HIV-positiv und auf Reisen: Das gilt es zu beachten
«Für eine reisemedizinische Beratung ist es sehr sinnvoll, seine CD4-Zellzahl zu kennen»
Wer das Abenteuer und die Weite sucht, packt seine Koffer und verreist. Was es bei Fernreisen mit einer HIV-Infektion zu beachten gilt.
Text: Andrea Six
Noch nie war das Buchen einer Reise so einfach und verlockend wie heute. Und doch sollte man sich nicht kopflos ins Abenteuer stürzen, nur weil der Flug übers Internet so schnell gebucht ist. Wer möchte schon ein unliebsames Souvenir heimbringen, wie etwa Amöben aus der Transsibirischen Eisenbahn oder einen Bandwurm aus Südamerika. Oder das sogenannte Knochenbrecherfieber, weil man beim Surfen in Costa Rica von einer fiesen Mücke mit dem Dengue-Virus angesteckt wurde. Oder Gelbfieber, an dem man nach der Safari in Kenia plötzlich erkrankt, weil eine ebenfalls gemeine Mücke einem unbedingt diesen Erreger in die Blutbahn jagen musste. Darauf kann man gern verzichten – und vieles lässt sich vermeiden. Sind aber Reisende mit einer HIV-Infektion gefährdeter?
Esther Künzli, Ärztin am Tropen- und Public Health-Institut in Basel, empfiehlt, das Risiko individuell in einer Beratung zu bewerten: «Ein HIV-positiver Mensch unter stabiler Therapie mit unterdrückter Viruslast und guter Immunlage ist nicht stärker gefährdet als ein nicht infizierter Reisender», sagt die Fachärztin für Infektiologie.
Beachten müsse man die Wechselwirkungen der eigenen Medikamente mit Mitteln, die für die Reise eingenommen werden. Generell bedeutet das Reisen für Betroffene mit stabiler Therapie also wie für jeden anderen auch, sich vernünftig vorzubereiten und vor Ort den angemessenen Verhaltensregeln zu folgen, also je nach Reiseziel «cook it, peel it, boil it or forget it» zu beachten oder nicht unbedingt auf einem exotischen Markt in Asien Bekanntschaft mit jedem Grippe übertragenden Getier zu schliessen.
Anders sieht es unter Umständen aus, wenn die Therapie noch nicht stabil eingestellt ist oder die Zahl der Immunzellen zu wünschen übrig lässt. In diesem Fall sind gewisse vorbeugende Impfungen nicht zu empfehlen, weil sie lebende – wenn auch abgeschwächte – Viren enthalten. Zu diesen gehört beispielsweise die Gelbfieberimpfung, ohne die man in Risikogebieten nicht nur ungeschützt ist, sondern in manche Länder gar nicht erst einreisen darf.
«Für eine reisemedizinische Beratung ist es sehr sinnvoll, seine CD4-Zellzahl zu kennen», erklärt Esther Künzli. So könne passend ausgewählt werden, welche Schutzimpfungen möglich sind. Eine schlechte Immunlage könne auch das Risiko von Pilzinfektionen erhöhen oder zur drastischen Verschärfung harmloser Erkrankungen führen, so Künzli, was auf Reisen aber keine Besonderheit sei, und zudem seien auch Daheimgebliebene mit schlechten Blutwerten davor nicht gefeit.
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Eine gute Vorbereitung ist wichtig Zur Vorbereitung gehört auch, sich über die Medikamenteneinnahme im Urlaub Gedanken zu machen. Ist es beispielsweise nötig, sie vor der Abreise umzustellen, um an einem Urlaubsort mit Zeitverschiebung im gleichen Rhythmus zu bleiben?
Esther Künzli plädiert für eine pragmatische Einstellung. Wer beispielsweise ein halbes Jahr nach Brasilien reist, kann bei einer Zeitdifferenz von fünf Stunden die Einnahme vor der Reise während fünf Tagen je um eine Stunde verschieben, um weiterhin zur gewohnten Tageszeit seine Medizin einnehmen zu können. Die Einnahme sollte um nicht mehr als zwei Stunden pro Tag verschoben werden. Nach der Rückkehr beginnt das Spiel von vorn: Man verschiebt die Einnahme über fünf Tage hinweg in Stunden-Häppchen zurück. «Wer jedoch lediglich ein paar Tage verreist, sollte sich überlegen, ob sich dieser Aufwand lohnt», sagt die Ärztin.
