Pissoir in München wird Gedenkort für Freddie Mercury
Auch Rainer Werner Fassbinder und Albert Einstein werden am Holzplatz verewigt
Die Initiative «The PISSOIR» verwandelt das alte Klohäuschen am Münchner Holzplatz in ein kleines Schmuckstück. Die Idee, hier einen Gedenkort für «drei grosse Gast-Isarvorstädter» zu gestalten, wird vom Bezirksausschuss 2 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und dem Kulturreferat der Landeshauptstadt unterstützt.
Über viele Jahre verrottete das alte Klohäuschen am Holzplatz/Ecke Pestalozzistrasse, wurde beschmiert, weil immer wieder Pläne zur Nutzung des Objekts scheiterten. Jetzt wird es ein Gedenkort für drei namhafte Gäste der Isarvorstadt: Albert Einstein, Rainer Werner Fassbinder und Freddie Mercury.
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Das Pissoir am Holzplatz stammt aus dem Jahr 1900. Es ist ein gusseisernes Oktogon, das unter Denkmalschutz steht. Es stand ursprünglich am Stachus und wurde in den 1950er-Jahren an den Holzplatz verlegt. Seit den 1990ern ist es ausser Betrieb und verschlossen. Es wurde nur einmal für eine Ausstellung zum Christopher Street Day 1998 als Raum für die Ausstellung «Klappe auf» genutzt. Seitdem steht es leer.
«The PISSOIR» ist eine Initiative von Martin Arz (Autor, Künstler und Inhaber des Hirschkäfer Verlags) und Thomas Zufall (Wirt von «München 72» am Holzplatz). Erklärtes Ziel war es, aus dem vernachlässigten Klohäusl ein Schmuckstück für das Viertel zu machen: ein Gedenkort für berühmte Gast-Isarvorstädter: Freddie Mercury, Rainer Werner Fassbinder und Albert Einstein. Eingeweiht wird das Memorial mit einer Vernissage am kommenden Mittwoch um 10 Uhr.
In der international renommierten Münchner Streetart-Gruppe «Graphism« fanden sich Partner zur künstlerischen Umsetzung der Idee. Die Initiative wird unterstützt vom Bezirksausschuss 2 (BA2) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Massgeblich zum Gelingen des Projekts habe Beate Bidjanbeg vom BA2 beigetragen, heisst in einer Pressemitteilung.
Das Enfant Terrible der deutschen Film- und Theaterszene, Rainer Werner Fassbinder (1945- 1982), ist eng mit der Isarvorstadt verbunden. In der Müllerstrasse 12 etablierte sich ab 1966 das avantgardistische »Action-Theater«. Ein Jahr später stiess Fassbinder (mit Hanna Schygulla und Irm Hermann im Schlepptau) zur Truppe und entwickelte hier sein Konzept des Antitheaters. Im Juni 1968 liessen die Behörden das Action-Theater wegen Baumängeln schliessen.
Fassbinder blieb dem Viertel aber erhalten. So kam er eines Tages im Jahr 1974 in die Deutsche Eiche und verliebte sich auf den ersten Blick in den Aushilfskellner Armin Meier. Um Armin nahe sein zu können, zog Fassbinder ins Haus gegenüber, Reichenbachstrasse 12. Fortan galt die Eiche als sein Wohnzimmer. Fassbinder drehte immer wieder auch in der Eiche (u. a. «Lola«) und machte den gelernten Metzger Armin Meier zum Star einiger Filme. Teile von «Deutschland im Herbst« wurden in dieser Wohnung gedreht. Fassbinder zerbrach schier am Selbstmord des Geliebten 1978 und verliess die Isarvorstadt. In seiner alten Wohnung befindet sich heute ein Büro.
Dann war da natürlich Freddie Mercury (1946-1991). Der Queen-Leadsänger und Solokünstler gilt nicht nur als einer der grössten Rockstars aller Zeiten, er war auch einer der schillerndsten Gast Glockenbacher aller Zeiten. Ab 1979 lebte er längere Zeitabschnitte in München, erst in der Stollbergstrasse, dann in der Pestalozzistrasse (direkt am Holzplatz), schliesslich in der Hans Sachs-Strasse, und tauchte tief in die Münchner Schwulenszene ein.
