Schwuler Iraner zwangsgeoutet? Druck auf Aussenministerium steigt
Der Arzt lebt schon längere Zeit in Österreich
Ein schwuler Arzt klagt nach Outing gegen Österreich. Neben der Volksanwaltschaft fordert auch Amnesty International das Aussenministerium auf, die Visa-Regeln für Homosexuelle zu überdenken.
Am 16. Oktober beginnt in Österreich ein mit Spannung erwarteter Prozess. Ein aus dem Iran stammender schwuler Arzt verlangt vom österreichischen Staat Schadenersatz in der Höhe von 275.000 Euro. Der Arzt wirft Österreich vor, ihn in seiner Heimat geoutet zu haben (MANNSCHAFT berichtete). Er könne nun nie wieder in den Iran reisen. Denn Homosexualität wird im Iran mit dem Tod bestraft. Der österreichische Staat und das Aussenministerium in Wien bestreiten alle Vorwürfe.
Jurist*innen zufolge stehen die Chancen nicht schlecht, dass der Arzt Schadenersatz bekommt. Denn der Arzt hat sich auch an die österreichische Volksanwaltschaft gewandt. Diese hat die Überprüfung des Falles bereits abgeschlossen. MANNSCHAFT liegt die Antwort der Volksanwaltschaft vor. Darin ist von einem «Missstand in der Verwaltung der Österreichischen Botschaft Teheran» die Rede. Die Volksanwaltschaft regt zudem an, dass die österreichischen Vertretungsbehörden in jenen Staaten, in denen homosexuelle Menschen verfolgt werden, die Regeln für die Visavergabe zu ändern.
Die Vorgeschichte: Der iranische Arzt lebt schon längere Zeit in Österreich. Er hat sich in einen Österreicher verliebt. Beide haben 2021 geheiratet. Ein Jahr später wollte das Paar die Familie des Iraners nach Österreich einladen. Die Familie ist liberal eingestellt. Für die Reise nach Österreich brauchen sie ein Visum. Dieses wird nach einer strengen Prüfung erteilt. Dazu werden Details der Reise genau abgefragt. Das österreichische Aussenministerium und die ihr unterstellte österreichische Botschaft in Teheran haben die Visaabwicklung jedoch an eine in Dubai ansässige Firma mit dem Namen «Visa Facilitation Services Global» (VFS) ausgelagert. Die Firma VFS hat dafür ein Büro in Teheran und beschäftigt dort iranische Mitarbeiter. Die Familie des Arztes war wegen eines möglichen Outings besorgt. Sie ersuchten, dass der Visaantrag nicht von der externen Firma, sondern direkt von der österreichischen Botschaft in Teheran bearbeitet wird. Die Ausnahme wurde nicht gewährt.
In der Klagsschrift heisst es, dass die Mitarbeiter der externen Firma den Vater und die Schwester des Arztes regelrecht verhört haben sollen. Man soll sie dazu gebracht haben, dass sie die Ehe des Arztes mit einem Mann bestätigt haben. Seitdem kann der aus dem Iran stammende Arzt nicht mehr in seine Heimat fliegen.
Im Gegensatz zum Aussenministerium in Wien kann die österreichische Volksanwaltschaft die Sorgen des iranischen Arztes nachvollziehen. Bei der Volksanwaltschaft können sich Menschen beschweren, die von den österreichischen Behörden ungerecht behandelt werden. Nach der Überprüfung des Falles teilte die Volksanwaltschaft mit: «Vor dem Hintergrund zahlreicher Medienberichte, denen zufolge die Ausübung von Homosexualität immer noch zu jenen Verbrechen im Iran zählt, welche mit Verfolgung und Todesstrafe geahndet werden, erschien das an die Österreichische Botschaft Teheran gerichtete Ersuchen im Vorfeld der Antragsstellung, die persönlichen Unterlagen direkt bei der Österreichischen Botschaft vorlegen und bei allfälligen Fragen direkt mit der Österreichischen Botschaft Teheran in Kontakt treten zu können, nachvollziehbar».
Die Volksanwaltschaft regte zudem an, «zumindest die österreichischen Vertretungsbehörden in jenen Staaten, in denen Strafen oder gar Todesstrafen aktuell noch gerichtlich verhängt und exekutiert werden, nochmals entsprechend auf ihre Möglichkeit hinzuweisen, Visumsanträge direkt entgegenzunehmen», heisst es in dem Schreiben, das MANNSCHAFT vorliegt.
Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft verhindert werden.
Auch Amnesty International hat sich eingeschaltet. Dass das iranische Strafgesetzbuch gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt, sei den offiziellen Stellen in Österreich «seit langem ausdrücklich bekannt», betont Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
Daher sei bei der Bearbeitung von Visa-Anträgen von gleichgeschlechtlichen Paaren oder LGBTIQ-Personen aus dem Iran «äusserste Vorsicht und Diskretion geboten». Daher verlangt Amnesty International: «Die österreichischen Behörden müssen eine gründliche und transparente Untersuchung dieses Vorfalls durchführen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft verhindert werden.»
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