Pornostar Sharok nutzt Modenschau für Anti-Mullah-Protest

Der iranische Darsteller sorgte bei der Paris Fashion Week für Wirbel

Pornodarsteller Sharok (Foto: R. J. Sebastian / CockyBoys)
Pornodarsteller Sharok (Foto: R. J. Sebastian / CockyBoys)

Der aus Sexfilmen bekannte «super-masc» Darsteller Sharok sorgte vergangene Woche in Paris im Rahmen der Vorstellung von Louis-Gabriel Nouchis Männerkollektion für den Herbst 2023 für Aufsehen.

Der 36-jährige Iraner, der in den USA lebt, nutzte die Modenschau, um Aufmerksamkeit zu generieren für den anhalten Kampf der iranischen Zivilbevölkerung gegen das Mullah-Regime, das mit Polizeigewalt und Hinrichtungen gegen die seit Monaten anhaltenden Proteste im Land vorgeht (MANNSCHAFT berichtete).

Wir erinnern uns: Die Proteste begannen im September 2022, als die 22-jährige Masha Amini verhaftet wurde, weil sie angeblich ihre Kopfbedeckung nicht gemäss den religiösen Vorschriften der islamischen Hardliner getragen haben soll; sie starb kurz nach ihrer Verhaftung und nachdem sie in Polizeigewahrsam war unter bislang ungeklärten Umständen.

Auf seinem Instagram-Account hat Sharok seither fast täglich Posts veröffentlicht zur Lage im Iran, um seine Wut auszudrücken und seine Unterstützung der Proteste zu signalisieren.

«Teil einer marginalisierten Community» Auf Twitter – wo Sharok normalerweise vor allem Sexfilmausschnitte postet sowie auf seinen OnlyFans-Kanal verweist – hatte er im Januar ein Statement veröffentlicht, in dem er darauf hinweist, dass er «als Iraner und Teil einer marginalisierten Community» seine Social-Media-Plattformen «nicht reinen Gewissens» weiter «ausschliesslich für Arbeit» nutzen könne.

«Ich habe versucht, in den letzten vier Monaten beides zu tun», schreibt Sharok. «Iraner*innen daheim sind mitten in einer Revolution. Für mich, der in der Diaspora lebt, bedeutet das, dass ich meine Pflicht erfüllen muss.»

Als prominenter Pornodarsteller – der u.a. fürs Label CockyBoys gedreht hat, das von sich selbst behauptet, mehr als nur «Porno» zu sein – war Sharok zuletzt eingeladen, als Model auf dem Laufsteg mitzulaufen bei der Paris Fashion Week. Diesen Moment, wo er zwischen all den anderen Männermodellen an Fachpublikum und Pressefotograf*innen vorbeilaufen sollte, wollte Sharok nicht vorübergehen lassen, ohne auch hier seine Pflicht zu erfüllen.

«Frauen. Leben. Freiheit.» Er hatte sein Hemd aufgeknöpft, um ein neues Tattoo direkt unterm Schlüsselbein zu zeigen, das übersetzt heisst: «Frauen. Leben. Freiheit.» Auf einer von mehreren Fanseiten des Darstellers kann man sehen, wie ihm dieses Tattoo kürzlich gestochen wurde.

Nach der Tätowierung war Sharok im Pariser Louvre-Museum und liess sich dort spektakulär mit komplett nacktem Oberkörper vor einer Wand mit persischen Kacheln von Shayan Sajadian fotografieren, einem iranischen Künstler und Filmemacher. Sajadian nennt dieses Werk «Woman.Life.Freedom. / 2022».

Jetzt, im Januar 2023, zeigte Sharok nicht nur dieses neue Tattoo bei der Paris Fashion Week, sondern er hielt auf dem Catwalk auch ein Schild vor sich, auf dem zu lesen war: «Stoppt die Hinrichtungen im Iran.»

Das Foto von dem Auftritt sowie ein entsprechendes Kurzvideo wurden in sozialen Medien vielfach geteilt. Was wiederum die Aufmerksamkeit von Vogue Italia erregte, die selbst ein neues Foto von Sharok mit dem Protestschild veröffentlichte.

«Mode- und Beauty-News des Tages» Dem LGBTIQ-Nachrichtenportal Out.com sagte Sharok, er habe seine Aktion nicht vorab mit der Modefirma abgestimmt, die ihn auf den Laufsteg geschickt hatte. Er betont, dass er seinen Aktivismus nicht bereue und sich «dumm» gefühlt hätte, nicht auf die Gräueltaten aufmerksam zu machen, die sich nach wie vor im Iran ereignen.

