«Ich habe Joe Bidens Liebe gespürt»

Rufus Wainwright über Cancel Culture und Joe Biden, ein Jahr nach den US-Wahlen

Rufus Wainwright (Foto: Jörg Carstensen/dpa)
Rufus Wainwright (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Rufus Wainwright ist schon zu Lebzeiten ein Klassiker. Elton John bezeichnete ihn als den «grössten Songschreiber auf dem Planeten», und Sting hält seine Mixtur aus theatralischem Pop, Jazz, Folk und Oper für «zeitlos». Ende des Monats erscheint von Wainwright ein Album, auf dem er mit einem Sinfonieorchester arbeitet. Olaf Neumann traf den 48-Jährigen zum Interview.

Auf der neuen Platte singen Sie einen 35 Jahre alten Song von Ihrem Vater Loudon, «Out Of This World». Warum haben Sie sich ausgerechnet für diesen Titel entschieden, der sich mit dem Tod beschäftigt? Mein Vater hat schon immer über den Tod geschrieben. Ich bin jetzt sehr daran interessiert, die Arbeit meines Vaters zu begutachten. Bei meiner Mutter habe ich das leider versäumt, als sie noch lebte. Ich hätte ihr gerne noch viele Fragen gestellt. Jetzt singe ich gerne die Lieder meines Vaters, weil er noch lebt und ich Dinge aus erster Hand erfahren kann.

«Out of this world» schrieb Ihr Vater 1985. Ist die Welt von heute besser oder schlechter als die von damals? Wenn Sie schwul sind, dann ist sie definitiv besser. Wenn Sie ein heterosexueller weisser Mann sind, war die Welt 1985 wahrscheinlich besser. (lacht)

Ist Joe Biden aus Sicht von Schwulen und Lesben ein guter Präsident? Ich bin Biden vor ein paar Jahren bei einem LGBTIQ-Event im Weissen Haus persönlich begegnet. Er war wirklich aufrichtig und glücklich, dort zu sein. Man hat seine Liebe gespürt. Und sie war echt.

Glauben Sie, dass wir gerade das letzte Aufbäumen der weissen heterosexuellen Männer erleben? Ja. Es ist vielleicht ihr letzter Kampf, aber auch unserer. Wenn sie gewinnen, sterben wir alle, weil die Erde dann zerstört ist. Es geht wirklich hauptsächlich um die Umwelt. Es geht darum, den Planeten vor einem ökologischen Desaster zu bewahren. Die Trump-Leute glauben nicht, was hier passiert. Das ist der grosse Kampf.

Ist Wut eine Energie, die Sie in Ihrem künstlerischen Leben genutzt haben? Definitiv. Vor kurzem habe ich ein Lied über Hass geschrieben. Hass kann ein Kuss sein, den wir alle fühlen müssen. (lacht) Er führt zu einem Erwachen. Hoffentlich wachen wir dann in einem schönen Traum auf und nicht in einem Albtraum.

Was noch macht Sie heutzutage wütend? Hauptsächlich die Umweltzerstörung und die Partei der Republikaner. Ich ärgere mich teilweise auch über die Cancel Culture, die Menschen keine zweite Chance geben will, sich zu rehabilitieren. Aus Wut wird Vergebung. Hoffentlich.

Rufus Wainwright: «Amsterdam Sinfonietta Live 2017», ab 26. November. Auf Tour in 2022.

Unterstütze LGBTIQ-Journalismus

Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!

Das könnte dich auch interessieren