«Wissenschaftliche Pflanzennamen sind wie Namen von Dragqueens»
Mit einem Pflanzenkauf begann «Plant Kween» Christopher Griffins Karriere als Influencer
Mit Pflanzen und Schnittblumen holen wir Farbe und Frische in unsere eigenen vier Wände. Doch hinter der Kraft der Botanik steckt mehr: Wer sich um Pflanzen kümmert, pflegt indirekt das eigene Wohlbefinden.
Süss, aber kalt und steril. So beschreibt Christopher Griffin die leere Wohnung in Brooklyn, die zum neuen Zuhause werden soll. Ein Besuch im nahe gelegenen Bauhaus verspricht Abhilfe. Dort sieht Christopher eine Efeutute, die irgendwie aus der Reihe tanzt: «Ich wusste, dass sie für mich bestimmt war.» Ist das durch seine sattgrünen Kletterranken auch als Rapunzel der Zimmerpflanzen bekannte Gewächs die perfekte Ergänzung für das neue Zuhause? Christopher zögert: «Ich hatte immer Angst vor dem Pflanzenkauf. Ich wusste, dass ich am Boden zerstört wäre, wenn ich sie zugrunde richten würde.» Doch die neue Wohnung ist «tragisch, langweilig und ohne Leben» und so beschliesst Christopher, das Risiko einzugehen und eine Wette mit sich selbst abzuschliessen: Bleibt die Efeutute am Leben, so steht weiteren Pflanzenkäufen nichts mehr im Weg.
Vom Pflanzenneuling zur Instagram-Sensation Das kleine Pflänzlein gedeiht und damit auch die Freude am satten Grün in der Wohnung. Christopher klappert Gärtnereien ab und informiert sich über die Hege und Pflege der wachsenden Pflanzenfamilie. Ein Instagram-Konto hält die wachsende Faszination an der Botanik fest. «Am Anfang zeigte ich mich nicht in den Fotos, weil ich mich darauf konzentrieren wollte, die Pflanzen zu dokumentieren», sagt Christopher. «Doch dann realisierte ich, dass ich auch meine Freude an ihnen ausdrücken und mit der Welt teilen wollte, besonders als schwarze, nichtbinäre Femme.» Die «Plant Kween» wurde geboren.
Das war 2016. Aus dem Kauf der Efeutute ist eine Leidenschaft und sogar eine Karriere entstanden. Heute zählt Christopher über 190 Pflanzen in der Wohnung, über 350 000 Follower auf Instagram und 1 Buch: Ende März erschien – vorerst nur auf Englisch – «You grow, gurl!» im Harper Design Verlag. Darin gibt Christopher die gelernten Pflanzenweisheiten und Tipps weiter sowie all die kleinen Freuden, die man als Pflanzenmama so verspürt.
Auf den Fotos ihres Instagram-Accounts gibt die Plant Kween mit den Pflanzen in ihrer Wohnung an, flaniert durch Gewächshäuser oder zeigt ihrer Community, wie sie ihren neuen Philodendron pflegt. Aus Christophers Content nicht wegzudenken sind ein grosses Grinsen, Laufsteg-würdige Posen und Tageslicht, viel Tageslicht. Überhaupt sind Pflanzen ein beliebtes Motiv auf Instagram, wie diese Konten beweisen.
Ein Austausch mit der Natur Was macht die grüne Faszination aus? Schliesslich ist das Halten von Pflanzen nicht nur ein Nehmen, sondern auch ein Geben. Zimmerpflanzen wollen gewässert, gedüngt, ins richtige Tageslicht gerückt und hie und da auch mal umgetopft werden. Doch gerade diese Fürsorge für ein lebendes Ding mache das Hobby aus. «Die Natur ins Haus zu holen, baut meinen Stress und meine Ängste ab», sagt Christopher. «Wenn ich einen anstrengenden Tag habe, lege ich eine Pause ein und sehe nach meinen Pflanzen. Das gibt mir die Gelegenheit, für einen Augenblick die Technologie des Alltags aussen vorzulassen, meiner Stimme und meinen Gedanken eine Auszeit zu geben und mich auf das Wesentliche zu besinnen: den Austausch mit der Natur.»
Die Pandemie bestärkte dieses Bedürfnis. Für Christopher wurde die Pflanzenpflege zu einem bedeutenden Bestandteil der Selbstfürsorge und somit des persönlichen Wohlbefindens. «Mich um Pflanzen zu kümmern führte dazu, dass ich besser auf mich aufpasste», so die Plant Kween. «Ich überlege mir dann auch: Habe ich genügend Wasser getrunken? Kriege ich genug Tageslicht? Höre ich auf die Bedürfnisse meines Körpers?»
