Nach «Insta-Trend»: Männer in Marokko werden erpresst

Sicherheitsfunktionen der Dating-Apps nur bedingt wirksam

Symbolfoto: iStockphoto
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Geklaute Fotos aus schwulen Dating-Apps kursieren im Internet und führen in Marokko zu Mobbing und Erpressung. Angefangen hat es mit einem fraglichen Insta-Trend.

In Marokko werden teils intime Fotos von schwulen Männern in einschlägigen Facebookgruppen herumgereicht, die zu unfreiwilligen Outings führen können. Die Bilder werden von Personen in Umlauf gebracht, die sich auf Dating-Apps wie Grindr, PlanetRomeo oder Hornet ein Profil erstellt haben und User nach Fotos fragen.

Die trans Influencerin Naoufal Moussa – in Marokko auch als Sofia Taloni bekannt – hatte den fraglichen Trend ins Rollen gebracht. In einem Livevideo forderte sie ihre rund 620‘000 Follower*innen auf, schwule Dating-Apps wie PlanetRomeo oder Grindr herunterzuladen, um die Männer im eigenen Umfeld zu identifizieren.

«Diese Apps zeigen Personen in deiner Nähe – seien das 100, 200 oder gar einen Meter neben dir, zum Beispiel im Wohnzimmer», sagte sie. «Da jetzt alle zuhause sind, zeigen sie dir vielleicht deinen Mann im Schlafzimmer oder deinen Sohn im Bad.»

Facebook, Mutterkonzern von Instagram, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur, dass Moussas Profile mittlerweile gesperrt wurden.

Ahmed Benchemsi, Kommunikationsdirektor der Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika, relativierte gegenüber Insider Moussas Aussagen. Da die trans Influencerin aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oft Beleidigungen und Diskriminierungen ausgesetzt sei, habe sie auf schwule Dating-Apps verwiesen. Wer eine App herunterlade, realisiere schnell, wie viele homosexuelle Männer sich im eigenen Umfeld befinden.

Obwohl Moussa ihre Follower*innen nicht dazu aufgerufen hat, diese Männer öffentlich zu outen, ist nun ebendies geschehen. «Die Männer werden gemobbt und erpresst», sagt Nassawiyat gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der LGBTIQ-Organisation zufolge müssen viele schwule Männer nun Repressalien befürchten oder werden von ihren Familien gar auf die Strasse gesetzt. «Mit dem gegenwärtigen Corona-Lockdown haben sie keine Anlaufstelle.»

Wie Reuters weiter berichtet, habe die Schliessung von LGBTIQ-Bars und Safe Spaces zu einer erhöhten Nutzung von LGBTIQ-Apps geführt.

«Mit Nachrichten auf Marokkanisch-Arabisch und Französisch haben wir schnell reagiert und Grindr-User in Marokko darauf hingewiesen, dass sie zurzeit besonders vorsichtig sein sollen», sagte ein Pressesprecher von Grindr.

Grindrs Sicherheitsfunktionen nur bedingt wirksam

Im arabischen Raum sind homosexuelle Handlungen vielerorts illegal, in Saudi-Arabien können sie gar mit dem Tod bestraft werden. In solchen Ländern, darunter auch in Marokko, hat Grindr kostenlose Funktionen eingeführt, darunter einen Screenshot-Blocker oder befristete Bilder, die nur wenige Sekunden sichtbar sind (MANNSCHAFT berichtete). LGBTIQ-Gruppen warnen jedoch davor, dass solche Einschränkungen einfach zu umgehen seien, indem man das Smartphone mit einem zweiten Gerät filme.

Bei Hornet setzt man indes auf Algorithmen und Moderatoren, um glaubwürdige Profile entsprechend zu kennzeichnen (MANNSCHAFT berichtete).

Gemäss Reuters gibt es für LGBTIQ-Personen in arabischen Ländern oft keine Alternative zu Datings-Apps – ausser Einsamkeit. Die Nachrichtenagentur zitiert Nasser, einen schwulen Mann aus Katar, der anonym bleiben möchte: «Ich werde weiterhin Dating-Apps verwenden, bin jedoch sehr vorsichtig. Ich lasse nicht zu, dass mich die Angst davon abhält, andere kenne zu lernen.»

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