Unabhängig von jeglicher körperlichen Verfassung besteht auf Reisen ein weiteres Risiko: sein Hab und Gut einzubüssen. Ein trickreicher Diebstahl oder ein Koffer, der am falschen Flughafen auf die Besitzer wartet – und schon ist die Ferienlaune getrübt. Da derlei Unbill durchaus häufig ist, reist man entspannter, wenn man die persönlichen Medikamente auf mehrere Gepäckstücke verteilt, möglichst auch aufs Handgepäck, und die Menge grosszügiger bemisst als nötig.
Sinnvoll sei es, so Esther Künzli, in der Reiseapotheke eine Bestätigung der Ärztin oder des Arztes mitzuführen, dass die Medikamente tatsächlich für den Eigenbedarf verwendet werden – um nicht in den Verdacht zu geraten, man wolle am Urlaubsort einen Arzneimittelhandel starten.
HIV-Epidemie – in Rumänien immer noch traurige Realität
Sollten einem vor Ort dann doch die Medikamente ausgehen, haben sich Postsendungen von daheim mit den fehlenden Tabletten laut Esther Künzli nicht bewährt: «Zu oft bleiben solche Päckchen an der Grenze hängen.» Man könne allerdings auch nicht davon ausgehen, dass in jedem Land das gewohnte Präparat zu haben sei. Möglicherweise müsse man im Notfall auf ein anderes Medikament ausweichen.
Dies sollte aber nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt geschehen. In manchen Ländern oder abgelegenen Regionen könne es sogar sein, dass keine HIV-Medikamente zu kaufen sind oder die vorhandenen in staatlichen Programmen gebunden sind. «Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass Medikamente am Ferienort genauso verfügbar sind wie zuhause», sagt die Medizinerin. «Besser ist es, man sorgt selbst vor.» Wer solide vorbereitet ist, braucht sich um das Gelingen der Reise schliesslich weniger zu sorgen.
Dieser Artikel ist erstmals im Magazin Swiss Aids News 2/19 erschienen.
Merkblatt zu HIV und Reisen
Einreisebeschränkungen:
- Besuchen Sie vor der Buchung einer Reise die Website www.hivtravel.org. Hier werden für jedes Land die Einreisebestimmungen in Zusammenhang mit HIV aufgeführt.
- Finden sich dort keine klaren Angaben, wenden Sie sich an die Botschaft des Reiselands oder an die schweizerische oder deutsche Vertretung im Reiseland. Dies können Sie auch anonym tun.
- Die meisten Länder, welche HIV-spezifische Einreisebeschränkungen kennen, sehen diese für längere Aufenthalte bzw. Niederlassungen vor.
Einfuhr von Medikamenten in Reiseländer zum persönlichen Gebrauch:
- Prüfen Sie vor einer Reise in ein Nicht-EU/EFTA-Land oder einer längeren Reise in ein EU/EFTA-Land die spezifischen Zollbestimmungen des Ziellandes betreffend die Einfuhr von Medikamenten, am besten via Botschaften/Konsulate.
- Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, bevor sie eine längere Reise ins Ausland planen, insbesondere bei einer kürzlich erfolgten Aufnahme oder Umstellung der Therapie oder bei Reisen in andere Zeitzonen.
- Nehmen Sie immer einen ausreichenden Vorrat Ihrer HIV-Medikamente mit – man weiss nie, was kommt.
- Einfuhr von Medikamenten in Länder ohne Einreisebeschränkungen: – Packen Sie die Medikamente ins Handgepäck. So stellen Sie sicher, dass die HIV-Medikamente sicher im Zielland ankommen. – Lassen Sie sich bei Reisen in ein Nicht-EU/EFTA-Land eine Bescheinigung ausstellen, dass Sie die Medikamente regelmässig für den persönlichen Gebrauch einnehmen müssen. Die Bescheinigung sollte auch die Wirkstoffe enthalten. Auch bei längeren Reisen in EU/EFTA- Länder empfiehlt sich dies.
- Einfuhr von Medikamenten in Länder mit Einreisebeschränkungen (mögliche Strategie): – Füllen Sie die HIV-Medikamente in einen Behälter eines nicht rezeptpflichtigen Medikaments um (lassen Sie diese allenfalls in Ihrer Apotheke versiegeln) und nehmen Sie eine Bescheinigung Ihres Arztes in Englisch mit, dass Sie auf diese Medikamente angewiesen sind. Statt HIV anderen Grund angeben, z. B. Blutdruck, Herzprobleme etc. – Wägen Sie bei einer Mitfuhr im Handgepäck ab: Pro: Sicherheit, dass die Medikamente ankommen. Contra: Sie werden eher entdeckt. – Unter www.aidsmap.com/e-atlas finden Sie HIV-Behandlungszentren und HIV-Organisationen vor Ort, falls Ihnen die Medikamente im Ausland ausgehen sollten.
Mit freundlicher Genehmigung der Aids-Hilfe Schweiz.
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