Mein Coming-out: «Mein Vater sagte: Raus aus meiner Wohnung!»
Lukas bekam Rückhalt von seiner Mutter
Soll man sich heute noch outen müssen? In unserem Coming-out-Special antworten neun Menschen. Dies ist die Geschichte von Lukas aus Zürich.
«Ich habe mich vor drei Jahren geoutet. Da war ich 13. Ich wusste schon als kleiner Junge, dass ich auf Männer stehe, wollte es aber nie zeigen, weil mein Vater und mein Grossvater schwule oder queere Menschen nicht akzeptieren.
Ich sprach mit einem Heilpädagogen in meiner Schule und fragte ihn, wie ich es meinen Eltern sagen könnte. Er sagte mir, es sei nicht verkehrt, dass ich auf Männer stehe und ich ein hilfsbereiter, sympathischer und liebevoller junger Mann sei. Schwul zu sein, ändere mich als Mensch nicht.
Du bleibst mein Sohn, egal wen du liebst!
Danach beschloss ich, es meinen Eltern zu sagen. Ich erinnere mich genau daran. Mein Vater sass am Abend am Esstisch und meine Mutter auf dem Sofa.
Er sah mich an, sagte zu mir: ‹Raus aus meiner Wohnung!› und ging auf den Balkon eine Zigarette rauchen. Meine Mutter kam zu mir und fragte: ‹Warum hast du es ihm gesagt? Du weisst, wie er ist. Wärst du lieber erst zu mir gekommen. Doch geschehen ist geschehen. Du bleibst mein Sohn, egal wen du liebst!›
Danach ging ich eine Woche zu meinen Grosseltern. Nur meine Grossmutter durfte wissen, dass ich schwul bin, mein Grossvater nicht, sonst hätte er mich auch rausgeschmissen. Ein Jahr später starb meine Grossmutter und mein Grossvater zog ins Ausland. Dort besuchte ich ihn einmal in den Frühlingsferien, weil ich einen grossen Streit mit meinem Vater hatte. Dieser konnte mein Schwulsein nicht akzeptieren, sagte mir, ich wäre nicht sein Sohn und solle mich schämen.
Als ich zurück in die Schweiz kam, stellte er meiner Mutter ein Ultimatum: ‹Entweder geht er oder ich.› Sie sagte ihm ins Gesicht: ‹Mein Sohn bleibt. Er hat nichts falsch gemacht. Ich habe ihn mit Schmerzen geboren und liebe ihn von Herzen. Ich habe mich entschieden. Du gehst.›
Dazu auch unsere Umfrage der Woche:
Danach entschied ich mich, es allen zu sagen. Wer mich nicht mehr sehen will, ist selbst schuld. Also rief ich zuerst meinen Grossvater an, Anfang Juni dieses Jahres. Er hat mich aus seinem Leben gestrichen wie mein eigener Vater. Zwei Tage später erzählte ich es Verwandten und Bekannten. Alle sagten, ich sei bei ihnen immer willkommen, egal auf wen ich stehe.
Jetzt starte ich mein Leben neu, möchte mich zeigen und an mich glauben. Ich lasse mich nicht mehr unterdrücken oder beleidigen. Ich gehe meinen Weg und werde allen zeigen, was ich für ein glücklicher Mensch werde, wenn ich Männer liebe. Es ist nicht meine Aufgabe, das Leben anderer Menschen zu leben – genauso kann niemand mein Leben für mich leben.
Anderen Personen im Alltag sage ich nicht, dass ich auf Männer stehe. Die meisten merken es selbst und die, die ein Problem haben, haben halt eins.»
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