr, wie bei denen, die er offensichtlich überhaupt nicht abkonnte.
Spahn versucht sogar zu berlinern Ob sich Spahn bei der Veranstaltung so wohl fühlte, wie er am Ende zu betonen bemüht war? Manches spricht dagegen. Der auf seine Heimat sonst so stolze Münsterländer Spahn versucht am Anfang, ob aus Unsicherheit, Anbiederung oder betonter Lockerheit, sogar zu berlinern. Am Ende, als Moderator und Gast vor zwei Rednerpulten stehen und die Abmoderation beginnen, fragt Spahn ernsthaft, ob man dabei üblicherweise das Sakko aufmache. Immerhin erfährt man bei dieser Gelegenheit noch Spahns Hemdgrösse. (Spoiler: «Wegen langer Arme 56 bzw. 106»). Ob Spahn am Ende der Meinung war, dass durch die Sendung die seit Jahren immer wieder erwähnten Debatten rund um seine Person nun ausgeräumt oder aufgewärmt wurden, bleibt sein Geheimnis.
«Chez Krömer» mit Jens Spahn am Dienstag, 1. November, um 22.15 Uhr im rbb Fernsehen, sowie seit Montag, 18 Uhr, in der ARD-Mediathek und auf Youtube. Weitere Folgen werden im Wochenrhythmus veröffentlicht.
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