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Damals zählte München neben San Francisco, New York und Amsterdam zu den vier Top-Gay Cities der Welt. Unvergesslich bleibt Mercurys 39. Geburtstag 1985; den feierte er im Gayclub «Mrs. Henderson», Rumfordstrasse 2 – und die Kameras liefen! Er nutzte die wilde Party, um das Video zu seinem Hit «Living On My Own» zu drehen. Freddie Mercury im frivolen Münchner Nachtleben? Das war dann dem britischen TV zu viel: Die BBC bezeichnete die Münchner Sause zwar ehrfürchtig als «Mutter aller Parties», weigerte sich aber jahrelang, das Video auszustrahlen! Freddie Mercurys Band Queen ist die erste Band, die jemals auf einer offiziellen britischen Münze gefeiert wird (MANNSCHAFT berichtete).
Und dann natürlich Albert Einstein (1879-1955): Der wohl berühmteste Gast-Isarvorstädter, kam im Alter von einem Jahr mit seiner Familie nach München. Vater und Onkel, die Brüder Hermann und Jacob Einstein, betrieben die «Electrodynamische Fabrik J. Einstein & Ci.» in der Adlzreiterstrasse 12. Die Firma Einstein elektrifizierte das erste Oktoberfestbierzelt (den Schottenhamel) und Schwabing. 1885 wurde Albert in der katholischen Petersschule am Sendlinger Tor eingeschult. In der Grundschule war er mit «einem glänzenden Zeugnis» Klassenbester. Ab 1888 besuchte er das Luitpoldgymnasium in der Müllerstrasse 7.
Eigentlich sollte Einstein hier das Abitur machen. Doch 1894 verlegten die Brüder Einstein ihren Firmensitz nach Pavia bei Mailand. Albert blieb in München. Er bekam immer wieder Ärger, sein Klassenleiter sagte ihm: «Ihre blosse Anwesenheit verdirbt mir den Respekt der Klasse.» Also meldete sich Einstein vom Luitpoldgymnasium ab und folgte den Eltern nach Mailand.
München war im 19. Jahrhundert der grösste Flosshafen Europas. Bis zu 12.000 Flösse legten jährlich in München an. Es gab zwei Flossländen in der Stadt: Die grosse «Untere Lände» lag an der Museumsinsel und dem gegenüberliegenden Isarufer, die kleinere «Obere Lände» war am Westermühlbach am heutigen Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz. Genau dazwischen liegt: die Isarvorstadt! Dieses Viertel war das Hafenviertel Münchens, mit allem, was dazugehört.
Die Flösse brachten Waren aus dem gesamten Alpenraum und Norditalien in die grosse Stadt. Und auch die Flösse waren Ware, das Holz wurde in unserem Viertel stapelweise gelagert, weiterverkauft oder verarbeitet – daher haben Holzstrasse, Holzplatz und Baumstrasse ihre Namen. Die Eisenbahn brachte den Flössern das Ende. Dass München einst eine bedeutende Hafenstadt war, weiss kaum noch jemand.
Zu jedem Hafenviertel der Welt gehören auch Rot- und Zwielicht. So auch in der Isarvorstadt. Eine Statistik aus dem Jahr 1914 besagt, dass zwischen Gärtnerplatz und Schlachthof 42,9 % der polizeilich registrierten Huren Münchens anschaffen gingen. Bis 1972 (Einführung des Sperrbezirks) gehörten Strip- und Animierschuppen ganz selbstverständlich zum Strassenbild.
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Im Schummerlicht des Amüsierviertels fanden queere Menschen vor allem in den Zeiten der Verfolgung eine Möglichkeit sich eine Nische einzurichten. In der Arndtstrasse/Ecke Am Glockenbach gab es den «Arndthof», neben dem «Schwarzfischer» in der Dultstrasse, das letzte Schwulenlokal der Stadt, als die Nazis an die Macht kamen. Im Oktober 1933 wurden «Arndthof» und «Schwarzfischer» in einer Razzia geräumt. Alle Anwesenden kamen in das neu eröffnete KZ Dachau. Die Künstler von «Graphism» erinnern in ihrem Bild auch an das schreckliche Schicksal der Münchner Schwulen – hinter dem Porträt von Fassbinder sind Sträflingskleidung und rosa Winkel eingearbeitet.
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