Slowenien mit «Mini-Orbán» übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

Dem rechtsnationalen Regierungschef werden nicht nur Angriffe gegen die Pressefreiheit vorgeworfen

Janez Jansa beim EU-Gipfel im Mai 2021 (Foto: Pool Philip Reynaerts/BELGA/dpa)
Janez Jansa beim EU-Gipfel im Mai 2021 (Foto: Pool Philip Reynaerts/BELGA/dpa)

Der slowenische Minsterpräsident Janez Janša ist einer der umstrittensten Staats- und Regierungschefs in der Europäischen Union und wird in politischen Kommentaren mal als «Mini-Orbán», mal als «Mini-Trump» bezeichnet. Jetzt übernimmt sein Land den EU-Ratsvorsitz. Politische Gegner*innen sind besorgt – auch in Deutschland.

Slowenien hat seit diesem Donnerstag den alle sechs Monate wechselnden EU-Ratsvorsitz inne. Die frühere Teilrepublik des zerfallenen Jugoslawiens will sich in seiner Präsidentschaft für schnellere Fortschritte bei EU-Beitrittsgesprächen mit den noch nicht aufgenommenen Balkanländern einsetzen. Zudem strebt sie unter anderem Kompromisse im jahrelangen Streit über eine EU-Asylreform an und möchte die Bemühungen um eine stärkere Widerstandsfähigkeit der EU gegen Krisen wie die Corona-Pandemie vorantreiben.

Als kleines Land mit nur rund 2,1 Millionen Einwohner*innen hat Slowenien bei europäischen Entscheidungsprozessen normalerweise keinen besonders grossen Einfluss. Als EU-Vorsitzland kommt ihm nun aber für eine halbes Jahr eine wichtige Vermittlerrolle bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten zu. Zudem kann es eigene politische Schwerpunkte setzen. Das an Italien, Österreich, Ungarn und Kroatien grenzende Land übernimmt die Funktion von Portugal. Es ist seit 2004 Mitglied der EU und auch der Nato.

Besondere Aufmerksamkeit kommt der slowenischen Ratspräsidentschaft zu, weil die Regierung des Landes von einem in der EU äusserst umstrittenen Politiker geführt wird. Janez Janša macht derzeit damit von sich reden, dass er die Arbeit der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft behindert, indem er die Entsendung zweier slowenischer Ankläger blockiert. Zudem werden dem rechtsnationalen Regierungschef Angriffe gegen die Pressefreiheit vorgeworfen.

Janša wird von politischen Kommentator*innen mal als «Mini-Orbán», mal als «Mini-Trump» bezeichnet. Zuletzt stellte er sichgemeinsam mit dem polnischen Regierungschef beim EU-Gipfel vor Viktor Orbán, als der wegen seines Gesetzes gegen LGBTIQ heftig kritisiert wurde. Viele Medien in Slowenien wie Nova24TV verbreiteten illiberale Ideen nach dem Vorbild Orbáns, berichtete die Deutsche Welle. Die Berichterstattung im Land richte sich gegen Homosexuelle und Migranten und gegen den ungarisch-stämmigen Multimilliardär George Soros.

Wegen der Behinderung der Europäischen Staatsanwaltschaft forderten Europapolitiker*innen die EU-Kommission zum Start der Ratspräsidentschaft auf, ein neues EU-Sanktionsinstrument zu nutzen, um Zahlungen an Slowenien aus dem Gemeinschaftshaushalt auszusetzen. Die jüngsten Entwicklungen im Land erforderten ein sofortiges Handeln der EU, heisst es in einem Brief, der von den deutschen Grünen-Abgeordneten Daniel Freund, Franziska Brantner und Sergey Lagodinsky initiiert wurde.

Scharfe Kritik kam auch von dem linken Europaabgeordenten Martin Schirdewan. «Der jetzige Regierungschef Jansa schüchtert im eigenen Land Journalistinnen und Journalisten ein und streicht nicht regierungstreuen Medienhäusern Gelder», sagte er. Ein inhaltliches Programm für die Ratspräsidentschaft, das über «sicher aus der Pandemie» hinaus gehe, gebe es hingegen nicht.

Jansa weist die Anschuldigungen zurück. So verteidigt er beispielsweise sein Veto gegen die Entsendung zweier slowenischer Staatsanwälte für die neue Europäische Staatsanwaltschaft damit, dass die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit immer wieder falsche Anschuldigungen gegen Politiker aus seinem rechtsnationalen Lager erhoben habe.

In Slowenien mischt sich die katholische Kirche immer wieder in die Politik ein. Nachdem das Parlament im Jahr 2015 ein Gesetz verabschiedet hatte, das gleichgeschlechtlichen Paaren eine vollwertige Ehe ermöglichte, wurde es in einem Referendum kurz vor Weihnachten 2015 wieder ausser Kraft gesetzt. 63,5 % der Stimmberichtigten sagten Nein zur Eheöffnung, mobilisiert von der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupt Papst Franziskus, die für ein Nein plädiert hatten. Im Februar 2017, trat schliesslich ein Gesetz in Kraft, das gleichgeschlechtliche Partnerschaft der Ehe fast gleichstellte – die Adoption fremder Kinder bleibt verboten. (mit dpa)

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