HOPE – 40 Jahre Leben mit HIV

Das Jahr 2021 steht ganz im Zeichen von HIV und Aids.

hiv aids 40 Jahre
hiv aids 40 Jahre

Vor 40 Jahren wurden Mediziner*innen erstmals auf die Immunschwäche­krankheit aufmerksam. Seither hat sich vieles getan und verändert.

Am 5. Juni 1981 veröffentlichte das US-amerikanische Gesundheitsamt CDC in seinem wöchentlichen Bulletin eine ungewöhnliche Beobachtung: In den vergangenen neun Monaten sei in Los Angeles bei fünf jungen Schwulen eine seltene Form einer Lungenentzündung aufgetreten; typischerweise ein Symptom schwerer Immunschwäche. Es dauerte nochmals zwei Jahre, bis man wusste, dass HIV diese Immunschwäche auslöste.

Am 5. Juni 2021 jährte sich diese erste veröffentlichte Beobachtung zum vierzigsten Mal und markiert den Beginn einer Pandemie, die weltweit bis heute über 30 Millionen Todesopfer gefordert hat. Doch der 5. Juni 1981 gilt auch als Startschuss einer schier unglaublichen medizinischen Erfolgsgeschichte, eines gesellschaftlichen Wandels und einer Enttabuisierung vormals verpönter sexueller Praktiken und Lebensweisen.

Meilensteine in der Geschichte von HIV Als das Syndrom zum ersten Mal auftrat, stand die medizinische Forschung vor einem Rätsel: Wie konnte es sein, dass junge, gesunde Männer ein derart geschwächtes Immunsystem hatten? Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier präsentierten 1983 das Resultat ihrer Forschung: Ein bis dato unbekanntes Virus verursachte die Immunschwäche.

barre sinoussi montagnier
barre sinoussi montagnier

Für das Virus setzte sich der Name HIV, humanes Immunschwäche-Virus, durch. Für die Entdeckung gab es 2008 sogar den Nobelpreis für Medizin. Aber bis eine wirksame Medikamentenkombination gegen das Virus gefunden wurde, sollten nach der Entdeckung noch einmal 15 Jahre vergehen. Bis heute gibt es keine Impfung vor und keine Heilung von HIV. Doch die Hoffnung lebt und die Forschung geht weiter.

Weltweite Solidarität Um die Gleichgültigkeit der schweigenden Mehrheit gegenüber den vom Virus als Erste getroffenen Minderheiten der Schwulen, Junkies und Sexarbeitenden zu brechen, setzten Künstler*innen auf starke Bilder und spektakuläre Aktionen. Ihr Einsatz machte Mut und erzeugte Druck auf Medizin, Politik und Gesellschaft, ohne den der Kampf gegen HIV nicht so rasch Fahrt aufgenommen hätte.

Rund um die Welt brachte und bringt der Kampf gegen HIV unterschiedliche Menschen zusammen, wie das Bild der Gedenktücher aus dem Jahr 1987 veranschaulicht. Ihre Solidarität sorgte dafür, dass die an Aids Erkrankten oder Verstorbenen nicht vergessen wurden und das Bewusstsein für das Virus und die Empathie für die Betroffenen wuchs.

Am 3. Februar 1987 demonstrierte Nachrichtensprecher Charles Clerc während der Tagesschau im Schweizer Fernsehen den Gebrauch eines Kondoms an seinem Finger. Der mutige Beitrag veränderte die Schweiz nachhaltig. Plötzlich wurde in jedem Haushalt darüber diskutiert, worüber sonst vornehm geschwiegen wurde: über Sexualität und Schutzmöglichkeiten. Von dieser Aufrüttelung profitiert die Schweiz bis heute.

Kampagne in drei Phasen Die Aids-Hilfe Schweiz nutzt die Zeitspanne vom Jahrestag (5. Juni) bis zum Welt-Aids-Tag (1. Dezember), um mit der Kampagne HOPE – 40 Jahre Leben mit HIV  die öffentliche Aufmerksamkeit auf die medizinischen Fortschritte in Behandlung und Prävention von HIV und auf die Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses über Sexualität zu lenken.

Die erste Phase würdigt die Vergangenheit und den Kampf gegen das Virus mittels Medien- und Informationskampagnen, welche die wichtigsten Momente aus 40 Jahren Forschung, Aktivismus und Aufklärung thematisieren. 

