Wie «schwul» darf eine Wagner-Oper in der Slowakei sein?
Die neue rechtspopulistische Kulturministerin hatte erst Mitte November eine LGBTIQ-Fotoausstellung gestoppt
Wagners «Tannhäuser» wurde 1845 in Dresden uraufgeführt. Nun plant das Nationaltheater in Koš
ice eine Neuproduktion, in der der Titelheld als Doppelgänger des schwulen Wagner-Sohns Siegfried interpretiert wird und auch sonst viele LGBTIQ-Elemente vorkommen.
Die künstlerische Produktionsleitung von Ondrej Soth, Roland Khem Tóth und Stanislav Trynovský verlegt das Künstlerdrama «Tannhäuser» – in dem es darum geht, wie der mittelalterliche Titelheld zwischen dem «sündigen» Venusberg und der «reinen» Liebe zu Elisabeth hin und her gerissen ist – in die 1920er-Jahre und eine ans Musical «Cabaret» erinnernde dekadente Welt, vorm Hintergrund des herausziehenden Nationalsozialismus.
Konkret bedeutet das: In diesem «Tannhäuser» wird Richards einzigen Sohn Siegfried Wagner (1869-1930) ins Zentrum der Geschichte gerückt. Siegfried war in Nachfolge seiner Mutter Cosima ab 1908 alleiniger Leiter der Bayreuther Festspiele, seine letzte Inszenierung dort war 1930 der «Tannhäuser».
«Begehrtester Junggeselle Deutschlands» Siegfried war als «begehrtester Junggeselle Deutschlands» berüchtigt für seine homophilen Freundschaften und Affären, was immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Als ein Journalist drohte, ihn offiziell zu outen, heiratete Siegfried 1915 überstürzt die gerade 18 Jahre alt gewordene Winifred Williams Klindworth, die nach seinem Tod 1930 die Leitung der Festspiele übernahm und teils mit seinen Liebhabern weiterkorrespondierte, wie u.a. die Siegfried-Wagner-Ausstellung im Schwulen Museum Berlin dokumentierte.
Die Neuinszenierung in Ko
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ice unternehme «eine biographische Spurensuche», heisst es offiziell. So wird die Beziehung von Tannhäuser und Wolfram umgedeutet als Beziehung zwischen Siegfried und dem rechtsnationalen Maler Franz Stassen, der im Zweiten Weltkrieg offen mit einem Mann zusammenlebte und trotzdem von Hitler in die sogenannte «Gottbegnadetenliste» aufgenommen wurde.Die Figur der heiligen Elisabeth wird mit Winifred gleichgesetzt, die in der streng rechtskonservativen und von den Nazis hofierten Welt in Villa Wahnfried agiert..Und der Venusberg ist eine Art Kit Kat Klub, in den Siegfried versucht auszubrechen, um seine Begierden auszuleben.
«Bipolare Wirkungsgeschichte» Nun ist es so, dass in Zentraleuropa niemand einen solchen Regietheateransatz besonders bemerkenswert finden würde. Aber: «Anders als im deutschsprachigen Raum gibt es im slawischen Osteuropa (mit wenigen Ausnahmen wie Budapest) keine ausgeprägte Aufführungstradition für die Opern Richard Wagners», teilt das Theater Ko
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ice mit.Weiter heisst es: «Die bipolare Wirkungsgeschichte der Bayreuther Festspiele und des rechtskonservativen Bayreuther Kreises, die Verflechtungen zwischen Winifred Wagner und Adolf Hitler sowie die Reformen von ‹Neu-Bayreuth› und der ‹Werkstatt Bayreuth› werden im Ausland weitaus weniger gebrochen rezipiert als in Deutschland. Unter diesen Gesichtspunkten gewinnt die Inszenierung von Richard Wagners fünfter Oper ‹Tannhäuser› am Nationaltheater Ko
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ice/Slowakei unter der künstlerischen Gesamtleitung des Operndirektoriums von Roland Khern Tóth und Stanislav Trnovský höhere Bedeutung.»Premiere ist am 1. Dezember. Die Frage ist, ob die Presse in der Slowakei auf diese schwule Neuerzählung der «Tannhäuser»-Geschichte eingehen wird – oder diesen Regieansatz einfach mit dem Mantel des Schweigens bedecken wird. Und falls kein Schweigen die Reaktion ist, wird dann alternativ laut dagegen gehetzt? Oder kann es eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema geben?
Queere Trilogie Es handelt sich bereits um die zweite bewusst queere Opernproduktion am zweitgrössten Theater der Slowakei, geplant sind ingesamt drei. Bisher gab es dort Karol Szymanowskis «König Roger» mit Gastspielen bei der Theaterolympiade Budapest (MANNSCHAFT berichtete) und in Bratislava 2023, eine halbszenischen Produktion von Bedrich Smetanas «Dalibor» ist für 2024 geplant. In allen drei Fällen wird versucht, «gezielt LGBTIQ-Aspekte hervorzuheben», was besonders beim von Homoerotik durchzogenen Werk des schwulen polnischen Komponisten Szymanowski naheliegend ist. Damit wolle die Intendanz ein Zeichen setzen und gegen die Lage von LGBTIQ in der Slowakei protestieren, heisst es.
«Internationale Beobachtende (z. B. Friedrich Naumann Stiftung) bezeichnen das Leben queer empfindender Personen in der Slowakei als ‹Albtraum›», heisst es in einer Pressemitteilung. «Die Planung und Konzeption für die ‹Tannhäuser›-Produktion entstand kurz vor Berufung der rechtspopulistischen Kulturministerin Martina Šimkovičová und den slowakischen Regierungswahlen im Herbst 2023.»
Wie die Kulturministerin auf diese Neuproduktion reagieren wird – und vor allem wie sie vom Publikum angenommen wird (oder nicht) – bleibt abzuwarten. Ebenso, wie lange sich ein LGBTIQ-Leitungsteam mit derartigen Produktionen am Nationaltheater wird halten können.
In der Slowakei ist erst Mitte November eine LGBTIQ-Ausstellung der slowakischen Fotografin Dorota Holubová von Kulturministerin Martina Šimkovičová abgesagt worden (MANNSCHAFT berichtete).
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