Für jeden Typ das passende Grün So wie Christopher ging es während der Pandemie vielen anderen auch. Der Berner Florist Mario Burkhard nahm während des Lockdowns ein grösseres Bedürfnis der Menschen wahr, ihre eigenen vier Wände aufzuwerten. «Auf einmal war es wichtig, sich zuhause wohlzufühlen», sagt er. «Blumen und Zimmerpflanzen bringen Leben in einen Raum, der sonst kalt und leer wirkt.»
Wer Marios Laden betritt, soll nicht das erstbeste Gewächs auf dem Regal kaufen, sondern etwas finden, das zu Persönlichkeit und Lebensstil passt. So eignen sich Schnittblumen beispielsweise für Menschen, die gerne Abwechslung und bunte Farben mögen und in ihrer Einrichtung saisonale Akzente setzen wollen, zum Beispiel mit Tulpen im Frühling oder mit Sonnenblumen im Sommer.
Damit man die Schnittblumen möglichst lange geniessen könne, sei eine saubere Vase ohne Rückstände sehr wichtig, betont Mario. Wer Pflanzennahrung einsetzt und regelmässig das Wasser wechselt, kann die Lebensdauer des Strausses verlängern. Ebenfalls eine gute Strategie sei das Kürzen der Blumenstiele. «Das muss jedoch ein sauberer, schräger Schnitt sein, sonst bringt das nichts», so der Florist. Dadurch könne die Blume optimal Wasser aufnehmen.
Aufgrund der hohen Energiepreise sind Schnittblumen 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich teurer geworden (MANNSCHAFT berichtete). Engpässe wird es nach Erwartung des Handels aber nicht geben.
«Die Natur ins Haus zu holen, baut meinen Stress und meine Ängste ab.»
Der Kauf von Zimmerpflanzen soll gut überlegt sein. «Von günstigen Sträuchern bis hin zu teuren Raritäten ist die Bandbreite gross», sagt Mario. In den Kauf miteinbezogen werden soll der beabsichtigte Standort sowie der Bedarf der Pflanze an Tageslicht, Wasser und Luftfeuchtigkeit. So eignen sich bestimmte Exemplare nicht für Menschen, die gerne oft und lange verreisen und die Pflanze in dieser Zeit sich selbst überlassen. «Zimmerpflanzen sind eine langfristige Anschaffung.»
Robuste Einstiegspflanzen Wer sich ein langfristiges Überleben einer Zimmerpflanze in den eigenen vier Wänden noch nicht so richtig zutrauen will, dem sei der Besuch eines Fachgeschäfts ans Herz gelegt, so Mario: «Mit einer persönlichen Beratung kann man schnell herausfinden, was am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt.»
Pflanzen, die in grossen Baumärkten oder Einrichtungshäusern verkauft werden, bringen oft nicht die besten Voraussetzungen für ein langes Leben mit. «Wir sprechen hier von Massenprodukten, die schnell und günstig hergestellt wurden», sagt Mario. «Teilweise sehen diese Pflanzen auf der Warenfläche über Wochen kein Tageslicht. Solche Exemplare halten in der Regel nicht sehr lange.» Wer den eigenen grünen Daumen auf die Probe stellen will, tut das am besten mit einer Einstiegspflanze. Dafür eigne sich beispielsweise der Blaufarn oder die Sansevieria – im Volksmund auch als Schwiegermutterzunge bekannt –, so Mario.
Die Plant Kween stimmt Mario zu. «Eine Sansevieria ist nicht totzukriegen. Sie hält sowohl schattige als auch helle Standorte sowie pralle Sonnenstrahlen aus. Sie kommt mit sehr wenig Wasser klar und ist eine wunderbare Luftreinigerin.»
Auch die Efeutute ist eine geeignete Einstiegspflanze. «Sie ist wirklich sehr pflegeleicht und erholt sich schnell, falls sie mal nicht genügend Wasser bekommen hat», sagt Christopher. «Zudem wächst sie sehr schnell, was für viele befriedigend ist.» Ein weiterer Pluspunkt: Die Efeutute produziert schnell Ableger, die man verschenken oder selbst grossziehen kann.
In Christophers Repertoire der Einstiegspflanzen befindet sich zudem die Zamioculcas zamiifolia, die auch nicht viel Wasser braucht. Ihre Blätter kommen selbst bei tiefer Luftfeuchtigkeit gut klar. Mit Zamioculcas zamiifolia ist die Glücksfeder gemeint. Die Plant Kween kichert: «Wenn ich kann, dann verwende ich die wissenschaftlichen Namen der Pflanzen. Sie erinnern mich an die Namen von Dragqueens. Ficus Elastica klingt doch viel besser als Gummibaum!»
