Pierre de Maere – Der neue Pop-Dandy aus Belgien

Nach ersten Versuchen auf Englisch singt er auf Französisch

Pierre de Maere (Foto: Screenshot/Un jour, je marierai un angel)
Pierre de Maere (Foto: Screenshot/Un jour, je marierai un angel)

Der 21-jährige androgyne Pop-Dandy Pierre de Maere lässt sich inspirieren von den Besten, darunter Freddie Mercury und Lady Gaga.

Dass frankophone belgische Künstler*innen gerne schnell in den Kreis der französischen Kulturprovenienz eingemeindet werden, hat schon eine lange Tradition. Ob Annie Cordy, Jacques Brel, Adamo, Arno, Plastic Bertrand, Axelle Red, Maurane, Lara Fabian oder in jüngerer Zeit Stromae, Damso, Angèle und ihr rappender Bruder Roméo Elvis: Sie alle gelten im Rest der Welt schnell als «Franzosen», so wie wahrscheinlich Peter Kraus, Udo Jürgens und Peter Alexander hierzulande auch mehr oder weniger kulturell ‚eingedeutscht’ wurden.

So ähnlich wird es nun auch Pierre De Maere (gesprochen «De Maar») ergehen, dem neuen Star an Belgiens und (etwas zeitversetzt nun auch an) Frankreichs Pophimmel. Seinen wunderbaren zeitgeistigen Elektropop präsentiert uns dieser Jungstar auf seinem Debütalbum «Regarde-moi» («Schau mich an»), welches prallvoll mit eigenen Kompositionen in Ton und Text, gemeinsam produziert mit seinem Bruder Xavier, gefüllt ist.

«Schau mich an», besagt als Titel schon alles, denn der knapp 22-jährige androgyne Pop-Dandy will bestaunt werden, so wie er sicherlich einst vor dem Spiegel im Kinderzimmer seine Posen übte, denn der kleine Pierre ahnte vielleicht schon früh, dass er zu etwas Grösserem geboren wurde. Inspiriert von den Besten, wie Freddy Mercury, Lady Gaga aber vor allem von Stromae, dem belgischen Ausnahmekünstler par exellence.

Aus dem Schmelztiegel Brüssel, wo De Maere im Mai 2001 geboren wurde, zogen seine Eltern 10 Jahre später in die kleine Gemeinde Walhain (zwischen Brüssel und Namur gelegen), des entspannten Ambientes wegen. «Ich hatte (dort) ein sehr friedliches und glückliches Leben, aber dieses Kleinstadtleben war schon ein bisschen eintönig», wird er zitiert.

Doch die Langeweile liess De Maere kreativ werden und mittels der Garage-Band App werkelte der pubertierende Knirps an seinen ersten musikalischen Ideen. Doch dann entdeckt Pierre erst noch die Modewelt für sich, interessierte sich für Styling, Fotografie und frequentierte Modelagenturen.

Schon bald sollte sich all das wieder mit seinen musikalischen Ideen zusammenfügen und nach ersten Versuchen auf Englisch erscheint 2019 sein erster, in Gemeinschaft mit seinem Bruder, am Computer gebastelter Song: «Potins Absurdes» («Sinnfreies Getratsche»), in dem er gleich die Frage aller Fragen vorwegnimmt, die man ihm sicherlich sowieso alsbald stellen würde:

«Dis moi, Pierre, aimes tu les garçons?» («Sag mir, Pierre, magst du Jungs?») Und weiter: «Nicht, dass es etwas ändert, aber sie alle stellen (sich) diese Frage, und brauchen etwas, um zu tratschen.» Auch das französische LGBTIQ-Magazin Tétu listet De Maere schnell als queeren Künstler. Dieser wiederum ergänzt: «Ich habe kein Problem damit zu sagen, dass ich schwul bin, aber ich ziehe den Ausdruck ‹schillernd› vor».

Nach einer ersten EP («Un jour, je…», 2022) versucht Pierre De Maere nun mit den zwölf Songs seines Debütalbums ein romantisches Ideal zu inszenieren, in denen er seine jungen- und dandyhaften Gefühle musikalisch auslebt.



Da gibt es Drama, wie in «Les oiseaux» («Die Vögel», im Video – etwa rein zufällig? – wie ein Ausschnitt aus dem aktuell mit 4 Oscars prämierten Remake «Im Westen nichts Neues» inszeniert), oder es werden illusorische wie toxische Beziehungen besungen («Roméo» / «Évidemment»).

Hörer*innen, die des Französischen nicht unbedingt mächtig sind, könnten De Maeres tendenziellen stimmlichen Manierismen ein wenig überdrüssig werden, denn gerne setzt er neben grösseren Gesangsintervallen auch geschickt das Stilmittel des Autotunings ein und rollt, belgisch akzentuiert, auch hin und wieder pointiert das R («Lolita» / «Menteur» / «Enfant de…»). Aber es ist eben gerade dieses leicht frankophon Exaltierte, wie einst schon bei Michel Polnareff, das nicht nur Charisma, sondern vor allem einen gewissen Suchtfaktor versprüht.

Seinen grössten Hit feierte Pierre in der Saison 2021/22 mit dem Song «Un jour, je marierai un angel» («Eines Tages werde ich einen Engel heiraten»), und er wurde sowohl in Belgien beim NRJ Music Award 2022, als auch bei den französischen Victoires de la musique im Februar 2023 als Entdeckung des Jahres ausgezeichnet.

Diesen jungen Mann, mit Sinn für lässiges Drama und einem Schuss Selbstironie in seinen strahlend blauen Augen, sollten wir nicht aus den unseren verlieren.

Mal pervers, mal unschuldig – Isabelle Huppert wird 70. Oft arbeitet sie mit grossen schwulen Filmemachern wie Ozon und Honoré (MANNSCHAFT berichtete).

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