Im Herbst wird als Teil der zweiten Phase eine Fachtagung stattfinden. Mit Referaten, Debatten und Workshops soll eine Diskussion geführt werden, wie sich die Sexualität und die Gesellschaft in den letzten 40 Jahren verändert haben. Die dritte Phase schliesslich fokussiert sich auf den Welt-Aids-Tag am 1. Dezember 2021. In dieser Phase wird die Diskriminierung von Menschen mit HIV am Arbeitsplatz thematisiert.



«Erst HIV hat die LGBTIQ-Bewegung, wie wir sie heute kennen, hervorgebracht»

Aids Gedenktuch
Aids Gedenktuch

Nathan Schocher leitet bei der Aids-Hilfe Schweiz das Programm «Menschen mit HIV» und die Abteilung Wissensmanagement. Im Interview spricht er über die Kampagne HOPE und darüber, wie HIV und Aids die Welt nachhaltig verändert haben.

Nathan, 40 Jahre Aids. Ist das wirklich ein Grund zum Feiern? Nein, für viele Menschen, die Partner, Freunde oder Verwandte an diese Krankheit verloren haben, ist es vermutlich eher ein Anlass zu Trauer. Wir von der Aids-Hilfe Schweiz möchten den Jahrestag zum Anlass nehmen, die gesellschaftlichen Auswirkungen der Aids-Krise zu thematisieren. Um jedoch das Engagement der Menschen, die den Kampf gegen HIV aufgenommen haben, zu würdigen, haben wir die Kampagne unter das Stichwort HOPE – also Hoffnung gestellt. Dass in 40 Jahren eine tödliche Krankheit zu einer behandelbaren, wenn auch nicht heilbaren Krankheit geworden ist, macht Hoffnung.

Die Kampagne «HOPE» ist ja bereits angelaufen . . . … ja, an einem Podium am diesjährigen Pink Apple haben wir mit Menschen diskutiert, die in den Achtzigern das Wüten der Pandemie selbst erlebt haben. Welche Belastung die Diagnose einer Krankheit, für die es keine Behandlungsmöglichkeiten gab, oder die tägliche Pflege von todkranken Menschen darstellte, wurde an dem Podium nochmal deutlich. Die heutigen Schutzmöglichkeiten wie die PrEP wurden vor diesem Hintergrund ausdrücklich begrüsst.

Ein nächster Höhepunkt der HOPE-Kampagne wird die Fachtagung im Herbst sein. Kannst du da schon näheres dazu sagen? Die Idee dahinter ist, die gesellschaftlichen Auswirkungen der HIV-Epidemie mit Fachpersonen, aber für eine interessierte Öffentlichkeit zu diskutieren. Erst HIV hat ja beispielsweise die LGBTIQ-Bewegung in der Form, wie wir sie heute kennen, hervorgebracht. Die Frage ist, ob im Kampf um gesellschaftliche Akzeptanz gewisse Freiheiten, wie sie etwa die schwule Subkultur bot, verloren gegangen sind.

nathan schocher
nathan schocher

Der Höhepunkt von «HOPE» wird der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember sein. Der Fokus liegt auf der Zukunft und dem Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz. Kannst du das etwas erläutern? Eines der grossen Ärgernisse ist, dass auch nach 40 Jahren eine HIV-Infektion am Arbeitsplatz ein Tabu darstellt. Menschen mit HIV müssen bei Bekanntwerden ihrer Diagnose immer noch mit negativen Reaktionen rechnen, die im Extremfall bis zur Entlassung führen können. Dies obwohl es keinen Beruf gibt, den Menschen mit HIV nicht ausüben könnten. Dagegen wollen wir dieses Jahr am 1. Dezember kämpfen, mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft auch in diesem Bereich.



Aids-Hilfe Schweiz

Die Aids-Hilfe Schweiz (AHS) ist ein 1985 gegründeter gemeinnütziger Verein mit Sitz in Zürich und die nationale Dachorganisation von über 40 Organisationen, die im Bereich HIV tätig sind. Ihre wichtigsten Ziele sind die Verhinderung von Neuinfektionen mit dem HI-Virus, die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen mit HIV und deren Nahestehenden und die Solidarität der Gesellschaft mit HIV-positiven Menschen, ihren Familien und Freunden zu stärken.

» Dr. Gay bietet ein Online-Beratungsangebot für schwule und alle anderen Männer, die Sex mit Männern haben. Dr. Gay beantwortet Fragen zu (Safer) Sex, Homosexualität, Coming-out, schwuler Identität, Liebe, Beziehung, HIV/Aids und anderen Geschlechtskrankheiten sowie körperlicher und seelischer Gesundheit. » Unterstütze die AHS mit einer Spende und tragen dazu bei, dass die AHS sich weiterhin für Menschen mit HIV einsetzen kann. 

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