Christopher hält nicht viel davon, Pflanzen gut zuzureden. «Aber wenn ich sie störe oder sie anremple, dann entschuldige ich mich bei ihnen», sagt Christopher. «Und ich spiele Musik für sie ab, Klassik oder Soft Jazz. Studien belegen, dass die Vibrationen das Zellenwachstum fördern. Aber es kann auch nur daran liegen, dass die Menschen, die für ihre Pflanzen Musik laufen lassen, einfach gute Pflanzeneltern sind.»
Die Kenntnis wissenschaftlicher Namen und klassische Musik sind jedoch keineswegs notwendig, um erfolgreich Pflanzen halten zu können. Die Voraussetzungen dafür sind Geduld und Übung, so die Plant Kween. Und das Bewusstsein dafür, dass Pflanzen manchmal sterben. «Ich habe über 190 Pflanzen in meiner Wohnung, doch das braucht Zeit. Pflanzen sind keine Möbel. Es sind atmende Lebewesen.»
10 Tipps für einen grünen Daumen
1. Giessen Wie so oft gilt hier: Weniger ist mehr. Die Erde nie in Wasser tränken, sonst verfaulen die Wurzeln. Unterteller regelmässig leeren. Einmal monatlich kannst du deine Pflanze in die Spüle stellen und das Wasser durchlaufen, bis sich die Erde vollgesogen hat.
2. Wasser Besonders in Gebieten mit stark kalkhaltigem Wasser empfiehlt Mario, dieses zu filtern. So lassen sich Kalkablagerungen vermeiden. «Das Wasser aus dem Wäschetrockner eignet sich gut dafür», sagt er.
3. Luftfeuchtigkeit Besonders im Winter ist die Luft vielen Zimmerpflanzen zu trocken. Für ein ideales Raumklima befeuchtest du einmal pro Woche die Blätter mit einer Sprühflasche. Ausnahme: Kakteen und Sukkulenten. Ein Luftbefeuchter tut es natürlich auch.
4. Drainage Eine Drainage ist zwingend notwendig, damit sich keine Staunässe bildet. Verfügt dein Topf über kein Loch, kannst du natürlich selbst eins bohren. Oder du legst am Boden eine Drainageschicht mit Lavasteinen an. In diesem Fall nicht zu viel giessen!
5. Erde Vor dem Pflanzenkauf empfiehlt dir Christopher, die Pflanze sowie die Erde zu kontrollieren, vor allem in grossen Warenhäusern. «Du darfst ruhig mit den Fingern in der Erde rumstochern, um nach Käfern oder gar Schädlingen zu suchen. So stellst du sicher, dass du keine ungebetenen Gäste mit nach Hause nimmst.»
6. Pflege Die Pflanze befindet sich nicht mehr in der freien Natur, sondern bei dir zuhause. Statt Wind und Regen liegt es nun an dir, die Blätter zu putzen. Am besten alle zwei bis drei Monate mit einem feuchten Tuch.
7. Körpersprache Deine Pflanze teilt dir mit, wie es ihr geht. Verliert sie viele Blätter, so dürften Staunässe, Lichtmangel oder Trockenheit das Problem sein. Vergilbte Blätter sind ein Anzeichen für Schädlinge. Welke Blätter deuten auf faule Wurzeln hin und eine verblasste Farbe spricht für zu viel Licht.
8. Umtopfen Kleine Pflanzen topfst du ungefähr alle zwei Jahre um, grössere alle vier Jahre. Am besten wählst du immer einen grösseren Topf, um den Wurzeln mehr Platz zu geben. Der Moment des Umtopfens ist ein guter Zeitpunkt, um diese auf Schädlinge zu kontrollieren.
9. Standort Luftfeuchtigkeit, Licht, Temperatur und auch die Raumaktivität spielen bei der Platzierung eine Rolle. Am besten schlägst du die individuellen Bedürfnisse deiner Pflanze nach oder lässt dich beraten. Allgemein gilt: Pflanzen nicht oberhalb der Heizung stehen lassen und direkte Sonneneinstrahlung vermeiden.
10. Schädlinge Oft kann es vorkommen, dass du Larven oder Schädlinge mit der Blumenerde in die Wohnung reinschleppst. Um auf Nummer sicher zu gehen, kannst du die Erde im Backofen etwa 30 Minuten bei 70 Grad sterilisieren. Einwandfreie Erde ist im Fachgeschäft oder in der Gärtnerei erhältlich.
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