Trans for trans – Welcher Dildo darf es sein?

«Das ist das Queerste, was es gibt, was wir beide hier machen»

Unsere Kolumnistin Anastasia Biefang berichtet über ein intimes Date mit einem trans Mann fernab vom heteronormativen Vorstellungsvermögen.

«Hi, ich bin Jay.» Ich drehte meinen Kopf hin zu dieser eindringlichen Stimme und schaute in ein strahlendes Gesicht, grüne Augen und funkelnde hellrosa Ohrstecker. Um den Hals trug er eine schwere, glänzende Panzerkette in Gold. Auf dem Kopf eine Baseballkappe, nach hinten gedreht.



Er lächelte mich an, freundlich, intensiv. So kann der Abend weitergehen, dachte ich mir. Ich nahm mein eben bestelltes Bier von der Bartheke und drehte mich zu ihm hin. Ich konnte mir ein verlegenes Grinsen nicht verkneifen. Fuck, wie ich es hasse, wenn ich so rüberkomme.

Unsicherheit ist halt nicht mein Ding. Neben aufsteigender Geilheit spürte ich, dass zwischen uns etwas Vertrautes schwebte, etwas Verbindendes. Ich konnte es in dem Moment nicht benennen. Das Gemeinsame zwischen uns ist unser Transsein. Jay ist Ende dreissig, seit über 20 Jahren auf Testosteron. Er trainiert ausgiebig. Sein Körper wirkt wie aus Stein gemeisselt, die Arme und die Bauchmuskeln hart definiert.

Was mir sofort an ihm gefiel, war seine Offenheit. Unbefangen sprach er davon, dass er trans ist, eine Bemerkung, die eher beiläufig fiel, aber Gewicht hatte. Ich mochte diese Art, denn sie erinnerte mich stark an mich und meinen Umgang mit mir, meinem Geschlecht und meinem Körper. Eine Gemeinsamkeit, wie sie unähnlicher nicht sein könnte.

Für die binäre Welt hat er schlicht das perfekte Passing: Er wird ohne Wenn und Aber als Mann gelesen. Was für ein Privileg – zumindest sieht er das so. In der queeren Berliner Bar, wo wir uns trafen, spielte dieses Passing eher eine untergeordnete Rolle. Ausser als Jay gefragt wurde, ob er sicher sei, dass dies der richtige Ort für ihn wäre an diesem Abend, wo der Raum primär trans, inter und nicht-binären Gäste vorbehalten sein sollte.

Ich erinnere mich gerne an unseren ersten Sex. Wir wussten beide über den Körper des anderen Bescheid. Wir hatten bereits darüber gesprochen. Er hat keinen Aufbau, ich kann keinen vaginalen Geschlechtsverkehr haben. Für alles gibt es Hilfsmittel. In Hülle und Fülle und in jeder Grösse. Es war ein bisschen wie im Spielzeugladen.



Welchen Dildo möchtest du denn «haben»? Welch Luxus, dachte ich mir. Ich darf aussuchen. Und auch meine Meinung ändern. Wie ein Boxenstopp bei der Formel Eins, nur ohne Crew. Hand anlegen machen wir selbst. Offen kommunizierten wir über unsere Grenzen bezüglich unserer Körper und unserer Sexualität.

Etwas, was mir mit cis-geschlechtlichen Menschen zwar nicht schwerfällt, aber ein wenig Unbehagen verursacht. Hier keine Spur. Es war ein Austausch auf Augenhöhe, achtsame Instruktionen für ein geiles sexuelles Erleben. Und der Ausgangspunkt für ein völliges Sich-Gehen-Lassen in gefühlter Sicherheit. Ich lasse meine Finger über die Narben unterhalb seiner Brust gleiten, sanft und spielerisch. Er kennt alle meine Narben, hat sie mit Fingern und Zunge erkundet.

Nur einmal wurde es für mich kurz befremdlich. Wir hatten gerade Sex und er meinte, das sei so wahnsinnig heterosexuell. Ich stockte kurz, schaute ihn nachdenklich an und sagte nur: «Was? Niemals. Das ist das Queerste, was es gibt, das, was wir beide hier gerade machen.» Es ist «trans for trans». T4T.

Anastasia
Anastasia

Die trans Perspektive

Anastasia Biefang war die erste trans Kommandeurin der deutschen Bundeswehr und Protagonistin des Films «Ich bin Anastasia». Sie wohnt in Berlin.

[email protected] Illustration: Sascha Düvel



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