«Wenn ich über diesen Laufsteg völlig selbstverliebt und aufmerksamkeitsheischend gelaufen wäre, ohne etwas zu sagen (zum Iran, Anm.), wäre das ein Verrat an allem, wofür ich mich in den letzten Monaten eingesetzt habe», so Sharok zu Out.com.



Viele seiner Fans applaudierten auf Social Media und dankten ihm für sein politisches Engagement. Neben Vogue Italia und Vogue Poland berichtete sogar die Frauenzeitschrift Brigitte über Sharok, die normalerweise eher nicht dafür bekannt ist, Stars aus der Schwulenpornowelt in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Der Bericht lief dort unter der Rubrik «Mode- und Beauty-News des Tages» und war bebildert mit einem Sharok-Foto, das über die grosse Agentur Getty Images verbreitet wird.

Es ist für Pornodarsteller*innen im allgemeinen ungewöhnlich, sich öffentlich politisch zu äussern oder ihre viel abonnierten Social-Media-Kanäle für etwas anderes zu nutzen als für Werbung rund um Pornos und OnlyFans. Denn Äusserungen zu politischen Themen können leicht missinterpretiert werden und zu Anfeindungen führen.

«Virtue signalling» So hat etwa Pornostar Colby Keller vor Jahren mit einem Hinweis, dass er Donald Trump wählen wolle, für massive Empörung gesorgt, was zu einem nach wie vor spürbaren Karriereknick führte. Während viele LGBTIQ-Pornodarsteller sich zuletzt in der Black-Lives-Matter-Bewegung engagierten und damit das betrieben, was manche als «virtue signalling» bezeichnen, sorgten Äusserungen zu Corona kurz darauf bei einigen dafür, dass sie in vermeintlich «rechte» Ecke gerückt wurden – und von Studios wie CockyBoys entlassen wurden. Weil dieses selbst um seinen positiven und weltoffenen Ruf fürchtete, wie der Chef von CockyBoys, Jake Jaxon, gegenüber dem Autor dieser Zeilen in einem Interview erzählte (MANNSCHAFT+ berichtete).

Auf der Pornoinformationsseite aebn wird Sharok beschrieben als 1,80 Meter gross und als «super-masc», der «Twinks im wahrsten Sinn des Wortes zeigt wo’s langgeht» in CockyBoy-Filmen wie «A Man and His Boy» oder in Streifen wie «My God Sharok» für KinkMen/Bound Gods.

Auf seinem Instagram-Profil hat Sharok einen Link eingebaut zur Seite «Middle East Matters», wo man spenden oder Petitionen unterschreiben kann, um Projekte im Nahen und Mittleren Osten zu unterstützen, etwa Forderungen nach Schulbildung für Frauen in Afghanistan oder eben nach einem Ende der Hinrichtungen im Iran.

Menschenrechte ja, Porno nein Im Interview mit Out.com erzählt Sharok, dass er seit langem auf Instagram mit Modedesigner Louis-Gabriel Nouchi befreundet sei. Als ein Bekannter von Sharok zur Modenschau in Paris flog, um auf dem Laufsteg mitzulaufen, signalierte der Pornodarsteller, dass er auch Interesse hätte, dabei zu sein. Nouchi lud ihn zu einem Casting ein, Sharok wurde genommen.

Er habe auch einen Bekannten, der bei der grössten persisch-iranischen Nachrichtenagentur arbeite, so Sharok. «Er wollte die Geschichte über meine Aktion machen, sein Agentur sagte zuerst ‹Ja, das ist toll, er ist der beeindruckend›. Am Ende der Redaktionskonferenz sagte mein Bekannter, dass ich auch Pornos drehe. Worauf die Ansage kam: ‹O nein, dann geht das natürlich nicht. Wir können zu ihm nichts machen. Wir können auch nicht das Foto posten.›»

In vielen Fällen, wenn er Menschen kennenlerne und sie herausfänden, was er macht, würde sich das Verhalten ihm gegenüber ändern, so Sharok. Er merke dann, dass er nicht mehr willkommen sei in bestimmten «spaces». Er lässt offen, ob er damit konkret «spaces» meint, in denen sich politische Aktivist*innen bewegen, die sich für die Protestbewegung im Iran einsetzen.

Allerdings ist genau das das Thema des Out-Interviews mit Mikelle Street, so dass man Sharoks Bemerkung unmittelbar auf politische Aktivist*innen beziehen kann, die für Freiheit, Menschen- und Frauenrechte kämpfen, aber scheinbar ein Problem mit einem Darsteller aus der schwulen Pornowelt haben.

Mit dem lesbischen Sex-Podcast wollen Aktivistinnen weg von Porno-Klischees und queeren Aktivismus betreiben (MANNSCHAFT berichtete).

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