Vorgucker im Seriencamp: «I am Earth» über eine lesbische Rapperin

Deutsche Produktionen noch zu wenig mutig

Foto: Monday Scripted/NRK
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Mehr als 40 neue Serien zeigt das Münchner Festival «Seriencamp» – Ideen aus aller Welt. Die aus Deutschland könnten insgesamt noch mutiger sein, meint der Programmleiter. In einigen Genres sei Deutschland lange Zeit «richtig, richtig schlecht gewesen».

Der Programmleiter des Münchner «Seriencamp»-Festivals, Gerhard Maier, findet ausländische Serien oft furchtloser als deutsche. «Bei uns fehlen manchmal noch Mut und thematische und inhaltliche Schärfe», sagte er der Deutschen Presse-Agentur vor dem Start des Festivals an diesem Donnerstag. «Natürlich hat sich da sehr viel in den letzten Jahren getan, aber ich würde mir schon eine grössere Vielfalt der Erzählweisen und eine grössere Vielfalt der Perspektiven wünschen.»



Zwar sei «der deutsche Gigant», also der deutsche Medienmarkt, langsam erwacht, aufgerüttelt durch Markteintritte von Netflix und Co sowie die Internationalisierung der Branche. Aber: «Ich glaube, da ist definitiv mehr möglich. Auch in Grossbritannien gibt es natürlich ein Äquivalent zum ‹Tatort› – aber eben nicht nur.» Serien müssten nicht «mainstreamig» sein, um international anzukommen. «Das sieht man ja schon an dem globalen Erfolg von ‹Squid Game›.»

Im Trend liegen nach Angaben Maiers derzeit Serien mit einer gewissen Marke. Er sieht sogar eine «Suche nach Marken» und in «This England» ein gutes Beispiel dafür. «Da sind die Marken Corona und Boris Johnson», sagte er. Die Serie befasst sich mit dem Anfang der Amtszeit Johnsons und dem Beginn der Corona-Pandemie. «Es gibt auf jeden Fall einen Trend, Themen, die noch gar nicht beendet und noch gar nicht verarbeitet sind, so früh wie möglich aufzugreifen.»

Und an «This England» zeige sich noch eine weitere Entwicklung: «Corona hat die Sogwirkung von Serien und die Abwanderung vom Kinofilm beschleunigt», sagte er. Regisseur und Autor Michael Winterbottom hat bislang vor allem Filme gedreht.



Wie es geht mit jungem, klischeefreien Erzählen, zeigt aus Sicht Maiers die norwegische Serie «I am Earth» über eine lesbische Rapperin mit muslimischem Background, die ebenfalls beim «Seriencamp» gezeigt wird. Odile lebt in Bergen, all ihre Freund*innen sind sesshaft. Odile will Musik machen, doch das teilt sie nur mit ihrem besten Freund Stian, der ihr die Türen seines Studios zum Üben öffnet. Ihr Vater möchte sowieso viel lieber, dass sie sich einen Mann sucht. Geoutet hat sich seine Tochter bei ihm noch nicht.

«Ein starker Trend sind Serien, die Musical-Elemente benutzen oder Rap als Erzählformat.» Auch da komme aus Deutschland aber eher wenig. Es gibt da aber etwa die WDR-Serie «Hype», deren Macher*innen Esra und Patrick Puhl Teil der diesjährigen Seriencamp-Jury sind.

Es sei ein Problem, dass die deutsche Film- und Serienbranche nach wie vor überwiegend weiss und männlich sei, sagte Maier. «Aber das ist ein Problem, das man erkannt hat.» Ein anderes wird aus seiner Sicht dagegen noch zu wenig in den Blick genommen: «Wir haben definitiv noch ein Repräsentationsproblem, weil der bildungsbürgerliche Ansatz bei uns so verbreitet ist, ein gewisser Klassismus. Das ist eine noch viel grössere Hürde und sicher ein Grund für einige unserer Nachwuchsprobleme.»

Deutschland ist schon im filmischen Bereich in den vergangenen 20 Jahren richtig, richtig schlecht gewesen.

Mehr als 40 Serien aus aller Welt präsentiert das Seriencamp bis zum Sonntag – darunter auch «This England» mit Kenneth Branagh als britischer Ex-Premierminister Boris Johnson und die neue deutsche Sky-Serie «Souls». «‹Souls› ist für mich ein wunderbares Beispiel was passiert, wenn man ein bisschen mehr visuellen Mut spielen lässt», sagte Maier. «Das zeigt auch, wie Deutschland langsam Genre lernt: Mystery, Horror, Science-Fiction – da sind wir schon im filmischen Bereich in den vergangenen 20 Jahren richtig, richtig schlecht gewesen.»

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