Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen BAMF-Ablehnung
Der Asylfolgeantrag eines schwulen Pakistaners war abgelehnt worden
Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde eines schwulen Mannes aus Pakistan, der von der Fachstelle für LGBTIQ Geflüchtete der Schwulenberatung Berlin unterstützt wird, stattgegeben. Den Beschluss zur BAMF-Ablehnung, der am 4. Dezember erfolgte, machte die Schwulenberatung jetzt öffentlich.
Der junge Mann war im Alter von 15 Jahren gemeinsam mit seinem Vater nach Deutschland geflohen. Sein erster Asylantrag, in dem ausschliesslich das Vorbringen seines Vaters geprüft wurde, wurde abgelehnt. Nachdem der mittlerweile Volljährige sich als schwul geoutet hatte, stellte er einen Asylfolgeantrag. Dieser wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht Cottbus bestätigte die Entscheidung mit dem Argument, dass es auf die Voraussetzungen für einen Asyl-Folgeantrag nicht ankomme, da Homosexuellen in der Islamischen Republik Pakistan keine Verfolgung drohe.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nun einen Verstoss gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art.19 Abs.4 Grundgesetz gesehen. Neben der verfahrensrechtlichen Bedeutung der Entscheidung sei insbesondere ein Hinweis des Bundesverfassungsgerichts zur Verfolgungssituation Homosexueller in Pakistan beachtlich, heisst in einer Pressemitteilung an diesem Freitag. So habe das Gericht festgestellt, dass «[…] unstreitig […] staatliche und nichtstaatliche Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen in Pakistan [existiert.]» (Rn. 26 der Entscheidung). Die Situationen hat vor ein paar Jahren eine Doku-Serie untersucht und gezeigt (MANNSCHAFT berichtete).
BAMF-Ablehnung von Bundesverfassungsgericht kassiert Christoph Tometten, Rechtsanwalt des Betroffenen, meint hierzu: «Dieser Hinweis war für die Entscheidung nicht erforderlich. Er kann also nur als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Ablehnung von Asylanträgen lesbischer und schwuler Schutzsuchender aus Pakistan für bedenklich hält. Das BAMF und die Verwaltungsgerichte täten gut daran, diesen Wink ernst zu nehmen.»
Vor ein paar Jahren fiel ein Foto mit zwei küssenden Männern der Zensur zum Opfer: Stattdessen zierte ein weisser Kasten die Titelseite der pakistanischen Ausgabe der New York Times (MANNSCHAFT berichtete).
Es droht Strafverfolgung, die sich als politische Verfolgung darstellt.
Das VG Trier hatte im Herbst 2017 einen schwulen Flüchtling aus Pakistan anerkannt und geurteilt: «Homosexuelle Handlung werden in Pakistan nur solange toleriert, wie die sexuelle Orientierung geheim bzw. unsichtbar bleibt. Homosexuelle werden strafrechtlich verfolgt und Haftstrafen in Einzelfällen tatsächlich auch verhängt.»
Weiter hiess es: «Aufgrund seiner Homosexualität und seinem in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich geäußertem Wunsch, seine sexuelle Orientierung auszuleben, droht dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner sexuellen Ausrichtung und deren Betätigung im Fall der Entdeckung eine in Pakistan auch tatsächlich praktizierten Strafverfolgung, die sich als politischen Verfolgung in dem oben umschriebenen Sinne darstellt.»
Ein weiterer, wichtiger Aspekt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus im aktuellen Fall sei jedoch vom Bundesverfassungsgericht unkommentiert geblieben, heisst es in der Mitteilung. Das Verwaltungsgericht hatte die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verurteilung des schwulen Mannes auf Grundlage eines einfachen Rechentricks abgelehnt. Es rechnete in seiner Entscheidung vor, dass «[i]n der Provinz Punjab ca. 5 bis 11 Millionen homo- und bisexuelle Menschen [leben]. Die Zahl von 10 Angeklagten sei in Anbetracht dessen verschwindend gering […].»
«Damit ignorierte es geflissentlich, dass ein Grossteil der LGBTIQ in Pakistan aus Angst vor Verfolgung versteckt leben», so Anwalt Tometten. «Der Antragsteller hatte vorgetragen, seine Homosexualität offen ausleben zu wollen. Bei der Frage, ob ihm in Pakistan Verfolgung drohe, ist somit auf die Situation offen schwul lebender Männer abzustellen. Unfundierte Schätzungen aus dem Bauch, wie sie hier durch das VG Cottbus abgeliefert wurden, gehen an der Verfolgungssituation von LGBTIQ in Pakistan vorbei.» Hier müsse weiter auf eine Änderung der Rechtsprechungspraxis hingewirkt werden.
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