OSZE: Säuberungsaktionen gegen LGBTIQ in Tschetschenien bewiesen

Es steht fest: In der russischen Teilrepublik erleiden sexuelle Minderheiten «sehr schwere Menschenrechtsverletzungen»

Verhaftung beim CSD 2013 in Moskau (Archivbild: Screenshot/YouTube)
Verhaftung beim CSD 2013 in Moskau (Archivbild: Screenshot/YouTube)

Im November hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf Druck von 16 Mitgliedsländern wie Deutschland und Schweden den «Moskau-Mechanismus» ausgelöst. Die im April 2017 bekanntgewordenen schweren, homo- und transphob motivierten Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sollten aufgeklärt werden. Nun steht fest: Dort erleiden sexuelle Minderheiten «sehr schwere Menschenrechtsverletzungen».

In Tschetschenien kommt es insbesondere in Bezug auf sexuelle Minderheiten zu «sehr schweren Menschenrechtsverletzungen», die verantwortlichen Sicherheitskräfte würden nicht belangt – zu diesem Schluss kommt ein am Donnerstag im permanenten OSZE-Rat in Wien präsentierter Bericht, den der österreichische Völkerrechtler Wolfgang Benedek im November verfasst hat.

Die Beweise zeigten deutlich, «dass die Vorwürfe sehr ernster Menschenrechtsverletzungen in der tschetschenischen Republik der Russischen Föderation bestätigt werden können». Dies betreffe insbesondere Vorwürfe von Schikanen und Verfolgung, von willkürlichen oder illegale Festnahmen, Folter und Exekutionen ausserhalb eines rechtlichen Rahmens, schrieb Benedek.

Man habe einige Wellen von Menschenrechts- verletzungen auf Grundlage der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität im Jahr 2017 bestätigen können, zudem seien auch Säuberungsaktionen in Bezug auf angebliche Drogensüchtige und Teenager identifiziert worden.

Sicherheitskräfte nicht vor Gericht gestellt Benedek kritisiert, dass Behördenvertreter in Tschetschenien für ihre Verbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen werden: «Dieser Befund wird durch die Tatsache bestätigt, dass kein einziger Fall bekannt ist, in dem ein Angehöriger der Sicherheitskräfte für Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt worden wäre», heisst es im Bericht.

Bereits im Frühjahr 2017 hatte der Sender France24 Geflüchtete aus Tschetschenien in einer geschützten Unterkunft besucht. Einer der Betroffenen bestätigt eine systematische Verfolgung homosexueller Männer, wie von der Novaya Gazeta erstmals vermutet wurde. «Es wird nichts dagegen unternommen, weil der Befehl, das Land von uns zu befreien, von oben kommt», sagt er gegenüber dem Sender.

Sie bringen Menschen und wissen, dass sie dafür nicht bestraft werden

Homosexuelle seien in Tschetschenien schon immer verfolgt worden, aber nie in einem solchen Ausmass. «Sie bringen Menschen um. Sie tun einfach, was sie wollen. Sie wissen, dass sie dafür nicht bestraft werden.»

Ohne Schmuck und Make-up – kein Asyl für schwulen Tadschiken

Der Völkerrechtler aus Graz legt Russland nahe, angesichts deutlicher Beweise für sukzessive Säuberungsaktionen in Bezug auf LGBTIQ-Personen eine Untersuchung der Handlungen der tschetschenischen Regierung einzuleiten. Zudem müsse sichergestellt werden, dass sich die Behörden in der Teilrepublik an russische Gesetze halten und russische Verpflichtungen im Rahmen internationaler Menschenrechtsbestimmungen einhalten. An Tschetschenien selbst ging seine Empfehlung, die Existenz nicht-heterosexueller Menschen in der Republik anzuerkennen und die Verfolgungen einzustellen.

Vorwurf: Ermordung von 27 Tschetschenen 16 OSZE-Mitgliedstaaten hatten im vergangenen Monat den sogenannten «Moskauer Mechanismus» der OSZE in Gang gesetzt und Benedek mit der Erstellung eines Berichts zur Menschenrechtssituationen in Tschetschenien beauftragt. Neben der fragwürdigen strafrechtlichen Verfolgung des prominenten Menschenrechtlers Ojub Titijew, hatten sich die 16 Staaten für die angebliche Ermordung von 27 Tschetschenen interessiert, die Anfang 2017 wegen ihrer Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten getötet worden sein sollen.

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Das russische Aussenministerium bezeichnete die Einleitung des Moskauer Mechanismus als unbegründet, spricht gar von einem «Missbrauch des OSZE-Instrumentariums», der dem Geist der Organisation widerspreche. Auch Österreich beteiligt sich nicht an der isländischen Initiative.

Benedek sah die schlimmen Befürchtungen nun als erwiesen an, sein Bericht basiert auf Gesprächen mit Betroffenen und Aktivisten sowie der Auswertung schriftlicher Unterlagen.

Wir sind nicht in der Position, ihren Besuch in der Russischen Föderation als OSZE-Berichterstatter im Rahmen des ‚Moskauer Mechanismus‘ zu arrangieren

Benedeks ursprünglicher Plan, in Moskau mit Behördenvertretern zu sprechen, war am Widerstand des russischen Staates gescheitert. «Wir sind nicht in der Position, ihren Besuch in der Russischen Föderation als OSZE-Berichterstatter im Rahmen des Moskauer Mechanismus zu arrangieren», schrieb der stellvertretende russische Missionschef bei der OSZE in Wien, Wladimir Scheglow, Mitte November an den Völkerrechtler. Russlands Menschenrechtsbeauftragte, das russische Justizministerium und das staatliche Ermittlungskomitee liessen Anfragen gänzlich unbeantwortet.

Asyl für Tschetschenen Nach Benedeks Ansicht hätten seine Erkenntnisse auch Relevanz für den Umgang mit Flüchtlingen aus Tschetschenien. «Die Feststellungen des Berichts hinsichtlich der Straflosigkeit der Sicherheitskräfte erscheinen mir von allgemeiner Bedeutung. Freilich ist deren Relevanz anders als bei LGBTIQ-Personen jeweils im Einzelfall zu prüfen», erklärte er gegenüber der Agentur APA. Wer aus politischen oder religiösen Gründen Tschetschenien verlassen habe, sollte nach der Genfer Flüchtlingskonvention ohnehin Asyl bekommen, so Benedek.

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