Rechtsruck in Nieder­landen: Geert Wilders klarer Wahlsieger

Das Land öffnete einst als weltweit erstes die Ehe

Foto: X/Geert Wilders
Foto: X/Geert Wilders

Seit fast 20 Jahren mischt der Rechtsaussen Wilders mit seiner islamfeindlichen Partei die Niederlande auf. Jetzt ist er der grosse Wahlsieger. Doch allein regieren kann er nicht. Auch wenn andere Rechtspopulisten in Europa schon jubeln.

Die Niederlande stehen nach dem triumphalen Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl vor einem historischen Rechtsruck – 23 Jahre, nachdem das Land als weltweit erstes die Ehe für schwule und lesbische Paare geöffnet hat (MANNSCHAFT+).

Der Rechtsaussen will nun mit seiner islamfeindlichen Partei regieren und Nachfolger des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte werden, der nach einer Rekord-Amtszeit von der nationalen Politikbühne abtritt. Doch ob Wilders‘ Partei wirklich ein Bündnis mit anderen Partner*innen schmieden kann ist offen. Denn Koalitionsverhandlungen dürften schwierig werden.

«Das Signal, das der niederländische Wähler nun gibt, ist: Es muss anders werden», sagte Wilders am späten Mittwochabend. «Die Niederländer müssen wieder Nummer eins sein.» In seinem Parteiprogramm fordert der 60-Jährige, Moscheen und den Koran zu verbieten und spricht sich für den Nexit aus – den Austritt der Niederlande aus der EU. Auch will er die Grenzen schliessen, Geflüchtete und Arbeitsmigrant*innen nicht mehr ins Land lassen und Klimaschutz als politisches Ziel abschaffen. Während seine Partei (bisher) für die Rechte Homosexueller ist und damit u.a. erklärt, warum sie den Islamunterricht an Schulen nicht unterstützt, setzt sie sich nicht für trans Rechte ein. Laut Parteiprogramm sollten Schulkinder nicht mit «Geschlechterwahnsinn» «indoktriniert» werden.

Nach einer Hochrechnung, die die Nachrichtenagentur ANP am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichte, dürfte Wilders‘ Partei für die Freiheit (PVV) auf 36 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments kommen, die vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag ist. Das wären mehr als doppelt so viele Mandate wie bei der vorherigen Wahl 2021.



Zweitstärkste Kraft ist demnach das rot-grüne Bündnis mit dem früheren EU-Kommissar Frans Timmermans an der Spitze, das auf 25 Sitze hoffen kann – acht mehr als bislang. Die Spitzenkandidat*innen müssen sich fragen, ob sie alles richtig gemacht haben. So hielt Timmermans vor seinem Anhang aus Grünen und Sozialdemokraten in der Wahlnacht zwar eine emotionale Rede mit dem Aufruf, die Niederländer müssten jetzt «die Demokratie verteidigen». Allerdings musste er sich sofort kritisch fragen lassen, warum er das nicht früher getan habe.

Ruttes rechtsliberaler VVD mit der Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz werden nur noch 24 Sitze zugerechnet – zehn weniger als bei der vorigen Wahl. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), kommt laut Hochrechnung auf 20 Sitze. Für eine koalitionsfähige Mehrheit wären also mindestens drei Parteien nötig.

Der Wahlsieg der mit islam- und ausländerfeindlichen Parolen punktenden VVD in den als liberal geltenden Niederlanden schockte viele etablierte Parteien. Nicht nur Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände reagierten entsetzt. Andere Rechtspopulist*innen in Europa hingegen bejubelten Wilders‘ Triumph. «Herzlichen Glückwunsch zu diesem grossen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!», schrieb AfD-Chefin Alice Weidel im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders. Auch die FPÖ in Österreich feiert seinen Sieg.

Doch noch ist ungewiss, ob er wirklich Erfolg haben wird mit seinem Aufruf an Parteien des rechten Spektrums, mit ihm zusammenzuarbeiten. «Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen», so Wilders. Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille ignoriert werden.

Schon am Wahlabend hatte der Chef der neuen Zentrumspartei NSC Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Und auch VVD-Chefin Yesilgöz scheint nicht abgeneigt. Erst einmal sei nun Wilders am Zug, sagte sie: «Wir werden das in der Fraktion gut abwägen. Dann schauen wir, wohin das führt.»

Wilders zeigte sich sehr bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen seiner Partei zu zerstreuen. Er wolle ein «Premier aller Bürger sein». Die von ihm angestrebte Zwangsschliessung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, den «Asyl-Tsunami» zu begrenzen.

Im Endspurt des Wahlkampfes hatte Wilders in den Umfragen zugelegt und die Favoritin Yesilgöz abgehängt. Viele sehen die rechtsliberale Frontfrau als mitverantwortlich dafür an. Sie habe Wilders endgültig salonfähig gemacht, meinen Kritiker*innen. Während Yesilgöz eine Koalition mit Wilders nicht ausgeschlossen hatte, war ihr Parteifreund Rutte stets als vehementer Gegner eines Bündnisses aufgetreten.

Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler*innen ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen. Zu Wilders‘ Parolen gehört deshalb nicht nur «Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden», sondern auch «Mehr Personal in der Pflege» und «Niedrigere Mieten und Steuern». Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders‘ Partei hat nur ein einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.

Die vorgezogene Parlamentswahl wurde notwendig, nachdem Ruttes Mitte-Rechts-Koalition im Sommer nach nur 18 Monaten zerbrochen war. Anlass dafür war ein Streit über die Migrationspolitik. Rutte, der mit 13 Jahren am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, kündigte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik an. Er will jetzt Nato-Generalsekretär werden. Bis zur Vereidigung einer neuen Regierung soll Rutte aber im Amt bleiben.

In der Slowakei ist eine LGBTIQ-Austellung der slowakischen Fotografin Dorota Holubová abgesagt worden. Kritik kommt auch aus dem Nachbarland Österreich (MANNSCHAFT berichtete).

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